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Problemdrink Caipirinha? Eine Analyse des Cocktail-Bestsellers.

Jahrelang war der Caipirinha Topseller in Deutschland und andern europäischen Ländern, inzwischen ringt er jedoch vielen Bartendern nur noch ein müdes Lächeln ab – offensichtlich ein Drink auf dem absteigenden Ast. Die Frage ist: Können die neuen Spitzen-Cachacas und der wachsende Bekanntsheitsgrad des Cocktails in der internationalen Barszene eine neue Capirinha-Welle einleiten?

„Caipirinhas sind eine Zuflucht für Unerfahrene und Unsichere, das gilt für Gäste wie für Bartender. Ich habe häufig den Eindruck, dass er aus purer Gewohnheit bestellt wird und nicht, weil man sich dafür entscheidet“, bemerkt Nils Böse in Bezug auf den Caipirinha. Böse betreibt die Manhattan Bar in Hildesheim, eine „eher kleine Lokalität, wo der DJ Musik vor allem für die Birne und weniger für die Beine spielt“ und eine Auswahl von ungefähr 650 Spirituosen im Angebot ist.

Seiner Meinung nach „erfreut sich der „Caipi“ immer noch großer Beliebtheit bei einer Reihe von Leuten, die Mitte der Neunziger mit ihm Bekanntschaft gemacht haben und deren Stil und Geschmack sich in den Jahren danach nicht weiter entwickelt haben. Damals waren sie noch cool und trendy, doch das ist schon eine Weile her. Deprimierend ist auch, dass es gewisse Bars gibt, die einen gar nicht so üblen Drink auf nicht besonders harmonische Art und Weise servieren.“

Auch wenn der Drink Böse eher langweilt, so gesteht er ihm doch eine Existenzberechtigung zu: „Ich glaube, viele Leute mögen diese Mischung aus süß und sauer, die viele erfolgreiche Drinks auszeichnet. Er ist erfrischend, hat verschiedene Phasen, und wenn man sein Glas halb geleert hat, ist man schon gut drauf. Doch wer den Drink kennt, weiß, wie viel er davon verträgt, ohne die Kontrolle zu verlieren.“

Auch Heinrich Luig von Heinrichs Bar Café Lounge hat im Lauf seiner Karriere viele Capirinhas über den Tresen geschoben, doch sieht er die Sache etwas anders: „Ich finde es keineswegs langweilig, diesen Drink zu mixen, schließlich ist der Caipirinha inzwischen ein Klassiker und muss meiner Meinung nach kultiviert werden.“ Heinrichs Bar Cafe Lounge ist ein Nachtclub in Flensburg, der „eine kleine Getränkekarte mit 85 Cocktails“ anbietet. Im Gegensatz zu vielen andern Bars in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist der Caipirinha im Heinrichs nicht der Renner und auch in der Manhattan Bar war er das nie gewesen.

Laut Thomas Huhn, Barmanager von Les Trois Rois in Basel in der Schweiz, einer auf Cocktails spezialisierten Hotelbar mit einer ganztägig geöffneten Terrasse ist der Caipirinha auch in der Schweiz äußerst populär: „In den letzten drei Jahren haben wir jede Menge Caipirinhas verkauft, obwohl der Cocktail gar nicht auf der Karte stand.“

Doch in vielen Bars ist der Caipirinha außer Mode gekommen. Bartender Andreas Obermeier vom Nightfly’s Club in Wien äußert sich dazu folgendermaßen:  „Caipirinha wird zwar immer noch bestellt, aber es kommt auch vor, dass tagelang keiner danach fragt. Er war einmal total in und wir haben früher bis zu tausend Caipirinhas in der Woche verkauft. Meiner Meinung nach ist der Caipirinha inzwischen eher ein Partygetränk und vor allem in der Clubszene zu finden, denn er lässt sich schnell und einfach zubereiten, ist erfrischend und hat diesen Kick.“

Nightfly’s Club in Wien ist „eine  Bar im alten Stil mit Schwarzweißfotos von Schlagersängern an den Wänden, Rat Pack-Reminiszensen und Jazzmusik. Das Publikum ist, so Bartender Obermeier, eine „ausgewogene Mischung von Zwanzig- bis  Siebzigjährigen.“ Auf der Getränkekarte stehen 250 Drinks, hinzukommen Saisonangebote. Caipirinha und Tropirinha, eine mit Sirup statt mit Rohrzucker zubereitete Variante, stehen schon seit siebzehn Jahren auf der Karte.

