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Yamazaki: Don´t believe the Hype?

Im März kommt der neue Yamazaki aus dem Sherryfass in Deutschland auf den Markt. Er ist doppelt so teuer wie sein Vorgänger und streng limitiert. MIXOLOGY ONLINE über zweifelhafte Bewertungskultur und den Handel mit dem Whisky-Hype.

„Japanischer Whisky soll ja der beste Whisky der Welt sein,“ erklären Eugen Kaspareks Kunden ihm, wenn sie den Fachhandel Whisky & Cigars in Berlins Sophienstraße betreten. Am Tage sowie bei seinen abendlichen Tastings wird er nicht müde zu erklären, dass eine Ein-Mann-Jury doch sehr klein sei für Urteile dieser Natur: Die Rede ist natürlich von Jim Murray, Herausgeber der „Whisky Bible“ und selbsternannter Feinschmecker. Letzteres sollte man nämlich sein, wenn man einen Whisky des Jahres auszeichnet und mit Feuilleton-Furore verkündet, dass im Jahr 2014 ein japanischer Whisky der weltweit beste sei. Und zwar der 2013 abgefüllte Yamazaki aus dem Sherryfass.

Der Berliner Bartender Andreas Künster hat – neben besagten – noch knapp 60 andere Whiskys aus Japan gesammelt. „Ich bekam richtig Angst, als ich diese Nachricht las. Dass die Preise jetzt hochschnellen, war damit klar.“ Bislang wurde der Whisky erst in London vorgestellt und der europäische Preis steht noch nicht fest. „Vom Yen aus gerechnet, wird er bei etwa 300 Euro liegen – das ist das doppelte als im letzten Jahr!“ Und damit könne man noch froh sein, so Kasparek. Dieser hatte mit sehr viel mehr gerechnet. „Bereits jetzt wollen mehr Kunden einen Yamazaki bei uns vorbestellen, als wir je bekommen werden. Einer wollte sogar den ganzen Stock für sich,“ lacht er. Jeder bekommt genau einen Yamazaki. Nun, jeder der rechtzeitig kommt.

Rechtzeitig haben die Japaner übrigens mit dem Whiskybrennen angefangen, bereits im Jahr 1923. Es ist also keinesfalls so, dass man in Japan „jetzt auch“ Whisky macht, sondern das geht schon eine ganze Weile so – nur haben sich nicht sehr viele dafür interessiert. Bis Herr Murray besagte Abfüllung mit 97,5 von 100 möglichen Punkten kürte. Aber Murray kann nicht nur alle probierten Whiskys der Qualität nach alleine bewerten, er stellt überdies fest, dass den Schotten, die es ja nun gerade so auf Platz vier geschafft haben, „eine kleine Portion Demut“ und die „Rückkehr zu den Anfängen“ wohl gut täte. Gewiss hat Murray seinen Geschmacksknospen nach mittlerweile 14 Whisky-Bibeln einigermaßen schulen können. Dass eine Jury, die aus genau einem Sportjournalisten besteht, jedoch über die Whiskywelt richten sollte, ist zweifelhaft.

Über Geschmack lässt sich…

Über Geschmack lässt eben doch immer wieder streiten. Beziehungsweise über die These, dass sich über Geschmack nicht streiten ließe. Das würde bedeuten, dass Geschmack eine objektive Kategorie sei. Denn das suggeriert ein Superlativ innerhalb unserer (rein) sinnlichen Sphären. Immer wieder wird auch Kasparek in seinem Laden nach seinem „besten“ Whisky gefragt. „Und da ist eine Antwort natürlich unmöglich. Es gibt so viele verschiedene Menschen, die in verschiedenen Stimmungen, bei verschiedenem Wetter an verschiedene Whiskys herangeführt werden können. Da gibt es doch nicht den einen für alle Menschen und Zeiten!“

Und doch sei Geschmack lernbar. „Früher haben wir doch auch Lambrusco getrunken, und es hat uns geschmeckt wie heute ein Bordeaux.“ Mit Whiskyqualitäten sei das ganz ähnlich – nicht nur im Bezug auf das Güte-Gefälle innerhalb des jeweiligen Marktangebots, sondern selbst auf die qualitativen Diskrepanzen innerhalb einer Destillerie über die Jahre hinweg. Ein jeder lamentiert über den geschmacklichen Verlust der Originalabfüllungen aus dem Hause Lagavulin, und auch der Trend zu den so genannten NAS-Abfüllungen stößt einigen bitter auf.

