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Harder, Better, Faster, Sweeter – die Dos and Don’ts des Sirupmachens

Alles richtig gemacht, und dann zerstört der Weichspüler im Passiertuch das richtige Aroma?! Alexander Mayer steigt für MIXOLOGY online in die Sirupküche. Dort erklärt der Erfinder des Cowbell-Cocktails, wie ein selbst gemachter Sirup jedes kommerzielle Produkt schlägt. Aber nur, wenn sie Sinn machen.

Die Zubereitung eigener Sirups für die Bar scheint inzwischen Standard zu sein, gekaufte Produkte sind verpönt. Die Cocktailsüße mit diversen –  selbstverständlich natürlichen – Aromen will fein säuberlich in handgelabelte Glasflaschen oder Squeezbottles abgefüllt sein; keine Barkarte oder Tafel  kommt mehr ohne den Hinweis auf selbst zubereitete Sirups aus.

Nach Blue Curaçao und anderen, eher als pharmazeutische Produkte zu erkennende Süßmittel ein lobenswertes Engagement unserer Bartendergeneration. Sind aber die vielen in der Barküche mit Sirupkochen verbrachten Stunden im Bezug auf das Endprodukt gerechtfertigt? Ganze Arbeitstage werden zu Küchenschichten für den Barchef oder Infusionsbeauftragten. Wie rechtfertigt sich diese Zeit?

ZUERST KOMMT DAS WAS, DANN KOMMT DAS WIE

Die Antwort sollte lauten: mit der gegenüber eines kommerziellen Produkts konkurrenzlosen Qualität des Eigengebräus. Während gekaufte Vanillesirups gerne mit einem hohen Prozentsatz an industriell hergestelltem Vanillin produziert werden und oft künstlich schmecken, ist der selbst gemachte Sirup – wenn richtig produziert – von schöner Farbe, vollem Aroma und simpel und zeiteffizient herzustellen.

Ein Orgeat hingegen ist aufwendig, viele Geräte müssen eingesetzt und wieder gereinigt werden, und das Endergebnis kommt nicht immer an ein gutes Produkt eines spezialisierten Herstellers heran. Es gilt also erst einmal abzuwägen, welchen Sirup nach dem Testen gekaufter Produkte man lieber selbst herstellt – und ob sich der Aufwand auch nach Eintrag im Stundenzettel noch lohnt. Ist ein spezieller Süßer nicht zu kaufen, also nur selbst hergestellt verfügbar, gilt es, einen effizienten Arbeitsablauf zu finden. Lobenswert ist, dass inzwischen viele Betreiber ein gesundes Maß an Mehraufwand für ein tolles Eigenpräparat dulden, ja sogar fordern. Ist entschieden, welche Flüssigsüße hergestellt werden soll, gilt es, alle Komponenten möglichst sinnvoll zusammen zu setzen. Das klingt banal, aber es gibt zahllose Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Das größte Problem findet meistens vor dem eigentlichen Herstellungsprozess statt, nämlich in der Planung bzw. Nicht-Planung eines herzustellenden Produktes.

SIRUP SELBER MACHEN: SWEET JESUS

Angefangen beim Süßegrad. Je süßer der Sirup, desto mehr Fülle wird dem Drink verliehen, allerdings umso weniger Aroma fließt ein, weil eine geringere Menge benutzt wird. Entsprechend intensiver muss also ein 2:1 oder gar 3:1 Sirup gefertigt werden. Um das zu erreichen, will das Maximum des gewollten Aromas aus dem Aromaspender extrahiert werden. Ebenso spart diese Maximalausbeutung eines Krauts oder Gewürzes bares Geld.

Oft ist zu beobachten, dass jeder Sirup mit der gleichen Technik, Kochzeit oder Temperatur hergestellt wird. So kochen gerne mal Holunderblüten bei 100 Grad 20 Minuten vor sich hin. Das Ergebnis überzeugt nicht. Essentiell ist die Erkenntnis, dass jede Zutat ihre eigene spezielle Behandlung braucht, um ideal zu aromatisieren. Getrocknete Blüten mit leicht flüchtigen Aromen werden, nachdem der Zuckersirup aufgekocht und von der Platte genommen wurde, eingestreut und bei geschlossenem Deckel ziehen gelassen. Bei frischen Blüten ist noch sensibler mit der Temperatur umzugehen: den Sirup abkühlen lassen, Blüten einstreuen, Deckel drauf, ziehen lassen.