Der Caipirinha ist auch auf der Getränkekarte der siebenundzwanzig deutschen Sausalitos, einer auf Cocktails spezialisierten Restaurantkette, vertreten. Adnan Alija, Projekt- und Marketing Manager, bemerkt, er sei bis vor zwei oder drei Jahren noch der Hit gewesen, aber seine Zeit sei inzwischen vorbei: „ In allen unsern Bars war der Caipirinha lange Zeit der berühmteste Drink – unaufwendig, aber längst nicht mehr so populär, da wir versuchen, neue Trends zu lancieren !“

House Brands und Call Brands (Hausmarken und Spirituosen auf Wunsch)

Die meisten Bartender, die wir befragten, führen neben ihrer Hausmarke noch ein paar weitere Cachaca-Marken (Sauselitos und Nightfly’s mehr als zehn), was erstaunlich ist, da, wie sie meinten, ihre Kunden nur ganz selten eine bestimmte Cachaca-Marke für ihre Caipirinhas verlangen. Laut Obermeier vom Nightfly’s gibt es keine Call Orders für Caipirinhas, nur ein einziger Kunde wollte für seine Caipirinhas verschiedene Marken ausprobieren.

Boese sagt: „ Im Gegensatz zu den Amerikanern, die gerne eine Auswahl haben und auch eine bestimmte Marke verlangen, ist Brand Calling für deutsche Gäste eher untypisch.“ Doch vielleicht lassen sich Bartender und Konsumenten von den neuen Spitzenmarken dazu verführen, etwas Neues auszuprobieren. Als wir fragten, was neu auf dem Markt sei, erwähnten die meisten Sagatiba. Luig hat auch Barreiro Cacacha probiert, und Huhn kennt Magnifica und das von Armazem angebotene Sortiment.

Laut Böse ist „Sagatiba die einzige neue Marke, die einen gewissen Erfolg verzeichnet. Die kleinen, feinen Cachacas werden vielleicht folgen, aber sie bedienen nur eine Nische, weil die Bartender bislang noch keinen Bedarf für Cacacha als Mixspirituose angemeldet haben.“ Die Tatsache, dass Cachaca als Mixspirituose nur selten zum Einsatz kommt, kann sich als echtes Handicap erweisen. Und da Caipirinha allmählich aus der Mode kommt, hat Cachaca schlechte Karten. Das gilt aber nur für Deutschland und seine Nachbarn. In den USA und anderen Ländern, wo Caipirinha erst seit kurzem auf dem Markt ist, sieht die Sache ganz anders aus.

Comments (8)

  • Raoul1

    Guter Artikel.

    Am Ende hätte ich mir ja neben recht redundanten Caipi-Rezepten auch ein paar weitere Cachaca Cocktails gewünscht. Ich trinke gerne Nega Fulo on the rocks, mit mixen tue ich mir da aber etwas schwer…typische Rum-Cocktails funktionieren meiner Meinung nach mit Cachaca nicht.

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  • Nun, in dem Text sollte es ja auch um die Caipirinha gehen. Dass man mit Cachaca auch andere gute Drinks machen kann, bestreitet niemand. Wird sicher einmal Thema, bzw. war es schon in der Vergangenheit.

