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Brand und Branding – Die Top Fünf der Obstbrand-Designs aus GSA

Die Renaissance des Obstbrandes geht voran. Spiegelt sich das auch in den Designs der Flaschen wider? Eine Bestandsaufnahme zwischen Tradition und Innovation, zwischen Heroldskunst und Mortal Kombat-artigen Figuren. Denn Auge trinkt ja bekanntlich nicht nur mit – es kauft auch mit ein.

Ein Blick ins Buch: Als Brand bezeichnet man das unverschnittene und unaromatisierte Destillat vergorener Obstmaische mit einem Mindestalkoholgehalt von 37,5 % Vol., ein Branding ist der Aufbau und die Entwicklung einer Marke. Beide Begriffe liegen nah beieinander und das nicht nur, wenn man das Lexikon aufschlägt.

Der Branding-Begriff in der Unternehmenskommunikation geht ursprünglich auf die Landwirtschaft zurück, wo das Branding im Englischen die Markierung der Viehbestände per Brandeisen bezeichnet. Die Obstbrandhersteller sind ebenfalls im Agrarwesen zu Hause, da sie zumindest einen Teil ihrer Rohstoffe meist selbst anbauen. Bauer, Brenner, Brand Manager – finden sich die Zusammenhänge auch im Verpackungsdesign der Obstbrände wieder?

Eine Branche mit hundert Siegeln

Es ist nicht so, dass man dem Obstbrandmarkt einen Hang zur Brandzeichenästhetik attestieren könnte. Die artverwandte, weil ebenfalls mit Druck und Hitze arbeitende Versiegelung erfreut sich hier aber tatsächlich auffallend großer Beliebtheit. Egal ob mit echtem Siegellack wie bei Ziegler, als Reproduktion per Druck und Prägung wie bei Guglhof oder als grafische Neuinterpretation wie bei Reisetbauer, das Siegel auf der Obstbrandflasche ist so sicher wie die Abtreibungsgegner in der Kirche. Seine Ursprungsfunktion als Echtheitsbeglaubigung und zur Sicherstellung der Unversehrtheit ist dabei zusehends dekorativen Zwecken gewichen. Nicht die einzige Altlast im Segment – oder wohlwollend formuliert: Man gibt sich gerne traditionell.

Inwiefern da noch Platz für Innovationen ist, wie man trotzdem prägnante Marken entwickelt und welche Rolle Haptik und Wertigkeit dabei spielen können, zeigt das nachfolgende Ranking. Buch zu, Augen auf: Die besten Obstbrand-Packagings aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Platz 5: Gölles 

Heraldisch, zackig, gut. Seit Langem trägt die Edelbrand-Produktlinie der Manufaktur Gölles aus Riegersburg in der Steiermark ein wappenartiges Etikett vor der Brust. Seit Kurzem bestimmt das modifizierte Franzosenschild auch die Flaschenform. Ein bemerkenswerter und mutiger Vorgang, da sich das Etikett in der Regel an die Flasche anpasst. Das hohe, herkömmlich verkorkte 700ml-Individualgebinde verjüngt sich konisch nach unten und hat einen nach vorne geneigten Schulterbereich – ein kantiges Dekolleté, das in Erinnerung bleibt.

Auch die kräftigen Farben der Sortencodierung besitzen hohen Wiedererkennungswert, insbesondere wenn sie im Kontrast zur antikgrünen Glasflasche stehen. Der gesperrte Blocksatz und die goldene Folienveredelung sind sicher Geschmackssache. Gleiches gilt umso mehr für die Ö-Punkte des klassizistischen Markenschriftzugs. An der Mortal Kombat-artigen Figur weiter unten gibt es aber nichts zu meckern. Was man hier im Schilde führt, ist ein steirischer Panther in der siegelartigen Fassung eines Gs. Gölles ist gewappnet.

Design: aberjung

Foto: Gölles

Platz 4: Stählemühle

Blickfang. Die Stählemühle aus Eigeltingen im Hegau nahe Konstanz füllt ihre Obstbrände in individuelle, braune und weiße 350ml-Sechskantflaschen. Das formschöne Apothekergebinde mit der »Aqua Vitae«-Prägung liegt in der Hand wie ein Werkzeug, auf der Halsbanderole prangt ein handschriftliches »Perfectio in spiritu«, dem Metallstecker im Naturkorken glückt die Siegel-Reminiszenz. Das Verpackungsdesign stellt die bei der Stählemühle vorherrschende Wertschätzung für Handarbeit umfassend zur Schau.

Das Blumenbouquet im Logo und die manuell ergänzten Infos erklären das Bauchetikett zudem zur edlen Grußkarte. Gesäumt von simplen Ornamenten, wirkt die Vielzahl der Schriftarten dabei mutig, aber erlesen. Nur was genau steht da geschrieben? Auch wenn der vielfach preisgekrönte Inhalt sicher kein Blindmacher ist, ohne Lesebrille hat man es hier schwer. Bei diesem hochwertigen Gesamtpaket kann man darüber aber hinwegsehen.

Design: Stählemühle, Studio Mark Braun

Foto: Stählemühle

Platz 3: FAUDE feine BRÄNDE

Da träumt die Yogurette von: So himmlisch leicht gestaltet ist das Packaging von Faude feine Brände aus Bötzingen am Kaiserstuhl in Baden. Auf einer wolkenverhangenen, weil satinierten 500ml-Apothekerflasche lassen sich Streifen am Horizont des gerippten Naturpapiers erkennen. Sie sind so goldig wie das FfB-Siegel, das auf dem Naturkorken zum Heiligenschein wird. Eine reine Gestaltung, frei von Sorgen und Sünden.