Nach wenigen Versuchen mit kleinen Mengen ist die ideale Temperatur schnell gefunden. Ein Zuckerthermometer hilft hier optimalerweise. Die Versuchsmengen ergeben oft schon passable Ergebnisse und lassen sich später mit dem Endprodukt verblenden, so entsteht kein Verlust. Nur bei bitter gewordenen Substanzen ist davon abzuraten. Andere Aromaträger wie Vanille, Tonkabohne, Zimtstangen oder Pfeffer geben mehr, wenn sie kurz gekocht werden. Möchte man die flüchtigeren Inhaltsstoffe trotzdem, gibt man nach dem Mitkochen noch einen kleinen Teil des Rohprodukts dazu. So erhält man die robusteren, erst nach dem Kochen freiwerdenden Aromen sowie die flüchtigen, die bei zu viel Hitze zerstört werden. Interessant ist diese Methode zum Beispiel bei verschiedenen Pfeffersorten oder Thymian.

IMMER GUT ABSCHRECKEN

Kräuter! Hand aufs Herz, wer hat nicht auch schon Minze mit Zuckersirup püriert, um sich Unmengen an Shakermüll zu sparen und den Old Cuban etwas schneller und konstanter zu zaubern? Wird aber leider braun. Schuld daran sind Enzyme, die die Bräunung, aber auch den Abbau von Aromastoffen und Bildung ungewollter Aromen verantworten. Die Lösung liefert die Technik des Blanchierens – in Küchenkreisen ein alter Hut, hinter der Bar kaum verwendet:

Kräuter (z.B. Minze, Basilikum, Melisse, Verbene etc.) werden kurz gebrüht, um die Enzyme abzutöten, und nach dem Abschrecken im Eisbad mit dem fertigen Zuckersirup püriert. Das Ergebnis ist ein hellgrüner Sirup, der Farbe und Aroma über Monate hält.

Ist das ideale Rezept gefunden, sollten unbedingt Kochzeiten, Temperatur und verwendete Mengen notiert werden, um eine konstante Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Saubere Geräte und Arbeitsflächen sollten dabei selbstverständlich sein, Milchsäure- und Essigbakterien warten nur darauf, unsere sorgfältig hergestellten Präparate zu verderben. Ein gewitzter Spaßverderber ist auch das frisch in der Waschmaschine gereinigte Passiertuch, das sein Weichspülaroma direkt an den Sirup weiter gibt. Vor dem Benutzen also kurz mehrfach mit warmem Wasser waschen.

Die fertigen Sirups gerne kühl und dunkel lagern, gerade die mit frischen Kräutern oder Blüten. Ein 2:1 Vanillesirup überlebt auch mal eine Woche im Backboard. Und: Alle hier angeführten Angaben sind anregende Richtwerte und sollen selbst ausprobiert und in Frage gestellt werden!

Herstellung

Minzesirup

Einen regulären 1:1 Zuckersirup herstellen. Minze in kleinen Mengen nacheinander in einem großen Topf mit kochendem Wasser für 15 Sekunden blanchieren und direkt in einem Eisbad abschrecken. Stiele entfernen und die Blätter mit dem abgekühlten Zuckersirup pürieren. Durch ein Feinsieb oder Passiertuch filtern, abfüllen. Ein 0,33l-bierflaschendicker Bund reicht für zwei Liter Sirup.

Lavendelsirup

Einen 2:1 Zuckersirup erhitzen, bis sich die Kristalle gelöst haben. Aufkochen und vom Herd ziehen, direkt die getrockneten oder frischen Lavendelblüten einstreuen, einrühren und zugedeckt ziehen lassen. Durch ein Feinsieb oder Passiertuch filtern, abfüllen. Pro Liter Sirup etwa 10 cl Blüten verwenden, je nach gewünschter Intensität.

Credits

Foto: Tim Klöcker

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