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Sigrid Ehm ist World’s Most Imaginative Bartender 2015

Erdiges Finale in London: die GSA-Region präsentiert sich bei Bombay Sapphires großem Wettbewerb in Bestform. Und mit ihrem simplen, aber umso raffinierteren Drink „El Diamante“ holt die Wienerin Sigrid Ehm den Titel als World’s Most Imaginative Bartender erstmals in den deutschsprachigen Raum. Ein turbulenter Reisebericht von Roland Graf.

 

Winston Churchill trägt einen Strohhut und schaut stoisch. Das liegt wohl daran, dass der Namensgeber der Hotelbar des Londoner Hyatt-Hotels aus Bronze ist. So stört ihn auch die emphatisch vorgetragene Rede von Ran Duan (Baldwin Bar, Woburn, MA, USA) nicht weiter. Der bullige Amerikaner tigert durch den Garten der Bar und lernt seinen Text für die finale Challenge des „World’s Most Imaginative Bartender“-Contests auswendig. Einen Gartensessel weiter meditiert Mitsuhiro Nakamura (The Peter Bar, Tokio) mit geschlossenen Augen und Kopfhörern, ehe er dann mit der Pinzette die Zesten und Mandeln für seine Kreation beim globalen Bombay Sapphire-Wettbewerb arrangiert. Zwei Bartender, zwei Welten.

Die rasante Route nach London

„Wer ist dein Meister?“, wollte der Japaner zuerst von Rémy Savage (Little Red Door, Paris), dem Vorjahres-WMIB-Sieger wissen. Das Meisterprinzip scheint sich auszuzahlen; Nakamura gewann mit seinem Twist auf den G&T die erste Challenge. Denn dem Semifinale gingen heiße Tage in Spanien voraus. Wie die drei Jahre zuvor auch, steht bei der vierten Auflage des Gin-Contests die Reise in eins der zehn Botanical-Lieferantenländer am Beginn der Wettkampfwoche. Madrid-Alicante-Murcia lautete die Route, von der vor allem die affenartige Geschwindigkeit der alten Damen in Erinnerung bleibt, die Zitronenschalen für Bombay Sapphire gewinnen. In fast jeder Cocktail-Präsentation für die Martini-Challenge, der zweiten von drei Runden, werden die Señoras erwähnt. „Ich hoffe, sie halten mir einen Job frei, wenn ich einmal alt genug bin“, meint etwa Sigrid „Sigi“ Ehm aus der Wiener Hammond Bar.

Zwei Chancen für GSA-Region

Aus 400 Einsendungen für die Wildcard löste die 27-Jährige das Ticket in die finale Achter-Runde. Mit ihr an der Bar der Laverstoke Mill, der 2014 eröffneten eindrucksvollen Bombay-Destillerie, steht auch Lukas Motejzik, der das Deutschland-Finale in Frankfurt für sich entschied. Der „Zephyr“-Bartender aus München serviert in der Vorrunde zunächst einen wunderbaren Martini im klassischen Stil, im Finale dann einen Drink mit deutscher Note: Der Pumpernickel-Rim gelingt perfekt, auch wenn Motejzik mit den verfügbaren Zutaten ein wenig hadert. Sigi Ehm bekam im „Harrod’s“ zwar alles Gewünschte, der Preis für ein Kilo Kirschen – 50 Pfund (70 Euro) – ließ die Wienerin aber erbleichen.

Brutal erschlagen – der Gin

Acht Teilnehmer wurden im Halbfinale auf drei Finalisten reduziert. Rémy Savage,  dem Londonder Urgestein Peter Dorelli und Julie Reiner agierten hier als Jury. Die drei besten Drinks kamen abends dann im Finale vor Publikum nochmals vor die Preisrichter. Wobei man durchaus einen WMIB-Sonderpreis für Coolness einführen hätte können. Er gebührte dem Kanadier Robin Kaufman (Temperance Society, Toronto). Nicht nur, dass er weitermachte, als es ihm bei der Martini Challenge das Rührglas zerfetzt hatte, auch in der Churchill-Bar setzt ausgerechnet beim Mixen seiner „Sublime Siesta“, der Presslufthammer im Nebenraum an. Genauso wie der Spanier Luis Nogueira Bustamante (Metric Market, Barcelona) wird der Kanadier so etwas wie der Sieger der Herzen. Doch davon kann man sich bei einem Wettbewerb wie diesem nichts kaufen.

