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Spezialitätenkaffee

Die Qualität ist tot, lang lebe die Qualität!

Spezialitätenkaffee war nie so sehr im Fokus wie heute. Das zeigt vor allem die Tatsache, dass die ersten Big Player versuchen, im hippen Geschäft der hellen Röstungen mitzumischen. Ob der „Blonde Roast“ wirklich etwas kann und was er mit Speziliatätenkaffee zu tun hat, beleuchtet MIXOLOGY-Kaffee-Experte Timon Kaufmann.

Die Sache mit dem Mainstream ist für viele qualitätsbewusste Gastronomen oft Fluch und Segen zugleich. Es fängt meist im Kleinen an, nämlich mit einer Idee und dem Willen, diese bestmöglich umzusetzen. Wenn es funktioniert, lassen die Nachahmer oft nicht lange auf sich warten. Mehr und mehr Anhänger kommen dazu, bis die Sache so bekannt ist, dass es auch für die Big Player interessant wird, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Oder ihn gleich ganz zu verschlingen.

Spezialitätenkaffee: Neuer Kaffee für neue Generationen von Konsumenten?

Beim Thema Spezialitätenkaffee, derzeit besonders beim Filterkaffee neuen Generation, ist diese Schwelle nun erreicht. Nachdem es mittlerweile in jeder größeren Stadt auch mindestens eine kleinere Rösterei gibt, die sich der hohen Qualität der Bohne verschrieben hat, wollen auch die Großen auf den Zug mit aufspringen.

Während die großen Kaffeehausketten mithin etwas reaktionsfreudiger sind und bereits seit längerem auch versuchen, Kaffeeliebhaber mit Single Origin-Kaffees und Produkten wie Coldbrew abzuholen, sind die Produzenten der Bohne doch etwas gemächlicher. Einer der ersten, der sich in die Wildnis des Hellgerösteten wagt hat – die angesichts der ganzen Pioniere schon recht domestiziert scheint – ist Tchibo. Andere bekannte Namen wie Melitta oder Darboven scheinen davon noch nicht überzeugt, zumindest kündigen sie noch nichts an. Aber zurück zu Tchibo.

Thibos Blonde Roast – alles, was der Hipster braucht

Mit seiner hellen Röstung – dem Blonde Roast – hat der Kaffee-Riese es auf die noch recht junge und schnell wachsende Szene der Kaffee-Connaisseurs abgesehen. Oder zumindest auf diejenigen, die welche werden möchten, aber (noch) nicht bereit sind, dafür hohe Beträge zu zahlen. Und dabei zieht Tchibo alle Register.

Ein Blick auf die Website zeigt, dass die Marketingabteilung des Konzerns ganze Arbeit geleistet hat: Ein Bilderbuch-Barista mit akkuratem Seitenscheitel, einem mit Stoppeln umrahmten Schnurrbart und der obligatorischen Denim-Leder-Schürze, preist den neuen Spitzenkaffee an. Die Erscheinung ist freundlich, aber nicht zu freundlich. Der Blick ist andächtig dem frisch gebrühten Kaffee zugewandt, der mit auf Hochglanz poliertem Equipment im minimalistisch eingerichteten Café zubereitet wurde. Das ganze natürlich im Glas serviert. Wie man es eben erwartet von einem Hipsterspitzenkaffee. Direkt darunter wird zudem alles angeboten, was man für die Zubereitung braucht. Angepriesen jeweils mit dem Prädikat „Barista“. Das muss ja dann schmecken!

Steckt dahinter wirklich guter Kaffee?

Was aber steckt hinter der Hochglanzfassade? Kann ein Konzern wie Tchibo mit dem Handwerk eines kleinen Rösters überhaupt mithalten? Und wenn nicht, muss er das eigentlich? Schauen wir uns einmal die Fakten an. Verkauft wird der Blonde Roast u. a. in einer 250-Gramm-Packung aus recyceltem Papier, verschlossen mit einer Tchibo-gebrandeten Wäscheklammer aus Holz oder einer Kupferklemme und einem hochwertigen Papieretikett mit allen grundlegenden Informationen – fast! Denn ein Röstdatum sucht man vergebens, womit man leider keinen Rückschluss auf die Frische des Kaffees ziehen kann. Allerdings würde er in der vorliegenden Verpackung ohnehin nach wenigen Tagen einen Großteil seiner Aromen verlieren, da diese nicht Luftdicht verschließbar ist (auf der Website scheint es aber auch adäquate Verpackungen zu geben).

