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Nach dem Embargo: Pernod Ricard und „Havanista“

Nachrichtensender in aller Welt überschlagen sich. Die Regierungen der USA und Kubas haben ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen. Das bestehende Handelsembargo könnte in nicht allzu ferner Zukunft aufgehoben werden.Was bedeutet das für die kubanische Wirtschaft und vor allem für die dortige Rumindustrie? Ist eine Rückkehr der Marke Bacardi zu ihren kubanischen Wurzeln denkbar?

Das Kuba-Embargo ist die älteste noch bestehende Wirtschaftsblockade der Neuzeit. Seit nunmehr 53  Jahren unterhalten die US-amerikanische und die kubanische Regierung keinerlei wirtschaftliche Beziehungen.

Als Fidel Castro 1959 nach einen zweijährigen Guerillakampf den vormals regierenden Diktator Batiste zur Flucht zwang, verstaatlichte die neue Regierung des Inselstaates das Eigentum von Bürgern und Unternehmen der Vereinigten Staaten im Wert von fast einer Milliarde-Dollar.

Grund genug für den damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower, die Handelsbeziehungen mit Kuba am 19. Oktober 1960 vollkommen auf Eis zulegen. Nicht vollkommen auf Eis, aber abgeschnitten vom US-Markt liegt auch die Spirituosenindustrie Kubas, allen voran die Marke Havana Club.

Die Marke Havana Club

Havana Club” verkaufte das erste Mal 1935 unter diesem Namen Rum in die Vereinigten Staaten und ließ sich dort entsprechende Markenrechte eintragen. Doch auch in dieser Firmentradition hinterlässt der Sturz des ehemaligen Diktators Batiste tiefen Narben. Im Jahr 1960 wurde das Unternehmen von José Arechabala, welches Havana Club produzierte, verstaatlicht. Zur gleichen Zeit verfiel, bedingt durch das Embargo, der Export in die Vereinigten Staaten.

In den folgenden Jahren war die UdSSR Hauptabnehmer von Havana Club, bis 1993 ein neues Kapitel in der Firmenhistorie begann. Zusammen mit Cubaexport, dem Eigentümer der Destilliere und “Cuba Ron”, dem zentralen kubanischen Distributeur, ging der französische Wein- und Spirituosen-Konzern Pernod-Ricard ein Joint-Venture ein.

Seitdem steigen die jährlichen Verkaufszahlen um eine zweistellige Zuwachsrate.

Havana Club an Bacardi verkauft

Unterdessen liefen in den USA die dortigen Markenschutzrechte für Havana Club aus, sie wurden nie verlängert. 1995, mittlerweile von Kuba über Spanien nach Amerika emigriert, verkaufte die Familie Archebala, ungeachtet der vorangegangenen Enteignung, die Marke Havana Club an Bacardi. Fragwürdig ist bis heute, ob die Familie diese Rechte zum genannten Zeitpunkt überhaupt noch besessen hat.

In den folgenden Jahren hindert Bacardi durch groß angelegte Lobbyarbeit Pernod-Ricard daran, gegen den Verkauf der Markenrechte für den US-Markt vorzugehen. Die entsprechende Rechtsprechung geht unter dem Namen “Bacardi Act” in die Firmen- und Rechtsgeschichte ein.

Seitdem existiert der Markenname in zwei unterschiedlichen Welten: Auf der einen Seite in der von Bacardi, wo man einen Rum, hergestellt in Puerto Rico, namens „Havana Club“ in den USA verkauft. Auf der anderen Seite steht Pernod-Ricard mit dem gleichnamigen Produkt, hergestellt auf Kuba, im Rest der Welt zur Verfügung.

Die neue Marke Havanista

Nachdem Pernod-Ricard durch die in den USA in Kraft getretene Gesetzgebung daran gehindert wurde, die Marke Havana Club erneut in den USA anzumelden, ging sie dazu über, eine Art Ausweichmarke zu kreieren. Die Marke „Havanista“ wurde in den USA entwickelt und 2012 registriert. Sie sollte dazu dienen, den in Kuba hergestellten Rum nach Ende des Handelsembargos wieder in die USA einführen zu dürfen.

Bis heute wartet Pernod-Ricard nun also auf diesen Schritt beider Regierungen. Denn nach derzeitiger Lage ist es US-Bürgern lediglich erlaubt, Alkohol und Tabak mit einem Gesamtwert von 100$ einzuführen. Das bringt Havana Club zwar in die Stellung, in Amerika verfügbar zu sein, seine Marktposition wird Pernod-Ricard mit dieser Gegebenheit aber nicht sichern können.

In der Zukunft

Es bleibt abzuwarten, wie das Marktgeschehen sich um die neue Marke Havanista entwickeln wird, denn der US-Markt ist beständig und konservativ. Der Name Havana Club ist an Bacardi vergriffen.

Bis das Handelsembargo vollständig aufgelöst ist, wird noch einige Zeit vergehen. Der Bacardi Act und andere Gesetzestexte werden allerdings weder die mittelfristige wahrscheinliche Auflösung verhindern, noch den Fakt negieren können, dass Pernod-Ricard den auf Kuba produzierten Rum wieder in den USA verkaufen darf.

Von den Bermudas nach Kuba

Die Rückkehr von Bacardis Firmenzentrale nach Kuba bleibt in naher Zukunft weiter unwahrscheinlich. Die Bacardi Limited ist ein gefestigter Weltkonzern. Die Rückkehr zu ihren Wurzeln würde voraussetzen, dass die Republik Kuba ihre sozialistische Planwirtschaft lockert. Bereits seit einigen Jahren sind private Unternehmen möglich. Diese beschränken sich jedoch auf Privateigentum, um Joint-Ventures mit ausländischen Firmen einzugehen, sowie einfache Tätigkeiten.

Für große Unternehmen bleibt der Markt auf Kuba weiterhin geschlossen. Und so auch für das bis heute immer noch familiengeführte Unternehmen Bacardi.

In ihrem Herzen sehnt sich die Familie trotzdem nach der Rückkehr auf die Insel. Zwar hätte man damals gut und gerne alles verlieren können, als Fidel Castro die stolze Sippe enteignete, trotzdem fühlen man sich bei Bacardi sowohl Land als auch Leuten stark verbunden. Diese Verbundenheit artikuliert sich auch seit dem Gründungstag im Logo: Die Fledermaus gilt für Kubaner als Zeichen des Glücks.

Credits

Foto: Diplomatie Hände Kuba USA via Shutterstock

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