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Camba Bavaria & BrauKon – Die Teufel aus Truchtlaching

Sie verschandeln mit ihrem großindustriellen Fabrikmonstrum das beschauliche Seeon, sie treten das Reinheitsgebot immer wieder mit Füßen bzw. gespaltenen Hufen! Zeit, den Brauteufeln aus Truchtlaching Einhalt zu gebieten … oder?

Baustopp und Braustopp, viel schlimmer kann es einen Brauanlagenhersteller mit dazugehöriger Brauerei kaum treffen. Dennoch ereilte dieses doppelt unglückliche Schicksal das Unternehmen aus Truchtlaching, welches soeben versucht, sich im benachbarten Seeon, sechs Kilometer nördlich des Chiemsees gelegen, eine neue Produktionsanlage aufzubauen. Nicht nur stoppte eine Nachbarschaftsklage den Bau, zudem wurde nun auch noch das Coffee Porter der Camba moniert. MIXOLOGY ONLINE sprach mit Markus Lohner, Geschäftsführer der Schwesterfirmen, um den sinistren Machenschaften des aufsässigen Industriemoguls auf die Schliche zu kommen.

Lohner (48) ist ein ruhiger, beherrschter Mensch. Der gelernte Brauer und Brautechniker ist kein lauter Mensch und sucht nicht das Rampenlicht, obwohl er ein gern gesehener Gast bei Podiumsdiskussionen ist. Auch hier ensteht die Kontroverse nicht durch eine reißerische Art, sondern einfach aus dem, was er tut – kreatives Bier brauen und lokal produzieren. Damit jemand wie Lohner aneckt, braucht es schon ein einzigartiges Umfeld. Dieses bietet Bayern momentan offenbar.

Baustopp

Doch zurück zum Anfang: Am 12. Februar 2016 setzte der nach einem Eilantrag beim Münchener Verwaltungsgericht verhängte Baustopp für die Seeoner Anlage ein. Dies geschah trotz erteilter Baugenehmigung und einstimmiger Zustimmung im Gemeinderat Seeons. Die Kläger, vier an der Zahl, sind zukünftige Nachbarn der Anlage, deren Häuser in circa 200 Meter Entfernung zu der neuen Fabrik liegen. Deren Beschwerde: Man habe sie nicht über die Ausmaße dieses Unterfangens informiert, von Seiten der Gemeinde Augenwischerei betrieben, was die Dimensionen des Gewerbegebietes und der sich dort anzusiedelnden Unternehmen betrifft. Die Klage richtet sich also nicht direkt gegen BrauKon und Camba, sondern gegen die Verwendung des Gebietes. Den Vorwurf der mangelnden Information lässt Lohner dennoch nicht auf sich sitzen: „Der Bau ist das Ergebnis von vier Jahren Planung. In dieser Zeit haben wir sowohl allein als auch mit der Gemeinde Informationsveranstaltungen gegeben, die Pläne mehrfach angepasst. Wir haben sämtliche Genehmigungen eingeholt, die nötig waren.“

75 mal 40 Meter misst die Produktionsanlage, für ein 1.500-Einwohner-Nest wie Seeon sicherlich ein Brocken. Im Vergleich zur ebenfalls im Ort ansässigen und vergleichbar großen  Daxenberger Schreinerei allerdings auch nicht völlig ungewohnt.

Zustimmung trotz mangelnder Bestimmtheit

Aber wie kommt es überhaupt dazu, dass bei bereits erteilter Baugenehmigung überhaupt ein Baustopp verhängt werden kann? Mit Pech! Denn während der Antrag in den langsam mahlenden Mühlen des Verwaltungsgerichtes steckte, änderte sich die Gesetzgebung und fordert nun mehr „Bestimmtheit“ bei Bauanträgen, also detailliertere Angaben zu z.B. Lärmbelästigung. Auch hier sieht Lohner aber an sich kein Problem: „Wir befinden uns in einem Gewerbegebiet, keinem Industriegebiet, und erfüllen auch alle dafür notwendigen Voraussetzungen.“