Der filigrane Markenschriftzug wirkt durch die Unterlänge der Ef-Ligatur schwerelos. Auch die handschriftliche Sortenbezeichnung schwebt, weil sie manuell auf das immer gleiche Bauchetikett gestempelt wird. Das Ergebnis ist eine engelsgleiche Erscheinung. Macht es sich die Hausbrennerei damit zu einfach? Nein, sie macht es einfach nur leicht. Wer verleiht Flügel?

Design: Maxi Cook 

Foto: Udo Titz

Platz 2: Schladerer

Herzlich willkommen, wie lautet das Passwort? Die Produkte der Familienbrennerei Schladerer aus Staufen im Breisgau empfangen einen mit offenen und zugleich verschlossenen Armen. Die weiße 700ml-Vierkantflasche lockt mit geprägten, heimeligen Schwarzwaldmotiven – doch das dickwandige Glas wirkt kugelsicher. Bauch- und Streifenetikett aus Büttenpapier laden mit ausgefeiltem Typografie-Mix zum Feste – doch der Flaschenhals verweigert kopfschüttelnd den Zutritt.

Die Flasche ist so verkorkt, verschweißt, verbunden, verschnürt, verplombt und versiegelt, man könnte meinen sie hätte einen BDSM-Fetisch. Tatsächlich liebt sie es aber klassisch. Davon zeugt neben dem Sicherheitsapparat auch allerhand Heroldskunst, vor allem natürlich das in den Siegellack geprägte Familienwappen. So etwas kommt dabei heraus, wenn man ein Verpackungsdesign über Generationen behutsam weiterentwickelt: eine geschichtsträchtige Schatztruhe. Das Passwort, nein das Safeword, nein das Zauberwort lautet: Tradition.

Design: Designstudio Rüdiger Ertel

Foto: Schladerer

Platz 1: Rochelt

Ein Tropfen aus dem edlen Stein. Mit ihrem extravagantem Packaging würden die Brände der Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt in vielen Kronjuwelensammlungen nicht weiter auffallen. Durch einen diagonalen Wellenschliff funkelt die smaragdgrüne 350ml-Flasche an allen Ecken und Kanten. Die Grundform des unverkennbaren Individualgebindes geht dabei auf die traditionelle Tiroler Zangenflasche zurück, die wiederum Mitte des 18. Jahrhunderts durch ein Missgeschick entstand. Versehentlich zerdrückte ein Glasbläser die produktionsweiche Flasche. Solche »Fehler« macht man gerne …

Die Glasproduktion für Rochelt übernimmt heute ein Parfümflaschenhersteller aus Nordfrankreich, die Zierstöpsel stammen von einem Goldschmied aus Karlsruhe. Sie wechseln ihre floralen bis geometrischen Motive mit jeder Sorte und sind bei der Naturstark-Linie sogar mit über 200 Swarovski-Kristallen besetzt. Da stellt sich die Frage: Was ist hier Stein und was ist Fassung? Das Schulteretikett dieses feingeschliffenen Klunkers muss jedenfalls niemandem mehr etwas beweisen. Chapeau, chapeau und cheerio!

Design: Alfred Ecker, Otto Jakob

Foto: Brennerei Rochelt

Leicht staubig im Abgang

Wenngleich sich Obstbrand geschmacklich bereits vom Image als Franz Josef Strauß unter den Spirituosen distanzieren konnte, haben seine Verpackungen diesbezüglich noch Nachholbedarf. Selten sind Äpfel und Birnen so vergleichbar wie bei Obstbrand-Packagings, was die gestalterischen Höchstleistungen im Ranking jedoch keinesfalls schmälern soll. Die Topf Fünf der Obstbrand-Designs sind an der Tabellenspitze einer Liga, in der vielerorts noch mit Libero gespielt wird.

Auch im Verfolgerfeld sind gelungene Designs anzutreffen, die sich meist über ihre Individualflaschen definieren wie etwa die La DonnaLinie von Vallendar, die monumentalen Edelfruchtbrände von Fassbind oder die auf das Matterhorn gewachsene Vieille Barrique-Linie von Studer. Die Privatbrennerei Hämmerle sorgt unterdessen per Hammerform für Schmunzler und die Schönschreiberlinge von Guglhof mit ihren Künstlereditionen für Aufsehen.

Ein neues Kapitel

Im Einzelfall zweifelsohne schick anzusehen, ist das Gros der genannten Obstbrände leider auch dazu prädestiniert, eine komplette Herrenzimmervitrine authentisch zu schmücken. Frische, inhaltliche Gestaltungsansätze oder gar Storytelling sucht man bei Obstbränden weitestgehend vergebens, was zugegebenermaßen auch mit den Widrigkeiten der großen Sortenvielfalt zusammenhängt (die anscheinend nur Birkenhof mit einer adäquaten Farbcodierung zu bändigen weiß). Es ist jedenfalls kaum verwunderlich, dass ausgerechnet die Destillate von Fräulein Brösel und Birgitta Rusts Piekfeine Brände mit ihrer spielerischen Gestaltung die Ausnahmen bilden, die die Regel bekanntermaßen bestätigen. Vor allem Erstere weigert sich mit märchenhaftem Scherenschnitt das immer gleiche Lied von Siegel und Schreibschrift anzustimmen. Das nächste Kapitel: Bäuerinnen, Brennerinnen, Brand-Managerinnen …

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