TOP

Die MIXOLOGY-Verkostungsrunde Juni 2016

Endlich ist er da: der neue Axberg Vodka von Meisterbrenner Hans Reisetbauer. Dazu ein interessanter Kirschlikör von Zufánek und der würzige Ungava Gin aus Kanada. Ob der Mom Gin, Morle Schorle und Mezcal-infundiertes Bier da mithalten können? Die Verkostungsrunde der Redaktion geht wie immer allem furchtlos auf den Grund.

Die Redaktion konstatiert: Fruchtaromen scheinen vermehrt wiederzukommen. Waren die letzten Jahre eher dominiert durch kräutrige, bittere Produkte und klassische Filler, lassen die Produzenten neuer Produkte derzeit die Angst vor dem lange verschmähten „fruchtigen“ Geschmack wieder Fallen. Das zeigen uns diesmal etwa der Mom Gin, der Višńovka von Zufánek und die wunderbare Morle Schorle aus Norddeutschland. Den Anfang macht aber ein diesmal ausnahmsweise „unfruchtiger“ alter Bekannter aus Österreich.

Reisetbauer Axberg Vodka

Den Anfang macht ein ganz „Großer“: Hans Reisetbauer muss man in der Barszene eigentlich niemandem mehr vorstellen. Der österreichische Brenner brennt nicht nur Obst auf einem Niveau, das ihm wenige nachmachen, er zeichnet auch seit 10 Jahren verantwortlich für den Blue Gin – einen modernen Klassiker, der mittlerweile weltweit zum Begriff für die Handwerkskunst Reisetbauers geworden ist. Schon beim Launch des Gin sagte Reisetbauer, er trage sich eventuell auch mit der Absicht für einen Vodka, doch zu umständlich und andersartig sei die Herstellung. Das hat sich nun geändert: Der Axberg Vodka, benannt nach dem Heimat- und Brennort Reisetbauers, aus weichem Mühlvierteler Quellwasser und selbst angebautem Axberger Weizen der Sorte „Mulan“ sollen einen besonderen, charakterstarken, aber milden Brand ergeben.

In der Nase steht zuallererst reines, vollen und aromatisches Getreide, dazu kommen passende grasige Töne, die alkoholischen Nuancen sind trotz des relativ niedrigen Gehaltes von 40% Vol. stark vertreten und gut wahrnehmbar – kein Vodka für die Großraumdisco! Im Mund spielt der Axberg Vodka dann eine volle, aber natürlich und harmonisch eingebundene, brotige Süße aus, die er cremig am Gaumen stehen lässt. Zwar eher an Roggenvodka erinnernd, aber nicht unpassend. Ein gelungener, spezieller, aber dennoch weicher und zugänglicher Vodka von einem der faszinierendsten Brenner aus GSA-Land.

Ungava Canadian Gin

Neu im Vertrieb von Camus Wine & Spirits ist der Ungava Gin, der nach seiner nordkanadischen Heimat nahe der Arktis benannt ist. Dabei kommen vor allem indigene Botanicals zum Einsatz, die dem Gin sein spezifisches Aroma verleihen, die Infusion mit Wildhagebutte sorgt für die gelbliche Färbung. Die Flasche und die zusammenkommende Farbkombination aus Rot, Gelb, Silber und Weiß muss man ebenso mögen, wie das etwas zu verspielte Etikett. Aber das soll uns nicht vom Inhalt ablenken.

Denn der Ungava hat mit seinen 43,1% Vol. einiges zu bieten: Er verströmt ein satt-waldiges Aroma von Nadelsprossen, Gras, Wacholder und einer Spur Orange. Im Antrunk ist der Ungava überraschend scharf, spielt aber die Wacholderkomponente noch stärker aus. Hinzu kommen nach kurzer Zeit dunklere Töne von schwarzem Tee und Süßholz. Die laut Etikett vorhandenen Beerennoten indes lassen sich von der Verkostungsrunde nicht ausmachen, während der Gin in ein adstrigierendes, leicht bitteres Finish mündet. Für den Martini nicht unbedingt geradlinig genug, entfaltet der Ungava seine Aromen mit einem klassischen Tonic Water sehr viel schöner. Am Ende ein typischer New Western.

Zufánek Višńovka

Aus dem Hause Zufánek, das unter tschechischen Bartendern längst über den Status eines Geheimtipps hinaus ist, hatten wir an gleicher Stelle bereits vor einiger Zeit den Slivo, der die Runde von sich überzeugen konnte. Diesmal steht mit der Gattung Višńovka (oder polnisch Wiśniówka) eine weitere traditionelle osteuropäische Spirituose auf dem Tisch – ein Kirschlikör, üblicherweise auf Vodkabasis (das Mazerat von  und bis heute in vielen Haushalten zur Spätsommerzeit selbst angesetzt. Der Kirsch von Zufánek hingegen gibt der Kategorie durch das zeitgemäße, elegante Bottling einen modernen Anstrich.