Big Blender oder die Zartheit des Gins

Wie erging es den Kollegen? Nun, Laura Choquart (Georges V, Paris) legte es ähnlich wie ihr siegreicher Landsmann Rémy Savage an. Brachte ihm im Vorjahr der Papier-Sirup den WMIB-Titel, fertigt sie aus Steinen aus dem Flüsschen Test bei Laverstoke sowie Zitronen, Vanille und Meerwasser einen „Schiff-Sirup“. Geschmacklich allerdings überlagert am Ende die Vanille die subtilen Noten des Bombay-Gins. Die Französin kann sich immerhin mit dem Sieg bei der Martini-Challenge trösten. Dass intensive Zutaten, etwa Orgeat bei Kanadas Robin Kaufman, bei dieser Basisspirituose kritisch sind, wird noch ein paar Mal zum Problem. „Savoy“-Legende Peter Dorelli, ein Mann der klassischen Schule, suche öfters nach dem Gin, wie er uns in der Pause des Halbfinales erzählte. Kreative Geschichten oder die technische Materialschlacht (Ipads als Serviermatte, DVD-Einspielungen und Musik) blendet das Jury-Trio nicht. Immerhin haben die Bartender beim Workshop über Synästhesie offenbar gut aufgepasst, den Marian Beke (Nightjar, London) und der Geschmacksprofessor Barry Smith als Einstieg in die Tage in London hielten.

Brutal erschlagen – der Gin

Erstaunlich balanciert hingegen kommt ein Drink ins Glas, bei dessen Zutaten das Kennerpublikum recht skeptisch war. „Bartender’s Ketchup“, der Holunderblüten-Likör St. Germain, in Verbindung mit Kresse und Kresse-Essig – geht sich das aus? Dan Berger, der Mann mit dem Heimvorteil – seine „Heddon Street Kitchen“ befindet sich in London – serviert vermutlich den balanciertesten Drink, „Glory of Expedition“. Damit schafft er es ebenso ins Finale wie der optisch beeindruckende, mit Dill und Xanthan zu grüner Frische erblühende Drink des US-Vertreters Ran Duan. Als Dritte im Bunde kommt Wildcard-Trägerin Sigi Ehm ins Finale. Ihr einfacher Drink, der mit der Basis aller Botanicals — guter Erde — spielt, sorgt für Erstaunen. Jurorin Julie Reiner, New Yorks Cocktailqueen (Clover Club, The Flatiron) hat die Lacher auf ihrer Seite, als sie fragt: „Ist die Erde auch bio?“. Ehms Sirup aus eigens in der Schweiz für Köche unter Anleitung des Grazer Professors Helmut Jungwirth aufbereiteter Erde entspricht dem Titel des Bewerbs voll und ganz.

Hymne und Luxus-Kirschen

Zumal die „Hammond“-Bartenderin im Finale in Shoreditch vor Publikum noch einmal alle Register zieht. Während der Zauber von Duans theatralischer Performance in der Industriehalle ein wenig verblasst, sorgt die Story von den Harrod’s-Kirschen ebenso für Amüsement wie das spontane Singen der britischen Hymne durch Ehm. Dazu fügen sich alle drei Drinks zu einer Art „Bombay“-Menü zusammen. Als letzte Teilnehmerin angetreten, tobt der Saal, als sie der um Master Distiller Nick Fordham erweiterten Jury den „El Diamante“ eingießt. „Seid ihr sicher?“, ist die Frage, die die 27-Jährige nach der Verkündung des Sieges drei Mal stellt.

Ja, die Jury ist sich sicher. Ehm widmet den Sieg „den Mädchen an der Bar“ und bekommt einen solidarischen Kuss von Laura Choquart, ehe sich die weiteren Gratulanten hinter Brand Ambassador Karim Fadl anstellen. Ab sofort hängt ein Bild der gebürtigen Bayerin in der „Hall of Fame“ der Laverstoke-Destillerie. Und auch ein eigener Gin wird mit Sigi entwickelt. Ob da wieder Erde als Botanical fungiert?

El Diamante (Sigrid Ehm, Hammond Bar/Wien)

6 cl Bombay Sapphire Gin
2,5 cl Noilly Prat (Kirsch-Zitronen-Infusion)*
1 cl Erde-Salz-Sirup*

Glas: Coupette

Garnish: rotes Seidenpapier am Glasstiel

Zubereitung: alle Zutaten auf Eiswürfeln verrühren und ins vorgekühlte Glas abseihen?

*Noilly Prat Kirsch-Zitronen-Infusion

Die Schalen von drei Zitronen und 500 ml Noilly Prat einlegen, ca. 150 g frische Krischen angeschnitten hinzugeben. Etwa 12 Stunden ziehen lassen und fein abseihen.

*Erde-Salz-Sirup

400 ml Gomme-Sirup erwärmen und darin 2 cl Erde auflösen. 4 BL Lagavulin dazugeben und fein filtrieren. Abschließend ½ BL geräucherte Meersalz dazu geben.

 

Comments (1)

  • Ritchie Pettauer

    Spannende Zusammenfassung! Und als Stammgast von Sigi kann ich nur sagen: Der Preis ist wirklich verdient! Competitions sind eine Sache, aber bei in der Hammond Bar ist der Qualitätsstandard auch im Daily Business immer extrem hoch.

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