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Gimlet auf Eis Adrian Schulz

Mein Drink & Ich: Adrian Schulz’ Gimlet auf Eis

Vielleicht einen Gimlet auf Eis? Nach langer Pause startet unsere Rubrik, in der Bartender ihren Favoriten vorstellen, in eine neue Runde. Den Anfang macht niemand Geringeres als Adrian Schulz. Mit seinem Gimlet begeht er eigentlich ein Sakrileg – denn er nimmt ihn gern auf Eis. Doch er hat auch einen Grund dafür. Und passend zur Herkunft des Drinks aus der Seefahrt, gibt es einen ordentlichen Navy-Strength-Gin.

Ich bin wohl in kultureller und literarischer Hinsicht eher „klassisch“ aufgewachsen, wenn man es so nennen will. Hipster würden vielleicht sagen: „Old School“.  Während andere irgendwelchen Bands hinterherreisten oder auf die sogenannten krassesten Partys gingen, saß ich irgendwo und las Werke von Stefan Zweig und Hermann Hesse. Meine Helden hießen nicht Spiderman und ich lachte nicht über Mario Barth. Ich war besessen von Western mit John Wayne und heulte Tränen bei Heinz Erhardt und Loriot. In den 90er und 2000er Jahren eher ungewöhnlich für das zarte Alter.

Aber wo ist da der Gimlet? Und warum auf Eis? Ein Gimlet auf Eis?!

Das Herz der Finsternis

Der Gimlet auf Eis ist weder der erste Drink, den ich getrunken habe, noch war es ein besonderer Moment, in dem ich ihn getrunken habe. In meiner Anfangszeit des Berufs schenkte ich Ihm nicht besonders viel Aufmerksamkeit. Erst als ich unter Roman Horka in dieroteBar in Nürnberg den Job begann, fing der Stein zum Rollen an. Ich war damals blutjunge 21 Jahre alt und die aktuelle vom Vater empfohlene Lektüre war “Das Herz der Finsternis” vom polnischen Autor Joseph Conrad. Ein Weltroman mit Format. Ein Buch, welches so leicht zu lesen und doch so tiefgründig ist. Ein Satz daraus bleibt mir heute noch hängen und erinnert mich doch oft daran, warum ich da bin, wo ich bin:

„Ich liebe die Arbeit nicht – kein Mann tut das – aber ich liebe das, was in der Arbeit drinsteckt – die Möglichkeit sich selbst zu finden. Die eigene Wirklichkeit – für einen selbst, nicht für andere – die kein anderer Mensch jemals erkennen kann. Die anderen können immer nur die bloße Leistung sehen und nie begreifen, was eigentlich dahinter steckt.“

Vom Papier ins Glas –  der Gimlet auf Eis

Ich war begeistert von dem Buch, eine seiner Hauptfiguren hieß Marlow. Dies kam mir so bekannt vor und ich begann zu suchen. Gefunden habe ich ihn bei Raymond Chandler, übrigens auch einer, der den Gimlet mitbekannt gemacht hat. In Raymond Chandlers Buch Der lange Abschied erzählt die Hauptfigur, der Detektiv Marlowe leidenschaftlich vom Gimlet. Am nächsten Tag probierte ich das Lieblingsgetränk von meinem Barchef: der Gimlet auf Eis. Es begeistert mich, wie ein Drink, der aus zwei oder drei Zutaten besteht, so eine Komplexität an den Tag legt.

Ich werde übrigens immer noch schräg angeschaut, wenn ich in Bars einen Gimlet auf Eis bestelle. Dabei ist es etwas wunderbares, weil es ein lebendiger Drink ist, der sich entwickelt, während man ihn trinkt. Am Anfang ist man beflügelt von der Frische, die er mitbringt. Eine pfeffrige Schärfe überrascht die Zunge. Durch die Verwässerung, die sich am besten mit doppelt gefrosteten Eis entwickelt, bekommt man plötzlich ein „Limonadengefühl“ auf der Zunge. Es ist eine konstante Mischung aus Frische und Bitterkeit, die meiner Meinung nach ihresgleichen sucht. Es ist eine Reise und Suche zugleich. Ähnlich wie bei beiden Marlowes. Der eine auf der Reise ins Ungewisse, der andere auf der Suche nach der Wahrheit.

Die Suche nach den Zutaten

Der Cordial war für mich schnell entscheiden – Roses Lime Juice Cordial. Ich bin ein Freund der konstanten Qualität. Schon oft habe ich bemerkenswerte hausgemachte Cordials probiert. Doch konstant waren die wenigsten. Beim Gin war ich immer schon ein Freund des kräftigen würzigen Charakters ohne viel „Chi-chi“. Hier eignet sich der Plymouth Navy Strength meiner Meinung nach hervorragend. Das Eis sollte doppelt gefrostet sein. Und: die frische Zitrone. Ja, es muss Zitrone sein! Ihre Säure empfinde ich als dezenter und angenehmer. Dann gelingt auch der perfekte Gimlet auf Eis.

Der Autor, Adrian Schulz, gehört zu den renommiertesten Bartendern in Deutschland. Nach langer Zeit in Stuttgart lebt und arbeitet er mittlerweile wieder in München, wo er als Bar Manager der Falk’s Bar im Hotel Bayerischer Hof tätig ist.

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