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DIE MIXOLOGY VERKOSTUNGSRUNDE JULI 2016

Kokoswasser für den Teint, Kräuterbitter für den Twist. Und dazu einen knackigen Eau de Vie. Die MIXOLOGY Verkostungsrunde probt den Sommerreigen.

Zwei Gins mit deutscher Provenienz haben ebenfalls den Sprung in die Verkostungsgläser geschafft. Auch wenn einer davon eigentlich von den Balearen stammt.

Taste Nirvana Kokoswasser

Kokoswasser und Produkte daraus gehören – spätestens seit Mate-Limonaden zum Mainstream geworden sind – zum Standardrepertoire jedes gesundheitsbewussten Hipsters (besonders wir Berliner können das in täglichen Feldstudien beobachten). Marken wie etwa Fountain Of Youth oder Kopfnuss zeigen, dass das Geschäft mit dem Inhalt der zähen Nussfrucht auch jenseits von Flocken und fettiger Kokoscrème funktionieren kann. Und auch an der Bar hat mittlerweile ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der nicht mehr vor modernen Twists auch solcher Drinks wie Piña Colada zurückschreckt – z.B. gern mit reinem Kokoswasser als naturbelassenem Substitut des verschmähten Sirup oder ebenjener Kokoscrème.

In diese Reigen tritt nun auch Taste Nirvana mit einer weiten Range aus Kokoswasser-Produkten. Neben der reinen Abfüllungen gibt es unter anderem Mischungen mit Aloe Vera oder Passionsfrucht, für den Test wurde aber das klassische Kokoswasser herangezogen. Das stammt ausschließlich aus thailändischen Kokosnüssen und kommt wirklich komplett ohne Zusatzstoffe aus – keine Süßung, keine Konservierung, kein gar nichts. Allein die bauchigen Glasflaschen, dem Schutz vor Licht wegen (mutmaßlich) mit einer grünen Folierung überzogen, lassen eher ans Smoothie-Regal denken und sehen nun nicht gerade aus, als wollten sie im Rückbuffet einer guten Bar glänzen. Aber wenn man bedenkt, dass solcherlei Produkte auch eher am Tresen vermixt werden und nicht im Gebinde auf den Tisch kommen, ist solch ein Aspekt aus Bar-Sicht wohl eher unerheblich.

Zumal das Kokoswasser von Taste Nirvana aus geschmacklicher und aromatischer Sicht über jeden Zweifel erhaben ist: Ein satt-nussiges, cremiges und natürlich wirkendes Aroma macht Lust auf den ersten Schluck, und der hält, was er verspricht: Voller, zurückhaltend süßer Kokosnuss-Geschmack, der zum Glück jegliche Bounty- oder Raffaelo-Assoziation von vornherein von sich weist – mit hervorragender Bindung. Eben wirklich reiner Geschmack, der auf ein offenbar erstklassiges Ausgangsprodukt verweist. Eine absolute Probierempfehlung!

Dr. Jaglas Artischocken-Elixier

Die Wuppertaler Apothekerfamilie Jagla produziert bereits seit mehreren Jahrzehnten Kräuterbitter, derzeit unter der Regie von Christina Jagla. Da Artischocke aber als Bitterquelle derzeit etwas beliebter wird, lohnt es sich, beim Artischocken-Elixier noch einmal genauer hinzusehen und hinzuschmecken. Und auch, wenn Apothekerflaschen hinter der Bar heutzutage wieder genauso gängig sind wie Hosenträger, besticht das stringente und klare Design des Likörs, der auf eine Arznei-Rezeptur aus dem 15. Jahrhundert verweist, doch eindeutig: Ein toller Look für einen traditionsreichen Kräuterbitter, der vom Hersteller selbst u.a. als kraftvoller Digestif empfohlen wird.

Die Nase des Dr. Jagla ist zunächst ungemein herbal und ätherisch, es drängen sich dichte Noten von Eukalyptus, Estragol und Menthol in den Vordergrund, dazu kommen blumige Tönungen. Im Mund ist der „Elixier“ unfassbar raumgreifend und adstringent: Die ölig-ätherischen Komponenten dominieren auch hier zuerst das Geschmacksbild, geben aber nach der ersten „Keule“ vor allem die Nuancen von Orange und Nelke frei, es entsteht eine tolle Komplexität. Trotz der 35% Vol. ein unheimlich reichhaltiges, forderndes Produkt, das für fortgeschrittene Gaumen aber eine echte Überraschung darstellen könnte. Ebenso vielleicht ein toller Modifier in starken, klassischen Cocktails.

Cartron Vieille Prune

Dreierlei vollreife, im Spätsommer vollreif geerntete Pflaumensorten werden für die Vieille Prune aus dem französischen Traditionshaus Joseph Cartron gemischt, vergoren und destilliert. Aus rund zehn Kilogramm Früchten wird am Ende ein Liter fertiger Brand. Der so entstandene Eau De Vie wird zudem – eben „vieille“, also alt – in Eichenholzfässern ausgebaut und zur Vollendung gereift. Das alles in einem schönen, überarbeiteten und überaus klar-modernen Packaging, das das Unternehmen u.a. kürzlich auf der Pariser Cocktails Spirits vorgestellt hat.

