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Time & Oak: Werden aus Whiskey-Jahren bald Tage?

Ein Start-up von der US-Westküste verspricht ein Kuriosum: Barrel Aging innerhalb weniger Tage. Was sonst in vielen Jahren entsteht, soll plötzlich für wenig Geld und nach nur einigen Stunden zu haben sein. Kann das funktionieren? Die Antwort von Juliane Reichert könnte deutlicher nicht sein.

Vieles muss nicht sein. Es muss kein Eagle Rare in den Whiskey Sour, keine Cola in den Port Ellen und überhaupt ist nicht immer alles besser, was älter ist. Manchmal ist ein 10-jähriger Laphroaig alles, was man braucht. Und er kostet gerade das Drittel eines 18-Jährigen.

Was wäre aber nun, wenn man es mit einem kammartig geformten Holzstäbchen schaffen würde, einen 10-Jährigen zu bezahlen und einen 18-Jährigen zu trinken? Da wäre an Geld gespart, an Zeit sowieso und überhaupt an Nerv, dem Partner vermitteln zu müssen, dass der nächste Urlaub im Zelt statt mit Zimmerservice stattfindet.

Die Schotten würden sich ganz schön umgucken. Könnten die mal sehen, was sie mit ihrem 23-jährige Bowmore für über 400 Euro machen – wir jedenfalls, würden uns ganz genüsslich den 15-jährigen für 50 Euro zu Gemüte führen, nachdem wir ihn für zwei Tage mit einem als Holzstäbchen verkleideten Weinfass versehen haben. Bei dieser alternativen Form der Reifung kommt nämlich nicht der Whisky ins Fass, sondern das Fass in den Whisky.

In der Natur nützlich: Oberflächenvergrößerung

Etwa 13 Zentimeter lang ist das Stück aus angeräucherter Eiche, welches mit einem feinen Laserschnitt lamellenartige Formen aufweist, um mit der daraus entstandenen Oberflächenvergrößerung für eine maximale Interaktion zwischen Whisky und Xylem zu sorgen. Xylem ist der Wasser und Salz leitende Teil einer Pflanze im Holz und somit wichtiges Leit- und Stützgewebe. Und Oberflächenvergrößerung ist, wie wir aus dem Biologie-Unterricht wissen, an vielerlei Stelle sinnvoll, wenn Stoffe ausgetauscht werden sollen.

Soviel an trockener Theorie – die Praxis des Portlander Startups „Time and Oak“ besteht aus einer Stäbchen-Variation unterschiedlicher Aromatisierungen: von der klassischen Version „Signature“ über „Wine Cask“ für Anklänge an ein gebrauchtes Sherry-Fass bis hin zu „Smoke & Oak“ für den ultimativen Islay-Geschmack. Ein „Element“ soll für 24 bis 72 Stunden in eine Flasche oder zwei davon in eine halbe Gallone gelegt und gelegentlich umgerührt werden. Soweit die Anweisung.
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Time & Oak – der Versuch Die Probe Testobjekt: Auchentoshan 12

 

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Wir folgen mit einem Auchentoshan als Test-Whisky. Da wir ein klassisches und eine rauchiges Exemplar erproben, bietet sich sein mildes Grundaroma für eine möglichst deutliche Diagnose an. Der Schotte weist Noten von Mandarine, Malz und Zitrus auf und sollte somit Holz- als auch gleichwohl Torf-Aromen schnell spürbar werden lassen. In nur einem Tag einen 12-jährigen Lowlander zu einem 18-ährigen Islay-Malt zu reifen, das wär´s.

Picknick auf dem Produktionsband

Ist es aber nicht. Nach 24 Stunden hat sich der Flascheninhalt kupfergolden verfärbt und kleine Bläschen haben sich auf der Holzoberfläche gebildet. „Signature“ riecht nach harzigem Holz-Halva, „Smoke & Oak“ ranzig wie eine Packung schon im Mittelalter abgelaufener Haselnüsse. „Signature“ fühlt sich fettig und wachsig im Mund an und schmeckt nach Terpentin. Für Menschen, die gern in Baumstämme beißen, wäre dieser Malt vermutlich eine Möglichkeit, wenngleich recht massiv und ohne Reste von Malz. „Smoke & Oak“ hingegen bleibt letztlich nur noch der Riege derer, die ihren Salat lieber mit Maschinen-, statt Olivenöl marinieren, vorbehalten.

Die Wahrnehmungen oszillieren zwischen dem Lecken an einer Fahrradkette und dem Vespern eines Schuhcreme-Brots. Über den Versuch nach 48 Stunden muss kaum, über den nach 72 Stunden darf nicht mehr gesprochen werden. Vom Auchentoshan ist nichts mehr übrig und ein zuvor immerhin zweidimensionaler Whisky wird zu einem pikanten Punkt vor Produktionsband-Panorama.

Beim Whisky gewissenlos: Zeitgeiz

Nun sind Menschen verschieden und trinken ihren Whisky entsprechend. Unsere Zellen vergrößern ihr endoplasmatisches Retikulum auf gar ähnliche Weise und auch in der Weinwelt sind „Shavings“, also eine nachträgliche Aromatisierung durch Hinzugabe von Sägespänen, keine Schande. Eine sehr romantische Reifung ist es nicht; aber Reinheit und Romantik sind auch ein schwieriges Thema. Leichter gestaltet sich die Frage, was man von einem Produkt wie den „Whiskey Elements“ erwartet. Denn einen Whisky, den man mag, mit ihnen in Berührung zu bringen, wäre gewissenlos. Einen zu kaufen, den man nicht mag, hingegen,sinnlos.

Sinn macht es hin und wieder jedoch, einen Blick auf die Geschichte des Geschmacks zu werfen und festzustellen, dass Fasslagerung eine lange Tradition hat. Und das, obwohl der Mensch schon lange schnitzen kann und vom steten Gefühl mangelnder Zeit geplagt ist. Dennoch hat er immer wieder die Geduld aufgebracht, seine Getränke über 30 Jahre in Fässern zu lagern, die vermutlich zwischen 60 und 80 Prozent der Aromen ausmachen. Und das, weil es vermutlich einen Unterschied macht. Weil manche Dinge schlichtweg nicht schneller gehen – selbst wenn es mehr Geld in kürzerer Zeit einbrächte. Aber das ist den Dingen ganz egal.

Ist das noch Whisky?

Wir erinnern uns beispielsweise an den unabhängigen Abfüller Compass Box. Dieser hatte im Zuge seines „Spice Tree“ besondere Inlays angefertigt, die während der Fassreifung durch eine vergrößerte Oberfläche für mehr Interaktion zwischen Whisky und Holz hatten sorgen sollen.

Das Holz für diese Fässer stammte aus den Vogesen, war zum Teil knapp 200 Jahre alt, luftgetrocknet und hatte zu den teuersten Weinfässer der Welt gehört. Der SWA (Scotch Whisky Association) hat selbst diese Fässer vom Markt nehmen lassen, obwohl der Whisky diverse Awards gewonnen und der Aufwand in seiner Herstellung diverse Single Malts übertroffen hatte.

Und wenn nun geschmacklich auch noch passiert, was bei den „Whisky Elements“ passiert ist, können wir uns das SWA-Urteil in vorliegendem Fall selbst ausmalen.
Wir bleiben jedenfalls dabei: vieles muss nicht sein. Oberflächenvergrößerung unserer Mitochondrien gern. Diese Stäbchen aber nicht.

Credits

Foto: Bild via Time & Oak.

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