Aus der NAS-Diskussion halte ich mich raus. Mir ist es egal, welche Zahl auf der Packung steht – Genuss lässt sich für mich nicht definieren,“ so Künster. In der Hand hält er ein Dram mit 12-jährigem Yamazaki. „Das gehört für mich einfach dazu, wenn wir darüber sprechen. Whisky ist zum Trinken da, nicht dazu, ihn ins Regal zu stellen.“ Und das ist auch das Preisproblem der diesjährigen Sherry Cask Abfüllung. Lag diese anfänglich noch bei etwa 85 Euro, hatte sich der Preis während der letzten sechs Jahre bei rund 130 Euro eingependelt und wird sich in diesem Jahr verdoppeln bis verdreifachen. Da überlegt man sich die Sache mit dem Trinken zweimal.

Alles ausweglos?

Möglicherweise wird er in diesem Jahr ja auch doppelt bis dreifach so gut! Doch ganz ehrlich – es ist unwahrscheinlich, dass Murray´s Zunge eine Prognose dieser Natur zu stellen imstande war. Eher haben sich Preise an jene Prognose angepasst, man kommt mit dem Nachproduzieren nicht hinterher und so ergibt sich eine streng limitierte Auflage des scheinbar besten Whiskys der Welt – egal, ob in einer komplett anderen Zusammensetzung, einem anderen Jahr und einem anderen Fass, allein die Fasslagerung bleibt dieselbe.

Immerhin steht auch dasselbe auf dem Etikett. Das freut Kaspareks Kunden natürlich – sie können mitten in Berlin vom besten Whisky der Welt probieren! Oder so ähnlich. „Das führt die Leute an den Whisky heran und das ist schön,“ so Kasparek. „Aber es ist auch schrecklich schnelllebig geworden. Genauso, wie Whisky seine Zeit im Fass braucht, braucht auch der Mensch einige Jahre Zeit, zum Kenner zu werden: um den Whisky entsprechend schätzen zu lernen und eben nicht nur auf den Markt zu reagieren.”

Das ist wohl ein altes Marketing-Dilemma, dem zu entkommen nur schwerlich möglich ist. Ein Whisky kommt zu einem gewissen Image, die Marketing-Abteilung greift es auf, immer mehr Menschen sprechen darüber, wollen ihn, kriegen ihn nicht und werden zu Ebay-Monstern horrender Summen. Dann gibt es neue Abfüllungen selbiger Qualität und schrecklich limitiert – wo soll all der Whisky so schnell auch herkommen? – was zu entsprechenden Preisen führt. Oder der Whisky besitzt Qualität, eine ähnliche Aufmachung und ist ebenfalls zu teuer.

Alles ausweglos? Nicht für Künster: „Wieso kann man Hype denn nicht positiv drehen und sich sein Publikum aussuchen?“ The Glenlivet Alpha, zum Beispiel: dieser wurde extrem limitiert auf den Markt gegeben, dafür aber an ausgesuchte Bars und Fachhandel. So könne man noch immer steuern, in wessen Händen das Produkt letztlich landet, ohne derart frappierend an der Preisschraube zu drehen.

Drehen werden sich die neuen Yamazaki-Abfüllungen in den Regalen der Sophienstraße allemal. Künster hingegen freut er sich dabei vor allem darauf, den Yamazaki mit seinen Freunden zu probieren. „Denn genau dafür ist er da, darum geht´s.”

Credits

Foto: Glas und Kreis via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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