Rein optisch macht der Kaffee einen hochwertigen Eindruck. Es befinden sich wenig fehlerhafte Bohnen in der Mischung aus Kolumbianischen und Ostafrikanischen Arabicas, das Röstbild ist gleichmäßig. Geschmacklich ist der Kaffee besser als erwartet. Der Gesamteindruck ist recht flach und unaufregend, was aber auch an der ungenügenden Verpackung und dem damit verbundenen Aromenverlust liegen kann. Die Frucht ist erkennbar, jedoch nur in den Ansätzen, ebenso wie die bitteren Noten. Im Abgang kommen Noten von Tabak und Zuckerrohr zum Vorschein, was auf eine leichte Überröstung schließen lässt. Sicherlich keine Offenbarung, aber für jemanden, der den Einstieg von dunkel zu hell gerösteten Kaffees sucht, zumindest ein Anfang und Mittelweg. Einen Kenner wird man damit aber nicht locken können. Das ist aber sicherlich auch nicht die angepeilte Zielgruppe. Verkauft wird der Blonde Roast schließlich für 4,69 Euro (à 250 g), was für Spezialitätenkaffee ein lachhaft niedriger Preis ist und den Einstieg zusätzlich erleichtert. Unterm Strich also durchaus ein Produkt, das seine Berechtigung hat.

Ein „gutes“ Produkt. Die Probleme liegen im Verborgenen

Möchte man den Kaffee jedoch über die Website von Tchibo bestellen, stößt man unmittelbar auf ein Problem, mit dem sich Großproduzenten künftig auseinandersetzen müssen werden, wenn sie im Spezialitätenkaffe-dschungel mitspielen wolle: „Zurzeit nicht Lieferbar“.

Denn Spezialitätenkaffee ist ein saisonales und sehr begrenztes Produkt,  Spitzenqualitäten sind teilweise gar nur säckeweise verfügbar. Diese Entwicklung wird zusätzlich durch den Klimawandel verschärft, der immer mehr Anbaugebieten der anspruchsvollen Pflanze die Eignung entzieht. Das ist ein Problem für Konzerne, die den Fokus in der Regel eher auf Masse und Preis legen. Und für den Fall, dass mehrere Großkonzerne ein bedeutendes Interesse an hochwertigen Kaffees entwickeln sollten, wird die Verfügbarkeit künftig auch zum Problem für kleinere Röstereien. Viele der Importeure von Spitzenkaffees sind Ableger von den Großimporteuren, die wiederum die Konzerne beliefern. Somit kann man davon ausgehen, dass diese bei Bedarf den Bestand an hochwertigen Kaffees einfach aufkaufen und somit denen, die etwas weiter unten in der Nahrungskette stehen, ganz schnell den liefertechnischen Hahn abdrehen können. Hinzu kommt die Gefahr eines Preisdumpings, das in aller Regel zu Lasten der ohnehin meist unterbezahlten Kaffeeproduzenten gehen würde.

Dass die Veredelung der Rohbohne von den Großkonzernen nach dem Kauf mit gleicher Sorgfalt, Kompromisslosigkeit und Hingabe betrieben wird wie bei einem kleinen Spezialitätenkaffee-Röster, darf stark bezweifelt werden. In Kombination würde das dazu führen, dass gut verarbeiteter Spitzenkaffee nicht nur noch seltener, sondern wahrscheinlich auch noch einmal deutlich teurer werden würden, auch im Vergleich zur aktuellen Situation.

Wie die Vergangenheit bereits gezeigt hat, kann es durchaus auch positive Effekte haben, wenn die großen Jungs auf einmal mitspielen wollen. Starbucks ist hierfür ein blühendes Beispiel. Hell gerösteter Kaffee bedarf nach wie vor viel Aufklärungsarbeit, da er doch deutlich von dem abweicht, was man bisher über Kaffee gelernt hat. Diese Aufklärung wird durch Großkonzerne deutlich effektiver betrieben, wie in kleinen Spezialitätencafés. Sollte der Balanceakt zwischen beiden Seiten gelingen, können auch beide davon profitieren.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Konzerne nicht zu gierig werden, damit es auch weiterhin eine große Bandbreite an verschiedenen Kaffeequalitäten geben wird und schließlich jeder ein passendes Stück vom Kuchen abbekommt.

Credits

Foto: Foto via Steinsplitter (CC0) via Wikimedia

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