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Christian Heiss und die Kronenhalle: Tradition verpflichtet

Ab Neujahr ist Christian Heiss der neue Barchef in der Kronenhalle Bar. Was sich in der Zürcher Institution ändert? Nichts! Und das aus gutem Grund. Der gebürtige Südtiroler, der bereits seit zwölf Jahren an der Seite des scheidenden Barchefs Peter Roth arbeitet, will die Tradition der musealen Trinkhalle im Sinne seines Vorgängers weiterführen.

„Ich mache meinen Job so, wie ich ihn mache“, sagt Christian Heiss, (noch) stellvertretender Barchef in der Zürcher Kronenhalle Bar. Nämlich aus Passion für das Kreieren und Zubereiten von Drinks, Zutaten, Spirituosen, Kräutern, Gewürzen und Früchten. Aus Leidenschaft für die Barkultur sowie jene Besucher oder Stammgäste, die die elegante Atmosphäre in der Trinkstätte am Bellevue genießen. „Diese Passion spiegelt sich in jedem Rezept, in der Cocktail-Qualität und natürlich in der Gastfreundschaft wider, und das muss gelebt werden“, definiert Heiss seine Überzeugung wie Motivation.

DIE KRONENHALLE BEREITS IM HINTERKOPF

Wenn der frühere Cocktail-Weltmeister Peter Roth zu Jahresende den Shaker beiseite legen und in Rente gehen wird, dann übernimmt der gebürtige Sarntaler die Leitung dieser „Kunsthalle“. Die Geister von Marc Chagall, Joan Miró, Pablo Picasso oder Robert Rauschenberg scheinen untrennbar mit „Museumsstadt“ verbunden zu sein. Ihre Kunstwerke an den grünen Wänden – persönliche Geschenke an den bereits verstorbenen Gründer und Hausherrn Gustav Zumsteg – sorgen für eine besondere Aura und versetzen Gäste regelrecht in Staunen. „Sind nicht echt, oder?“, wird Heiss oft gefragt. „Doch“, bestätigt er uns und fügt lächelnd hinzu: „Wir sind eine Bar im Museum oder ein Museum in einer Bar.“

Während sich seine Südtiroler Freunde auf Wein, Hotellerie und Gastronomie spezialisieren, entscheidet sich der junge Heiss für eine vierjährige Service-Ausbildung mit „Lehr- und nicht Herrenjahren“, um später die Rolle des Gastgebers als Bartender einnehmen zu wollen. Danach stürzt er sich in die Perfektion und Schnelligkeit des Handwerks in Südtiroler Bars und kehrt nach vier Jahren in München, unter anderem im Pacific Times, für einen kurzen Saisonaufenthalt nach Hause zurück. Die Kronenhalle behält er währenddessen „im Hinterkopf“. Der Sarntaler knüpft Kontakte, baut Verbindungen und Beziehungen auf, absolviert nebenbei Whisky- und Tequila-Schulungen sowie Fort- und Weiterbildungen und nimmt erfolgreich an Branchen-Wettbewerben teil. In den Jahren 2007 und 2008 veranstaltet er „Liquid Mountain”, eine Bar-Convention in der Gompm Alm auf 1.800 Höhenmetern. Natürlich wieder einmal aus Passion für die Barwelt, „weil ich etwas bewegen wollte“. Bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2008 wurde er – schon als Barmeister der Kronenhalle Bar – zum „Newcomer des Jahres“ gewählt, acht Jahre später zahlt sich die harte Arbeit aus, die Kronenhalle wir gemeinsam mit der Widder Bar als “Bar des Jahres Schweiz” ausgezeichnet.

A FAMILY AFFAIR

Auch sein älterer Bruder Egon befindet sich in Sachen Geschmack auf erfolgreichen Pfaden. Nach der Küchenmeister-Ausbildung dockt er etwa in der Londoner Sterneküche bei Gordon Ramsey an. Im Jahr 2014 wird Egon Heiss für sein hochklassiges, aber unprätentiöses Werk im südtirolerischen Bad Schörgau, das regionale, saisonale und internationale Gerichte vereint, mit einem Stern ausgezeichnet.

