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Nichts verloren: Hopfen und Malz

Gefährliches Halbwissen über Hopfenzustände, Pestizide, Aromen und das richtige Malz. Macht „Bio“ eigentlich besseres Bier?Juliane Reichert mit einem Streifzug durch deutsche Hopfenfelder, Höchstmengen und Sudhäuser.

Frisch ist immer gut, unbehandelt auch und Bio sowieso. Es gibt ein paar Prämissen, an die wir uns zu halten gewöhnt haben. Ab und an macht es dennoch Sinn, diesen nochmals auf den Grund zu gehen und zu verstehen, was eigentlich dran ist, in den Inhalten, denen wir da nachleben.

Das Extrakt der Reinheit

Beim Bier, zum Beispiel. Im theologischen Seminar an der Uni gibt es ganze Vorlesungen über den Reinheits-Begriff, und so kann man einmal davon ausgehen, dass die Sache mit dem Reinheitsgebot sich ganz so einfach nicht verhält, auch beim Bier nicht.

So besteht beispielsweise der Irrglaube, Extrakt sei ein minderwertig und künstlich produzierter Bestandteil. Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um die Essenz eines Stoffes, in unserem Falle von Hopfen. Mehr Hopfen als im Extrakt geht also nicht. Die verbreitete Empörung, dass das Reinheitsgebot auch aus Extrakt hergestellte Biere decke, ist daher gänzlich unnötig.

Auch die Annahme, nur frischer, nämlich am Tag der Ernte verarbeiteter Hopfen stelle später Aromahopfen, und Bitterhopfen werde für Pellets oder Extrakt verwendet, ist so nicht haltbar. Letztlich bestimmt der sogenannte Dosage-Zeitpunkt, ob der Hopfen als Aroma- oder Bitterhopfen verwendet wird. Wird der Hopfen nämlich am Anfang des Brauprozesses, also in der Würzekochung zugesetzt, gibt er hauptsächlich Bitterstoffe ab, je weiter der Brauprozess voran schreitet, desto mehr Aromaspender wird der Hopfen.

Jene Aroma- und Bitterstoffe oxidieren vorschnell, wenn der Hopfen nicht getrocknet und unter Ausschluss von Licht und Sauerstoff kühl gelagert wird. Geschieht dies jedoch fachgerecht, bleibt die maximale Menge an Aroma- und Bitterstoffen im Hopfen .

Die Sensibilität des Grünen

Frischer Hopfen ist in der Verarbeitung äußerst aufwendig, da er einige Stunden nach der Ernte direkt weiter verarbeitet werden muss,  damit er nicht verdirbt – immerhin liegt sein Wassergehalt bei über achtzig Prozent.

Wer nämlich schon einmal die zum Brauen verwendeten Dolden der Hopfenpflanze gesehen hat, weiß, dass es sich hierbei um äußerst sensible Gewächse handelt. Sensibel nicht nur im Blick auf Krankheiten und Schädlinge wie beispielsweise Hopfenspinner und Spinnmilben, Mehltau und Grauschimmel, sondern auch schlichtweg gegenüber rauem Wetter.

Da liegt es doch nahe, das äußerlich einem hellgrünen Tannenzapfen ähnelnde Hanfgewächs ein wenig zu dopen, auf dass nicht jeder Platzregen direkt für ein Feld voll hängender Doldenköpfe sorgt. Erntegebete sind inständiger Teil der Kulturgeschichte, Pflanzenschutzmittel die Gegenwart. Rückständig hingegen ist die Skepsis, mit denen man ihnen begegnet.

Fertig statt frisch?

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat im Jahr 2007 ganze 45 Proben bayerischen Hopfens untersucht und analysiert. Welche Rückstände von Pflanzenschutzmitteln weist Hopfen tatsächlich auf und wie viele davon führen wir unserem Organismus am abendlichen Tresen noch zu?

Die Proben bestanden in erster Linie aus Hallertau, Hersbruck und Spalt, darunter befanden sich sowohl Aroma- als auch Bittersorten. Während 41 Sorten Rückstände der Pflanzenschutzmittel aufwiesen, wurde bei nur zwei Sorten eine Überschreitung der zugelassenen Höchstmenge festgestellt, zwei weitere Proben waren hingegen gänzlich frei von Rückständen. Eine davon war die einzig untersuchte Bio-Probe.

So weit — aber auch so gut? Wer will schon mit Zaudern zechen, wenn man ab sofort an Pestizide denken muss, anstatt dem Zischen des Zapfhahns zu lauschen? Keiner. Offenbar muss man das aber auch nicht, denn das LGL hat unter den zehn getesteten Bieren belasteten Hopfens keine Rückstände mehr aufweisen können. Und das trotz hoher Nachweisempfindlichkeit der neun nachgewiesenen Rückstände. Mit einem durchschnittlichen Gesamtrückstandsgehalt von 10,0 mg/kg und 4,2 Rückständen pro Probe bewertet die LGL die Belastung im Hopfen als recht stark – umso erfreulicher, dass im Bier nichts mehr davon übrig zu sein scheint.