Verhandelt wird der Fall im April. Dies nimmt Lohner zähneknirschend hin, hofft auf eine Abweisung der Klage. Bis dahin versucht man bei BrauKon/Camba, sich selbst ein Gesicht zu geben, nicht mehr der böse Industriegigant zu sein. Zu einer Presseveranstaltung am 14. März kamen ca. 400 Befürworter des Projekts, darunter auch der Bürgermeister der Gemeinde Seeon-Seebruck, Bernd Ruth. Er meinte: „Viele Orte in der Region werden zu reinen Schlaforten verwandelt. Aber die Familien sollen hier bleiben, die Menschen sollen hier eine Arbeit finden.” Sollte die Klage jedoch nicht scheitern, zieht Lohner eine Flucht über die Grenze ins nahe Österreich ernsthaft in Erwägung. Dies hat jedoch noch einen anderen Grund: das Reinheitsgebot.

Braustopp

Schon das Camba Bavaria Milk Stout, ein obergärisches Stout mit Laktose nach englischem Vorbild, sorgte anno 2014 für Probleme mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Nun gesellt sich das Coffee Porter den unerwünschten Bierstilen im bajuwarischen Freistaat hinzu, entspricht es doch nicht dem Reinheitsgebot. Doch halt! Das Reinheitsgebot ist kein Gesetz, Bierzutaten regelt das weniger romantisch verklärte Vorläufige Biergesetz von 1993. Dieses aber findet verschiedene Ausnahmeregelungen, z.B. für Biermischgetränke (etwas, was seinerzeit für viel Kontroverse sorgte, auf Drängen der Großbrauereien aber seinen Weg in die Gesetzgebung fand). Als solches darf sich das Coffee Porter aber auch nicht bezeichnen, denn es ist ja eindeutig nicht mit Kaffee gemischt, sondern gebraut. Kein Bier, kein Biermischgetränk, so ein Coffee Porter ist ein unfassbarer Getränkegrenzgänger, der jedem Deklarationsversuch zu spotten scheint!

Genau da liegt jedoch das Problem, denn was nicht deklariert werden kann, darf auch nicht in den Handel bzw. in die Mägen. So musste bereits das Milk Stout vernichtet werden, nun droht den über 30 Hektolitern Coffee Porter ein ähnliches Schicksal. Um der Absurdität die Krone aufzusetzen, darf Camba dennoch für beide Produkte Biersteuer bezahlen.

Kreative auf dem Kieker?

Im Vergleich zum Baustopp ist der Braustopp für Lohner zwar das deutlich kleinere Problem, er sieht es jedoch als Teil einer Offensive gegen „Andersbrauende“. Auch holzfassgereifte Biere würden plötzlich mit Argusaugen beobachtet, deren Bezeichnung kritisiert. So ist „Amber Ale Rum“ offenbar nicht zulässig, weil das Getränk keinen Rum enthalte, dasselbe mit Bourbonfässern aber kein Problem, auch wenn der Gehalt da ähnlich sein dürfte. Das Augsburger Brauhaus Riegele kämpft mit ähnlich ungewollter Aufmerksamkeit, die existenzbedrohliche Klage des Bayrischen Brauerbundes gegen das Bayerisch Nizza von HansCraft liegt auch noch nicht allzu weit zurück.

„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier fast schon so etwas wie eine Säuberung der bayerischen Bierlandschaft von Ungewolltem stattfindet.“ klagt Lohner. Umso wichtiger ist es, dass dem Freistaat solche Brauereien erhalten bleiben, und dass der Gesetzgeber es endlich packt, für hochqualitative, nicht reinheitsgebotskonforme Biere ebenso eine Lösung zu finden wie er es für die Birups der Konzernbrauereien getan hat. Markus Lohner hält das für möglich: „Reformen sind dringend notwendig.“ sagt er. Teufelswerk!

Credits

Foto: Bild via Camba Bavaria.

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