Im Dezember vor zwölf Jahren kommt Christian Heiss endlich an, als der heute 36-Jährige an der Seite von Peter Roth in der Kronenhalle zu mixen beginnt und als dessen Stellvertreter im Barmanagement bald „seine Finger im Spiel hat“. „Wir sind ein gutes Gespann mit Respekt füreinander vom ersten bis zum letzten Tag“, beschreibt Heiss die jahrelangen, gemeinsamen Tages- und Nachtzeiten in der Kronenhalle, die um 11.30 Uhr öffnet und gegen Mitternacht schließt. „Peters Ausstrahlung, seine Präsenz, Ruhe bei der Arbeit und die tiefsinnigen Gespräche mit ihm werden mir sehr fehlen“, ahnt der Barchef in spe und freut sich auf „die monatlichen Treffen mit ein paar Fläschchen Bordeaux.“

Die größte Herausforderung für Christian Heiss sei, „das weiterzuleben, was gelebt worden ist. Die Linie des Hauses mit Stil, Klasse, Ausstrahlung und Charakter, die ich für mich verstanden und von meinem Vorgänger übernommen habe, weiterzuführen“. Diese bedeutet Gastfreundschaft und gegenseitigen Respekt auf der persönlichen, sowie Perfektion, Ausgewogenheit und Variation in der Zubereitung von klassischen, modernen und eigens kreierten Cocktails auf der fachmännischen Ebene.

BASIC INSTINCT

Christian Heiss stellt hierbei sowohl an sich selbst als auch an seine Mitarbeiter hohe Ansprüche. Die Kenntnis einer Spirituose, ihres Geschmacks, ihrer Herkunft, Entfaltung und Kombinationsmöglichkeit seien Basiswissen. „Ein Cocktail ist wie ein Küchengericht. Man muss die Zutatenkomposition verstehen und darf nie die Basis zerstören“, zieht er den Vergleich zur Kochkunst.

Die Grundspirituose darf durch die Zugabe weiterer, nur weniger und möglichst natürlicher Komponenten nicht verschwinden. „Die ursprüngliche Qualität muss erhalten bleiben, das Grundprodukt im Glas erkennbar sein“, findet der Fan von Fruchtbränden.  Abgesehen vom Fachwissen und den technischen Fertigkeiten sei jedoch für den Gastgeber das wichtigste Gebot, den Gast dort abzuholen, wo dieser sich gerade befindet, auf ihn einzugehen und dessen Wünsche zu respektieren: „Ein Gespür für den Menschen an sich zu haben, denn nur dieser zählt, nicht seine Hülle. Das entspricht der Hausphilosophie“.

Wenn der Naturliebhaber nicht an seinem Arbeitsplatz in der Rämistraße auffindbar ist, dann vielleicht in den Bergen. Im Sommer klettert er über hochalpine Pfade, im Winter strebt er Skitouren an, um sich danach kulinarischen Genüssen oder einem guten Buch hinzugeben. Oder er verrät in Zusammenarbeit mit Christine Brugger von der Sinnes- und Genussschule Aromareich in lukullischen Workshops wie bei der Food Messe Zürich Interessierten die Geheimzutaten kreativer Cocktails.

PETER UND PAUL… UND CHRISTIAN HEISS!

Seine Vorgänger, Peter Roth sowie Paul Nüesch, haben die hauseigenen Cocktailrezepte in zwei Kronenhalle Bar-Buchbänden festgehalten, die Einblick in das individuelle Getränke-Spektrum des Hauses und Aufschluss darüber geben, „wie man beispielsweise einen ,Café Paggi’ zubereitet“, um Spezialwünschen in gewohnter Manier zu entsprechen. Auf Christian Heiss’ Empfehlungen und Eigenkreationen sollte man sich allerdings einlassen, denn mit ihm darf die Kronenhalle Bar weiterhin in Bänden sprechen.

Credits

Foto: Steven Kohl

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