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  • Mr.x

    Capi tot?…. Nein ich denke langsam aber sicher, achten auch die Betreiber, Hotelketten der Bars (nicht nur der Bartender) auf die Zutaten. Wirklich schlechte Caipi´s habe ich schon lange nicht mehr gesehen. (Ausnahme große Stadtfeste, Hafengeburtstage usw..) Und seit dem ich den großen Capi Workshop 2009 mit dem Herrn Heuser in der Mixology Bar besucht habe, kann auch ich wieder sagen die Caipi lebt. Seit dem shake ich die Caipi und serviere sie auf frischen Eiswürfel…. gerade zu meinen HH Zeiten gab es schon hin und wieder Erklärungsbedarf an der 4-5 Sterne Hotel Bar.

    1. ich nehme ja den billigen weißen Zucker…. sie möchten doch den guten brauen Zucker haben, der zwischen den Zähnen knistert (den die Spülmaschine immer auswaschen muss habe ich mir dann immer nur gedacht)
    2. das Ding mit der Spirituose warum ich den nicht Cachaca nehmen würde (Cachaca haben da immer noch viele nur mit einer gewissen sehr auffälligen Krabenflasche verbunden) puh das war dann schon immer etwas härter…
    3. Das Glas ist ja so klein… und das Falsche (Schott Tumbler nehme ich)
    4. Wie sie haben kein Crush Ice????

    5. Ok wo fangen wir an… in diesem harten Fall hilft nur eins…. der klassische Deal…. Ich mixe ihnen die Capi, so wie wir für uns entschieden haben, dass sie am besten schmeckt….. sollte das in ihrem Falle nicht zu treffen, dann mixe ich die noch mal, so wie sie die lieber möchten. Die erste geht dann auf mich…..
    6. ich glaube ich mußte in einem Jahr 10 Caipis noch mal mixen….
    7. Qualität und eine gut ausbalancierter Drink ist in der Regel Argumentation genug.
    8. Eine Caipi ist der Cocktail mit dem die 70iger und 80iger groß geworden sind. Es sind jetzt die , die auch bereit sind mehr Geld für gute Qualität auszugeben und sind sehr interessiert an neuen Drinks. Doch sie lieben auch Ihre Caipi, daher gehört für mich die Caipi ganz klar auf eine Barkarte in Deutschland wenn sie bestmöglich angeboten wird.

    Daumen hoch für die Caipi!

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  • Whiskydrinker

    Also bis jetzt habe ich von jedem Brasilianer zu hören bekommen, dass Rohrzucker eine rein europäische Abart ist.

    Richtig brasilianisch wird eine Caipi nur mit diesem brasilianischen Staubzucker aus Zuckerrohr, den es da in jedem Supermarkt in Plastikbeuteln zu 1 kg gibt.

    Und Caipi: An einem heißen Sommerabend immer wieder gerne.

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  • Robert Mayr

    Ich verwende weissen Rohrzucker von Sarkara, gibts zB beim Hans Krhla (Premiumdrinks, Auhofstraße 150, Wien).
    Sehr fein, das hilft beim abwaschen. Ausserdem löst sich der Zucker schneller bzw einfacher auf und bleibt nicht im Glas zurück.
    Aufgrund der hellen Farbe erkennen die typischen Caipi-Kunden allerdings den Drink nicht als Caipirnha und dann kommen die Fragen. Geschmeckt hat es aber eigentlich immer (kann mich nur an eine Ausnahme erinnern).

    Mein Tip: Caipi-Korn
    Cachaca durch Korn ersetzen und neuen Flavor suchen.

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  • Pingback: Ein Weg in die Bar. Cocktail.

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  • Ally G.

    Interesting articule dispite old. Caip will never be out of fashion. I think the problem with Caip in Germany and it’s neighbours is simply one: very few know what a good cachaca is. Germany has a poor option of cachacas / of low quality. If you go to Paris, London you can come across quality cachacas at the best bars in town, where the bar scene is much more developed. Caipinhas when made nicely is one of the best drinks you can get! My experience in Germany is that I never come accross a well made caipirinha and good cachacas.
    No wonder bartenders don’t like it. The bar scene such as Berlin is so young and a lot don’t know about cachaca. Very few good bartenders know the distinction between cachaca and Pitu for example.

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