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Markengift oder Markenglanz?

Bartender haben viele Möglichkeiten auf sich aufmerksam zu machen. Die eleganteste und nachhaltigste ist die tägliche Arbeit am Gast. Aber Wettbewerbe sind natürlich für den schnellen Erfolg verlockend. Nur sollte man sein Gehirn weiter bei sich tragen und es nicht in der Wäscherei des Ausrichters durchschleudern lassen.
„Wir möchten die Bartender zu Rockstars machen“, tönte der Mitarbeiter einer großen Spirituosenfirma kürzlich. Die Möglichkeiten, im Boot einer Marke bekannt zu werden, sind heute so groß wie noch nie. In den Innenstädten begrüßen einen großflächige Konterfeis bekannter Bartender von den Litfaßsäulen. Preisgelder von Wettbewerben erreichen das Niveau von Luxuskarossen.  Gewinner von Wettbewerben jetten im Monatsrhythmus rund um den Globus.
Bartender im Rausch
Allerdings scheinen manche der so hofierten Tresenprofis sich nicht darüber bewusst zu sein, wo die eigene Marke aufhört und die Sponsor-Marke anfängt. Die Grenzen zerfließen, die Person mutiert zum wandelnden Werbefilm. So hörte man kürzlich von einem Wettbewerbsgewinner, der im Rausch die Toiletten einer Hamburger Bar zerstörte. Tat er dies als geförderter Rockstar mit der Marke auf dem Revers oder doch plötzlich wieder als Privatperson? Man vernahm, dass der lokale Firmenverkäufer versuchte, die Angelegenheit unter den Markenteppich zu kehren. Fremdscham inklusive.
Der Markensklave
Betritt man manch bekannte Bar, verfolgen einen die Markenlogos neuerdings von der Tür bis an den Tresen. Dort wiederum steht ein Barmann, der sich ein Logo der Competition in die Haut hat stechen lassen, als sei er ihr Eigentum. Ein Markensklave, der am Ring durch die Manege des flüssigen Rummels geführt wird.
Cocktailwettbewerbe haben ihren Platz in der Branche. Darüber gibt es keinen Zweifel. Sie beeinflussen, wessen Name in der Branche vernommen wird. Sie helfen den Fokus auf Technik und Innovation zu schärfen. Sie dienen als Netzwerkplattformen und erweitern den Horizont junger Barleute. Sie sind Bühnen, auf denen man sich beweisen kann. Sie steigern den Marktwert.
Doch wenn man sich umsieht in der Branche, gibt es eine Menge erfolgreiche Unternehmer, die niemals den Teilnahmebogen einer Competition ausgefüllt haben. Ein Ausnahmeprodukt, eine wirklich fantastische Bar, ist häufig dem Streben nach größtmöglicher Unabhängigkeit gedankt. Der Idee, die Dinge anders, die Dinge besser zu machen. Kommerzielle Schnittstellen bedeuten da einen zu großen Kompromiss.
Täglicher Wettbewerb am Gast
Entsprechend sollte gerade die junge Bar-Generation beachten, dass Wettbewerbe ein willkommener Bonus sind. Sie sind aber kein elementarer Bestandteil der Barkultur. Und da mag ein gehirngewaschener Markenbotschafter nach dem anderen das Gegenteil erzählen. Der eigentliche Wettbewerb des Barmanns läuft am Gast. Jeden Abend von neuem. Dort zu überzeugen ist nachhaltig. Denn der Ruhm und der Glitter auf der Markenbühne verblasst zu schnell. Er trägt nicht durch eine ganze Karriere.
Dieser Artikel erschien erstmals in der Print-Issue 01/14.

Credits

Foto: Rennwagen via Shutterstock

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