Mit 42% Vol. ist der Cartron auf einer durchaus robusten Trinkstärke abgefüllt. Er steht mit einer schönen Bindung im Glas und beeindruckt durch eine satt bernsteinfarbene Tönung mit rotgoldener Reflexion. Er verströmt einen tollen, marmeladigen Duft reifer und kandierter Früchte, mit der für dunkles Dörrobst so charakteristischen Muskatnote. All das wird untermalt durch eine sehr prägnante Signatur des Eichenholzfasses, das aber das Aroma nicht zu sehr dominiert. Den süßfruchtigen Eindruck konterkariert der Cartron auf der Zunge mit einer eleganten Trockenheit, wie ein milder Fine-Champagne-Cognac, bevor er in ein betont obstiges Finish abgleitet. Ein beeindruckend sauberer Eau De Vie, der neben dem Purgenuss etwa vielen Brandy-Cocktails einen neuen Schwung verleihen könnte.

Oro Ibiza Dry Gin

Die Balearen sind für Gin-Freunde kein unbeschriebenes Blatt: Die spanische Gin-Liebe ist ohnehin bekannt, und Ibiza selbst brachte vor einigen Jahren mit Gin Mare einen der bekanntesten New Western Gins hervor, während auf Menorca bereits seit rund 300 Jahren traditionell Gin gebrannt wird. Der Oro Ibiza Gin hingegen stammt zwar aus Ibiza und wurde dort entwickelt, wird allerdings nun in Deutschland hergestellt. Die Flasche ist, nun ja, man kann nicht anders sagen, so, wie Gin-Flaschen heute gerne aussehen: Bauchig, mit rund-eckigem Grundriss und einem dicken Glasboden, der durch seine gelbliche Einfärbung einen blassgoldenen Schimmer in die Flüssigkeit strahlt.

Neben Wacholder ist Johannisbrot das Key-Botanical für den Oro Ibiza. Johannisbrot, oft auch bekannt als Zutat in Spezi-Limonaden, verfügt in getrockneter Schotenform über ein ölig-schokoladiges Aroma, ist dabei allerdings deutlich weniger bitter als Kakao. Im Nosing macht sich beim Oro allerdings zunächst eine recht spitze Schärfe bemerkbar, die am ehesten auf einen recht deutlichen Wacholdereinsatz schließen lässt und die bei stärkerem Schwenken eher noch an Dichte zunimmt. Daneben machen sich leider eigentlich keine weiteren Aromen bemerkbar, der Gin bleibt ein wenig eindimensional. Der Eindruck der Schärfe setzt sich zunächst trotz der moderaten 43,2% Vol. auch im Mund fort, wobei sich dort tatsächlich eine erdig-tiefe Note hinzugesellt, die für eine Öffnung sorgt und wahrscheinlich auf das Johannisbrot schließen lässt. Insgesamt fehlt es dem Oro aber auch am Gaumen an Komplexität und Feinheit. Dafür dominieren Wacholdernoten und die alkoholische Schärfe einfach zu stark. Ein Gin, der evtl. mit manchem Kräuter-Tonic eine gute Figur macht, aber zu vielen gängigen, etablierten Gins keine wirkliche Alternative darstellt. Schade!

Juniper Jack

Von den Balearen zurück nach Dresden, jedoch bleiben wir beim Gin. Und bereits der Name macht Freunde der traditionellen britische London Dry-Stilistik hellhörig: Hier soll es anscheinend gerade nicht um neumodischen Quatsch gehen, sondern ein klassischer, ein „richtiger“ Gin möchte er sein – der Wacholderhans hat „nur“ zehn Botanicals. Da schauen wir einmal darüber hinweg, dass die Flasche dem Spanier von eben in Form und Größe doch sehr ähnlich ist – wobei der Juniper Jack hier durch ein minimalistisch-verspieltes Design in Schwarz-Transparent einen schönen Akzent setzt.
Ähnlich puristisch münzt er auch seine 46% Vol. in klare, elegante Aromen um. Schöne Kräutertöne, ein wenig Süßholz und besonders die vollen zitronigen Aromen der Koriandersamen ergeben ein elegantes Aromenbild, das ganz klar „Martini Cocktail“ sagt. Diesen Eindruck kann Juniper Jack auch im Mund bestätigen, wo er sich mit einer runden Milde ausbreitet, gleichzeitig aber für einen satten Geschmackstransport sorgt: Wacholder, Zitrone und Koriander sorgen für die Schlankheit und den Punch, während weiter hinten am Gaumen Orange und auch die mit verarbeiteten Brombeeren in feinen Anklängen durchscheinen und für eine schöne Vielseitigkeit sorgen. Ein wirklich gelungener, klassischer Gin, dem man allerdings attestieren muss, dass er zum aktuellen Preis von rund 50 Euro à 0,7l leider nicht im Geringsten mit den ebenso guten, großen Gins aus dem UK konkurrieren kann. Da müsste sich schon noch was am Preis ändern.

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Credits

Foto: Foto via Sarah Liewehr.

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