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Die Top FÜNF! typisch Schweizer Spirituosen

Gibt es noch eine Stadt, die keinen eigenen Gin hat? Werfen wir den Blick ins Hinterland und erkunden, was die Schweiz außer Gin zu bieten hat. Denn die Eidgenossen sind zu Recht stolz auf ihre „geistige“ Tradition jenseits von zeitgenössischem Wacholder. Nico Colic mit den FÜNF! wichtigsten Schweizer Spirituosen.

In der kein Ende nehmen wollenden Flut an neuen Gins scheint es manchmal so, als sei das einzige Unterscheidungsmerkmal beim Gin die Herkunft, mit viel Design in Szene gesetzt und durch eine aufregende Social Media-Kampagne beworben. Das ist sehr hip und oft auch „local“, hat aber oft wenig mit den Traditionen der Region zu tun. Denn das Trinken ist ja keine sonderlich neue Angelegenheit – und so hat jede Region ihre eigenen traditionsreichen Getränke, fernab von Markenbotschaftern und Brand Identity.

Im Folgenden beleuchten wir einige Schätze aus der Schweiz. Besonders hier, wo vom Bauerntum geprägte Brenntraditionen wenig Eindruck auf prestigeträchtige Finanzhaie in den Städten machen, gibt viele in Vergessenheit geratene Spirituosen, welche es zu kennen wert ist.

1) Kartoffelbrand

Die Kartoffel, in der Schweiz liebevoll „Härdöpfel“ (wörtlich Erd-Apfel) gennant, mauserte sich schnell zu einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Traditionelle Gerichte wie die „Rösti“ (schweizerische Hash Browns) oder „Gschwellti” (Pellkartoffeln) sind bekannt, viel weniger bekannt ist aber der Kartoffelbrand, der hier „Härdöpfeler“ genannt wird.

Wer da jetzt an Vodka denkt, ist aber fehl am Platze. Denn steht beim Vodka die geschmackliche Reinheit im Vordergrund, so werden hier erdige, warme, zimt-artige Aromen eingefangen. Das macht ihn interessant für Cocktails, in denen eine gelagerte Spirituose zu schwer ist, aber in der nicht die für Gin typische Frische gefragt ist. Ein Hot Toddy mit Amontillado Sherry drängt sich hier zum Beispiel auf, oder auch eine Martinez-Variation auf die Schweizerische Tour. Ganz besonders zu Empfehlen ist der aus Betje-Kartoffeln gebrannte Brand von Viktor Senn, welcher in schweizerischen Wettbewerben schon einige Preise gewinnen konnte.

2) Karottenbrand

Bleiben wir gleich bei Sachen, die unter der Erde wachsen. Weitgehend bekannt dürfe es sein, dass man aus Früchten wunderbare Brände machen kann. Dass es aber auch findige Brenner gibt, die die Karotte trinkbar machen, müsste hellhörig machen. In der Schweiz gibt es einige solcher „Rüeblibränd”, aber auch in Österreich gibt es sogar prämierte Produkte.

Kaum zu glauben ist es, wie gut es gelingt, den Geruch frischer Karotten in einer Spirituose zu fangen. Das ist natürlich ganz besonders interessant, weil die Welle der Cuisine Style-Cocktails den Weg geebnet hat für neue Geschmackskombinationen, aber noch nicht jeder so weit ist, die Grenzen zwischen Frucht-Smoothie und Manhattan zu verwischen. Und natürlich lässt sich ein Karottenbrand leichter lagern als der Saft. Die Kombination aus Walnuss, Bourbon und Karotte sei hier dem experimentierfreudigen Leser als Anhaltspunkt gegeben.

3) Bitter

Die vielen Kräuter der Schweiz, im Ausland vornehmlich bekannt wohl als Hustenbonbons verarbeitet, bilden Grundstoff für eine Vielzahl von Amari, Kräuterbränden und Magenbittern. Braulio, Appenzeller, Weissflog oder der sehr erfolgreiche Gran Classico Bitter sind alles schöne Alternativen zu Campari im Negroni. Allerdings hört es hier nicht auf, vor allem aus den Bergregionen gibt es Enzian-Liköre wie etwa den Bon Valaisan, welche man anstelle der Chartreuse in einem Last Word ausprobieren kann.

Wozu das Ganze? Einerseits ist es bei den kleinen Chargen, in denen heimische Amari produziert werden, noch möglich, viele der Kräuter tatsächlich im eigenen Land zu ernten statt sie durch die ganze Welt zu fliegen. Andererseits lässt sich so schnell ein Cocktail in ein heimisches Gewand kleiden. Wann man das denn will.

4) Bier-Brand und Whisky

Die Herstellung von Whisky wird Novizen gerne verkürzt erklärt: Whisky ist gebranntes Bier, im Fass gelagert. Tatsächlich gibt es aber Bier-Brände, und wer einen solchen mal probiert hat, kann getrost sagen, dass das sehr wenig mit Whisky zu tun hat. Aber in einem Herrengedeck ist das eine naheliegende, wenn auch nicht unbedingt eine wahnsinnig spannende Option. Viel spannender hingegen sind hiesige Whiskies. In der Schweiz allein gibt es inzwischen mindestens fünf namhafte Whiskies.

In der Schweiz ist das Brennen von Getreidebränden erst seit 1999 erlaubt, und so haben alle hiesigen Whiskies gemeint, dass sie zu jung sind. Wettgemacht wird das aber durch die Experimentierfreudigkeit der Brenner, und so kann man eidgenössischen Whisky mit allerlei Cask-Finishes finden: Tokai, Châteauneuf-du-Pape, Chardonnay, Bier… Alle Fässer sind erlaubt. Dabei profitiert auch die junge Whisky-Landschaft von den Innovationen der Schotten: so wird standartgemäß alles auch in Fassstärke abgefüllt, mit der Altersangabe hingegen sehr sparsam umgegangen.

Zwar können die Whiskies noch nicht mit den Großen mithalten, aber die vielen Experimente sind für unsereins sehr interessant, um zu lernen, wie sich die verschiedenen Fässer auf den Whisky auswirken.

5) Absinth

Kommen wir nun zur Königin der Schweizer Spirituosen: Der „Grünen Fee“. Diese war lange Zeit als Folge einer Verleumdungskampagne von Winzern verboten, ist aber seit 2005 wieder legal. Trotzdem haftet Absinth immer noch ein zweifelhafter Ruf an – und der „Absinthe Rinse“ (das Ausspülen eines Glases mit Absinth) bei klassischen Cocktails macht auf weniger versierte Trinker immer noch mächtig Eindruck.

Geschuldet ist das natürlich der schlechten Qualität von Ersatzprodukten, der pyromanen Metal-Szene und dem hohen Alkoholgehalt. Tatsächlich aber ist Absinth dem Gin in der Herstellung nicht unähnlich: Neben Fenchel, Anis und Wermutkraut werden verschiedene Botanicals in Neutralalkohol eingelegt, der anschließend destilliert wird. Die grüne Farbe erhält der Absinth dann gegebenenfalls bei einer zweiten Mazeration.

Es muss aber nicht immer bloß der „Absinthe Rinse“ sein: verdünnt man den Absinthe auf bekömmlichere Alkoholstärken runter, so macht er sich sehr gut mit Tonic oder Anstelle des Gins in einem Corpse Reviver #2. Oder aber man gibt sich zum Abschluss einen Absinth Alexander, unverdünnt.

Credits

Foto: Mann mit Alphorn via Shutterstock

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