Entgegen sich vehement haltender Gerüchte, Gutdünken und Glaubensinhalte verhält es sich also wie folgt: Hopfenextrakt ist keinesfalls minderwertiger als Pellets. Und die Frage, frisch zu brauen stellt sich nicht, so man den Hopfen noch am selben Tag in nur einem Monat zwischen August und September ernten und verwenden muss. Und würde nur einmal im Jahr Bier brauen: wir müssten uns ganz schön umsehen. Pflanzenschutzmittel wird dabei überall verwendet, wo in größeren Mengen produziert wird und hat auf die Qualität, die Gesundheit und den Geschmack keine Auswirkungen.

Hopfen und Haltung

Nils Heins aus der Rollberg-Crew ist sich da nicht sicher. Die sich in Neukölln befindliche Privatbrauerei verwendet drei unterschiedliche Bio-Aromahopfen und ungespritztes Bio-Malz verschiedenen Darrgrades. Allein von ästhetischen und Kostengründen abgehalten, das Bier mit einem Bio-Siegel zu versehen, sind die jeweiligen Rohstoffe im Einzelnen dennoch Bio-zertifiziert. So wenig wohlschmeckend Hopfen in fertiger Pelletform als Snack auch sein mag – den Unterschied zwischen behandeltem und unbehandeltem schmecke man. Und das ist nicht nur sein eigenes Urteil, sondern auch das der Brauerei-Besucher. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.

Darum ist jetzt auch die Stelle gekommen, die im Bio-Diskurs unausweichlich scheint. Wenn es doch besser ist – warum machen es dann nicht alle so? Der Dialog ist im Grunde bereits geschrieben. Denn, wer hätte es gedacht, „Biomalz ist doppelt so teuer,“ so Nils. Doppelt ist viel. Im Gegenzug bekommt man viel Natur: „Wir haben somit nicht nur mehr, sondern vor allem schönere Aromen im Bier.“ In der Tat schmeckt das hochprozentige Maibier von dunkler Farbe, wenig Säure, aber kräftiger Würze ganz hervorragend. Zumindest dort, wo man es inzwischen bekommen kann.

Schutzmittel: ein Mittel zum Schutz?

Gesundheitlich sowie ökonomisch gesehen, besteht natürlich die Gefahr, dass nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel unter jene zugelassenen geraten, wie es einst in Tettnang, einem wichtigen Hopfen- und Apfelanbaugebiet, der Fall gewesen war. Die Substanz Captan war durch eine produktionsbedingte Verunreinigung in den Hopfen gelangt und hatte wegen fehlender Rückstandshöchstmengen dazu geführt, dass zehn Prozent der Ernte aus Tettnang vernichtet und bereits geernteter Hopfen aus dem Verkehr gezogen werden musste. Das kann passieren, wenn ein im Apfelanbau zugelassenes Schutzmittel durch Verwendung derselben Spritze im Hopfenanbau verwendet werden – innerhalb dessen das Mittel hingegen nicht zugelassen ist. Durch sorgfältige Sicherheitssysteme sei dies jedoch eher ein Problem der Hopfenbauer als eines der Biertrinker, so Jürgen Weisshaupt, Geschäftsführer des Tettnanger Hopfenpflanzen-Verbandes. Also auch hier – keine Bedenken für den Biertrinker.

Dr. Elisabeth Wiesen, Technical Manager bei Joh. Barth&Sohn, versichert sogar, dass es keine geschmacklichen Auswirkungen im Bier gebe, diese würden während des Zulassungsverfahrens viel zu genau geprüft: „Und eine Gesundheitsgefährdung durch Pflanzenschutzmittel-Rückstände kann definitiv ausgeschlossen werden.“ Natürlich nur, wenn man ausschließen kann, 115 Liter Bier am Tag zu trinken; dort liegt nämlich die Grenze des ADI (acceptable daily intake).

Schutz oder Schmutz?

Dr. Marc Rauschmann, Braumeister der Craft Beer-Brauerei Braufactum, schließt sich an: „Schließlich sind es Schutz-Mittel. Sie schützen den Hopfen vor Krankheiten und halten ihn dadurch, wie er schmecken soll – frisch. Biofelder benötigen einen möglichst geringen Schädlingsdruck aus der Nachbarschaft. Dies entweder durch eine möglichst einsame Lage oder durch entsprechenden Pflanzenschutz in der Nachbarschaft. Eine komplette Umstellung ganzer Regionen auf Bio stellt sich daher nicht, beziehungsweise würde eine große Unsicherheit bei der Versorgung bedeuten. Zudem eignen sich auch nicht alle Sorten für einen Bio-Anbau.

Wirtschaft hin oder her, Nils und Braumeister Wilko geht es in der Entscheidung für regionales Bio-Bier weniger um den Weg zum Gewinn, denn um den Gedanken. Für mehr als das reicht die Beweislage beim gewollten Wettern gegen Schutzmittel in der Bierproduktion einfach nicht aus. Alt eingesessene Grabenkämpfe mit diesem Fokus sind daher nicht nur überflüssig, sondern faktisch überholt.

Wie so oft, bleibt es am Ende also eine Frage der Gesinnung. Offenbar aber immerhin keine des Geschmacks und keine der Gesundheit.

Credits

Foto: Hopfen und Pestizidvernichter via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker

Comments (1)

  • Max

    Vielen Dank Juliane für den Artikel – schön, Meinungen über ein leider oftmals “unter den Tisch gekehrtes” Thema zu hören.
    Zu oft wird über das Bier selbst, dessen Aromen etc. sinniert, ohne sich der Rohstoffe und deren Hintergrund zu besinnen.

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