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Bellini Cocktail | Mixology Mixology — Magazin für Barkultur

Bellini Cocktail – Unerreichte Einfachheit

Auch bei Cocktails gilt, dass das Einfache oft das Beste ist. Der Bellini Cocktail wird aus nur zwei Grundzutaten gemischt: Weinbergpfirsich und Schaumwein. Der Klassiker aus Harry’s Bar in Venedig ist bis heute der perfekte Sommer-Drink. Und er schlägt noch immer jeden Spritz.

»Grundlage des Bellini sind aromatische Weinbergpfirsiche. Diese kleinen, in manchen Sorten auch radförmigen Früchte werden bis heute als Ergänzungsfrucht in Weinbergen angebaut.« 

Erfolgreiche Gastronomiebetriebe laufen häufig Gefahr, zu kulinarischen Museen zu mutieren. Die Gäste kommen eben nicht nur, um zu essen und zu trinken, sondern vor allem auch, um zu schauen, was es mit dem Mythos auf sich hat. Oder – noch platter – um den Mythos, von dem sie eigentlich keine Ahnung haben, schlicht zu konsumieren, weil er in irgendeinem Guide steht. Die Floridita Bar in Havana lässt grüßen.

Die von Giuseppe Cipriani gegründete Harry’s Bar ist so ein Fall. So groß ihr literarischer Ruhm, so zahlreich sind auch die Geschichten von Gästen, die in der Bar Unsummen für einen arroganten Service und ein winziges, mutmaßlich lieblos-vorgefertigtes Carpaccio ausgaben oder sich wundern mussten, dass der Martini Cocktail direkt aus einer gekühlten Karaffe ins Glas eingeschenkt wurde.

Vielleicht hat der Erfolg der Bar die Betreiber bequem gemacht, denn die Gäste strömen ja weiterhin in Scharen. Dennoch hat dieser Ort, in dem früher Hemingway und andere Größen regelmäßig verkehrten, eine deutliche Markierung im Zeitlauf der Bar-Geschichte hinterlassen, die bis heute nachwirkt.

Bellini Cocktail – benannt nach einem Maler der Renaissance

Ein Grund – eigentlich eher der Grund – dafür ist der Bellini Cocktail aus Pfirsich und Schaumwein, den Bar-Gründer Giuseppe Cipriani nach einem Renaissance-Maler benannte. Sein Sohn Arrigo Cipriani, der heute die Geschäfte führt, gibt sich allerdings bescheiden, was die Kreation des Bellini Cocktail und der anderen berühmten Harry’s-Erfindung (das Carpaccio) anbetrifft: „Im Übrigen gab es sowohl den Drink als auch das Gericht als Ideen bzw. Rezepte schon zuvor. Mein Vater hat Details verändert, sie von mir aus zur Marktreife gebracht – und dann hat er beiden einen Namen gegeben.“

Grundlage des Bellini sind aromatische Weinbergpfirsiche. Diese kleinen, in manchen Sorten auch radförmigen Früchte werden bis heute als Ergänzungsfrucht in Weinbergen angebaut um zu starke Monokultur zu vermeiden. In Deutschland haben sich Erzeuger sogar zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um die Frucht zu fördern.

Der Bellini Cocktail wird heute in nahezu allen Qualitäts-Bars mit Pfirsichpüree hergestellt. Auch in Harry’s Bar verwendet man heute Püree. In der Anfangszeit des Getränks sah die Zubereitungsart allerdings anders aus, wie Arrigo Cipriani erklärt: „Zu Beginn servierte mein Vater den Champagner mit kleinen Pfirsichstücken, dann begann er die Pfirsiche auszupressen und irgendwann wurde das Getränk dann auf den Namen Bellini getauft.“

Der Farbton des Bellini, idealerweise ein leicht ins Pink gleitendes Pfirsichweiß, geht laut Arrigo Cipriani nicht auf Farben zurück, die Renaissance-Maler Bellini in seinen Gemälden eingesetzt hat. Das sei „ein Mythos“, der immer wieder in Reisführern auftauche. Ein weiterer Streitpunkt beim Bellini für Puristen ist die Bezeichnung als Cocktail. In Bar-Kreisen meinen manche, dass diese Bezeichnung nur auf Mischgetränke mit mindestens drei Zutaten anwendbar sei (von der strengen, originalen Definition des Cocktail-Begriffs ohnehin abgesehen). Damit wäre der Bellini ausgestoßen aus der Cocktail-Familie. Denn er ist so puristisch, dass er mit nur zwei Zutaten auskommt.

Bellini Cocktail

Zutaten

3 cl weißes Pfirsichpüree
10 cl Champagner

Frische Früchte, Pürees und Ciprianis Fehlgriff

Während der Bellini früher ausschließlich während der Erntezeit des Pfirsichs als saisonale Spezialität über den Tresen ging, kann man den Drink heute das ganze Jahr über zubereiten. Die Königsklasse des Geschmacks sind dabei Anbieter tiefgefrorener oder gekühlter Pürees wie Boiron oder Ponthier. Diese oder ähnliche Produkte bekommt man in Feinkostläden oder (soweit man einen Berechtigungsschein hat) bei Großhändlern wie Metro oder Hamberger.

Zur Saison sind aber die Obstläden gut mit frischen, weißen Weinbergpfirsichen bestückt, weshalb es der experimentierfreudige Connaisseur oder Bartender ruhig einmal mit dem Original versuchen kann. Die geschäftstüchtigen Ciprianis, die heute ein weltweites Gastro-Imperium besitzen, haben übrigens auch ein eigenes Pfirsichprodukt auf den Markt gebracht. Doch wer jenes Machwerk einmal probieren durfte, kann nur jedem von der Verwendung abraten. Eine parfümierte, synthetisch wirkende Nase, kombiniert mit einem stumpfen, zuckrigen Geschmack – mit einem echten Bellini aus frisch pürierten Pfirsichen und Champagner (oder einem anderen hochwertigen Schaumwein) hat das nichts mehr zu tun. Den Ciprianis wird es wohl mittlerweile egal sein. Denn die Gäste kommen ja immer noch. Jeden Tag.

Anmerkung: Dieser Artikel stammt im Original aus dem Jahre 2012. Er wurde zuletzt im Mai 2019 aktualisiert.

Credits

Foto: ©Hannes Häfner

Comments (1)

  • Wolf-Dietrich Baum

    Verehrter Herr Adam, eine wunderbare, komplexe Abhandlung. Danke.
    Immer wieder schoen und erlebt!! Harry s, Bellini, Veneto und auch vom kleinen Carpaccio hört man oft.
    Dieser Ueberbblick ist perfekt. Gruss Baum.

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