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The Conference: Blending in Echtzeit

Eine Konferenz der Basisspirituosen in einem Glas. Wer an Long Island Iced Tea denkt, liegt dabei völlig falsch. Brian Millers Drink ist ein Beispiel dafür, dass Kategorien nicht immer gut sind.  Nico Colic nutzt die Gelegenheit, um über Perspektiven an der Bar nachzudenken. 

Löst man sich erst einmal von dieser Idee, dass es in jedem Cocktail genau eine Spirituose gibt, eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Dass man das auf die Spitze treiben kann, indem man nicht zwei, nicht drei, sondern vier Spirituosen in einem Getränk vermählt, zeigt das folgende Rezept.

Raus aus der Schublade, weg von der ewigen Kategorie!

Eine klassische Art und Weise, eine Barkarte zu strukturieren, ist bekanntlich die Sortierung nach der Grundspirituose. Und wer schon mal selber eine Karte zu schreiben versucht hat – vielleicht auch nur aus Jux – der weiß, wie langweilig und aussagelos das ist. Denn welchen Nutzen bringt eine Einteilung, wenn beispielsweise der White Russian neben dem Moscow Mule zu stehen kommt. Oder der Martinez neben einem Gin & Tonic? Schlimmer noch: Wie geht man um mit Kandidaten wie dem Vieux Carre, einer Vesper oder, wenn es denn nötig sein sollte, einem Long Island Iced Tea? Die kann man nur noch unter so etwas wie „Split Base Cocktails“ listen und sich denken, dass eine leiernde Vokabel wie „Rest“ ähnlich hilfreich gewesen wäre.

Es geht hier aber nicht darum, wie man eine Barkarte gestaltet. Es geht um eben diese Split Base Cocktails. Zu lange ist diese Idee der Grundspirituose nicht hinterfragt worden. Doch wir wollen uns mit dem The Conference heute ein Beispiel dafür anschauen, wie man sich von diesem Sortierungszwang entfernen und jene erwähnten Perspektiven erweitern kann.

Die Kunst des Blendens

Viele Spirituosen sind von sich aus bereits Gemische verschiedener Destillate, um genau dem Geschmacksprofil, das dem Blender vorschwebt, zu entsprechen. Warum also nicht selber Hand anlegen, und den perfekten Blend für seinen Cocktail ausfindig machen? Man kennt dieses Verfahren aus der Tiki-Sphäre, in der gerne verschiede Rums schon vor dem „eigentlichen“ Mixvorgang zu einem Blend vermählt werden. In der goldenen Ära der große Tiki-Franchises ging das soweit, dass Firmen wie Trader Vic’s ihre Blends unter großer Geheimhaltung und in ebenso großem Stil produzieren und nur mit Nummern versehen in die Bars liefern ließen – der Hausblend als großes Geheimnis. Dieses Blenden von Basisspirituosen funktioniert aber genau so bei anderen Kategorien, und tatsächlich auch über die Kategoriegrenzen hinweg.

Beim Old Fashioned zum Beispiel bietet es sich an, fassstarke Abfüllungen mit weniger hochprozentigen Bourbons zu vermählen. Erstaunlich ist auch, wie freudig sich die Mischung aus einem Viertel Gin und drei Vierteln Rum im Cuba Libre macht. Oder wie sich leichte Scotch-Abfüllungen an Gin anschmiegen können.

Diese Idee auf die Spitze getrieben hat Brian Miller aus der Death & Co Bar in New York City. In seinem jüngst veröffentlichen Cocktailbuch gleichen Namens finden sich einige Beispiele solcher Split Base Cocktails: Da wird Gin mit Applejack gemischt, oder sogar Tequila mit Aquavit. Besonders sticht aber die folgende Old Fashioned Variation hervor, bei dem vier Spirituosen sich zu einem komplett neuem Geschmack verbinden: Der The Conference Cocktail, der wahrlich eine „Konferenz“ vierer sogenannter Grundspirituosen darstellt. Man mag das als Willkür und Respektlosigkeit verschreien. Doch man höre, lese, mixe und staune: das funktioniert.

Credits

Foto: Farben via Shutterstock.

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