Die Višńovka legt sofort los: Trotz der milden 20% Vol. transportiert sie vom ersten Moment an einen vollen Duft wilder Kirschen und Weichselkirschen in die Nase, dazu kommen die typischen Gewürzanklänge von Orangenschale, Nelke und Piment, die so manchen durchaus an Glühwein erinnern. Überraschend am Gaumen ist die nur leichte Süße, die sich die Verkoster nach dem marmeladigen Nosing stärker erwartet hätten. Tatsächlich präsentiert sich der Zufánek sehr schlank, feinfruchtig, scheint aber gleichzeitig auch zu wässrig, um ihn in vielen eigentlich passenden Rezepturen zu vermixen. Hier wären womöglich ein leicht erhöhter Alkoholgehalt und vielleicht sogar eine etwas erhöhte Süße ein sinnvoller Weg, um die traditionelle Gattung auch jenseits von Soda- oder Tonic-Highballs für die Bar zugänglicher zu machen.

Mom Gin

„God save the Gin“ sagt die poppige, in Schwarz und Pink gehaltene Flasche des Mom Gin. Den besondern Touch „Smoothness“, also Milde, soll die Infusion mit Beeren und „exotischen“ Botanicals bringen, dazu kommt ein mittlerweile ungewöhnlicher und fast etwas unzeitgemäßer Alkohogehalt unterhalb der eigentlich obligatorischen Grenze von 40% Vol., der weitere Zugänglichkeit versprechen soll. Ein Verweise auf die legendäre Queen Mom – die jedoch für ihr knochentrockenes Gusto bekannt war – rundet den Markenauftritt ab.

Die „Mom“ springt einen direkt mit einem starken Bonbon-Duft an und evoziert einen Eindruck erheblich starker Süße. Eine gewisse Synthetik ist nicht von der Hand zu weisen. Wacholder sucht die Nase indes vergebens. Neben den Beerentönen ist der Alkohol zumindest im Purgenuss trotz der nur leichten 39,5% Vol. sehr präsent, der Mom Gin ist präsent, die versprochene Süße im Abgang stabil, aber dabei nur wenig subtil. Ein Gin, der eventuell im Club-Umfeld punkten könnte, aber dem Kategoriebegriff in Bars mit hohem, klassischem Anspruch eher nicht gerecht wird.

Pulq – Bier & Mezcal

Den Verweis auf den Ursprung des Aromates – die Pulque, also den vergorenen Agavensaft – trägt die Bier-Mischung bereits im Namen: Bier und Mezcal finden bei Pulq zusammen. Dazu die typisch mexikanische Flasche aus farblosem Glas und eine aztekisch inspirierte Beschriftung – das Packaging gemahnt zwar an die „üblichen Verdächtigen“ leichter heller Biere und Premixes, grenzt sich allerdings allein durch den wuchtigen Alkoholgehalt von 10,5% Vol. deutlich von diesem Segment ab.

Insgesamt 18% der Flüssigkeit sind Mezcal, die fruchtige Süße und nur leichte Rauchnote lassen auf die Verwendung von Alípus-Agaven schließen. Das Bier ist im Nosing nur in Anklänge auszumachen, der Brand definiert das Aromenprofil sehr stark. Auch im Antrunk macht sich das Bier nur durch die charakteristische Säure mittel- und südamerikanischer Lagerbiere bemerkbar, der Mezcal dominiert hier sehr klar, im Mund steht auch die Rauchigkeit stärker im Vordergrund als noch beim Nosing. Dabei ist Pulq in stark gekühltem Zustand dennoch überaus süffig und verschleiert seinen gefährlichen Alkoholgehalt, bei längerem Trinken fehlt allerdings die Frische (der Hersteller empfiehlt den „stilechten“ Genuss mit Limette). Der Ansatz, Bier und Mezcal in einem Drink zu vermählen ist reizvoll, interessant und innovativ, wäre aber aus Sicht der Aromen glücklicher ausgefallen, wenn ein kraftvolleres, dunkles mexikanisches Bier gewählt worden wäre, das mit einem anderen Aromenprofil und stärkerer Eigensüße ein stärkeres Gewicht gehabt hätte. Dennoch ein interessantes Produkt, das einen Versuch Wert ist.

Morle Schorle Trinkbeere

Direktsaft aus Apfel und schwarzer Johannisbeere mit heimischem Ursprung kommen mit natürlichem Mineralwasser in der Morle Schorle (und ohne Zuckerzusätze) zusammen. Das Geschäft mit den hochwertigen Schorlen-Premixes scheint gerade erst richtig Fahrt aufzunehmen: Andere Firmen wie OstMost und auch der mittlerweile große Limonadenplayer fritz haben vorgelegt, Schorle Morle gehört nun zu jenen Firmen, die das Segment vielfältiger machen.

Die verkostete Schorle punktet durch dichte Aromen, selbst bei nur 8% Johannisbeere ist diese überaus präsent und transportiert starke Töne von Konfitüre und Flieder/Holunder in die Nase. Die Karbonisierung der Schorle ist nur mäßig stark, die Spritzigkeit wird jedoch durch die kraftvolle Fruchtsäure gewährleistet und das Getränk wirkt balanciert und frisch – überraschenderweise ist der mengenmäßig dominierende Apfelsaft stark im Hintergrund und scheint eher die Folie für die Beeren zu liefern. Dabei fehlt ein wenig die Komplexität, wobei eben nicht vergessen werden darf, dass es sich um ein alkoholfreies Produkt handelt. Die Morle Schorle will ehrlich sein und ist es auch. Eventuell eine interessante Alternative im klassischen und etwas in der Versenkung verschwundenen Gin & Juice?

[Drink id=”73858,73865,73869,73874,73878,73882″]

Credits

Foto: Foto via Sarah Liewehr

Kommentieren