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GSA-Doppelpack bei World Class

Erst Papst, dann Fußball-Weltmeister und jetzt zwei Kategoriesiege bei der „World Class“! Weder Gottvertrauen, noch Teamleistung, sondern der Kreativität von Maxim Kilian und Reinhard Pohorec verdankt sich die Würdigung der deutschsprachigen Barszene in London. Da ging selbst die Kür des Gesamtsiegers, Charles Joly aus der Chicagoer „Aviary“-Bar, unter.
Der Sieger aus der stilbildenden Bar des US-Starkochs Grant Achatz beeindruckte von Anfang an mit seiner unglaublichen Präzision. Locker plaudernd etwa bereitete Charles Joly bei der ansonsten eher atemlos machenden „Cocktails against the clock“-Runde seine Drinks zu. Die oft als reines Zeitgeist-Vokabel abgetane „liquid kitchen“ verstand man hier wirklich. Gemeinsam mit dem französischen Finalisten Mido Yahi und dem vor allem beim weiblichen Fachpublikum beliebten Italiener Claudio Perinelli zählte er spätestens ab der Reduktion des Feldes auf die letzten acht zu den Favoriten.
Bartour zu den Ikonen
47 Landes-Sieger und der beste Cruise Ship-Bartender waren in Edinburgh und London zur sechsten von Diageo veranstalteten „World Class“ angetreten. Ein gutes Zehntel davon stellten Bartenderinnen, die erfolgreichste unter ihnen, Kaoki Kurakami (High Five, Tokio/Japan), belegte die letzten Acht. Dazwischen gab es Bartouren in der Cocktailmetropole, die von Artesian über Nightjar bis White Lyan und Whisky Mist nichts ausließen, die ikonischen Hotelbars Connaught, Claridges, Savoy und Ritz inklusive.
Trophy statt Trostessen

„Ich habe keinen Drink vergeigt und alles gegeben“, sinnierte Reini Pohorec nachdem ihm eröffnet wurde, dass seine Punkte nicht zum Finale der besten 16 gereicht hatten. Endstation in der ersten Eliminationsrunde. Ein Schicksal, das der Wiener mit seinem Landsmann Andy Trattner, der die Cayman Islands vertrat, dem Schweizer Alexandros Nicolaides und Maxim Kilian vom „The Parlour“ in Frankfurt teilte. Der überraschend frei gewordene Platz im „Dinner“ bei seinem kulinarischen Helden Heston Blumenthal sollte als Trost fungieren. Am Ende stellt sich das Sternessen nur als Hors d’oeuvre für den größten Erfolg in der Karriere des 25-jährigen MIXOLOGY-Autors heraus.

Das Meer für alle Sinne
Mit eingespieltem Meeresrauschen, einem Bett aus essbarem Muschelsand und knusprigen Algen legte der demnächst in der Wiener „Tür 7“-Bar beginnende Pohorec die Basis für die alle Sinne ansprechende Präsentation seines „Eau de vie“. Seine Kombination aus Singleton Whisky, einem Meeresfrüchte-Sirup mit Algen- und Distelbittern wurde entsprechend auch in Muschelgehäusen aus Porzellan serviert. Der Sieg in der „Sinnes“-Kategorie war ihm damit nicht zu nehmen. Schließlich sind multisensorische Drinks ein Steckenpferd des Wieners, was auch seine auf Rinde und Moos servierte „Reminiszenz an einen Waldspaziergang mit meinem Großvater“ zeigte: Waldsirup mit Pilzen, Fichtenessenz-Butter und Apfelsaft kamen hier mit Johnnie Walker Gold Reserve zum Einsatz.
Ironie in der Tee-Kanne
Maxim Kilians siegreiche Beiträge zum Thema „Fünf Sterne“-würdige Drinks bestanden zunächst im ironisch-englischen „Would you mind“. Der Twist auf einen Derby wurde in einer Teetasse serviert und kombinierte Bulleit Rye mit Wermut, Orangenmarmelade, Limettensaft sowie China Bitter und einen selbst gemachten Zitronen-Kamillen-Bitter. Serviert wurde er mit einem Regenschirm und hinter einer Absperrung, um die britische Vorliebe zum Queue-ing zu ironisieren. Beeindruckender und letztlich ausschlaggebend für den Kategorie-Sieg wurde der „Mero Mero“.
Der Titel „stammt aus dem mexikanischen Bandenslang und bezeichnet jeweils den Boss“, so Kilian. Der Tequila Sunrise-Twist des Frankfurters verwendete neben Don Julio Reposado, der mit Granatapfel und Hibiskus infusioniert wurde, ein selbstgemachtes Orangen-Gewürznelken-Soda. Pastellige Rezeptkarten und eine eisdielen-sommerbunte Deko ergänzten den Siegerdrink.
Die Wertigkeit für die Branche
Ehe jetzt die Berufspessimisten kommen und mosern, dass es halt doch „nur“ Kategoriesiege wären, die Kilian und Pohorec eingefahren haben, sei noch etwas deutlich herausgestrichen: In den ersten vier Runden galt es, besser als 47 Mitbewerber zu sein. Bei „Speed and Taste“ hingegen, dem Mixen gegen die Uhr, das der spätere Gesamtsieger Charles Joly so unglaublich bewältigte, standen nur mehr sechs Bewerber am Tresen. Abgesehen davon sicherten sich die Teilnehmer aus der Schweiz, Österreich und Deutschland bisher in allen sechs World Class-Finales außer 2012 zumindest einen Kategorie-Sieg.

Die „Hall of Fame“ 2014
Aber genug des Stolzes auf die aktuelle und die beständige Präsenz der heimischen Bartender in den Diageo-Annalen (die tatsächlich in Jahrbuchform erscheinen); hier die komplette Siegerliste der Edinburgher und Londoner Wettbewerbsteile:

Noch gerührter als die Sieger war nur der Nachtportier der Jugendherberge, den „Savoy“-Barlegende und World Class-Judge Peter Dorelli zum Ehrenbartender ernannte. Die inoffizielle (und mangels Ausschanklizenz illegale) Biertankstelle rettete manche Afterhour mit Cumberland Ale und ließ im morgendlichen London sogar so etwas wie Prohibitionsfeeling aufkommen. Mal sehen, was die World Class 2015 – sie wird in Kapstadt stattfinden – da zu bieten hat.

Credits

Foto: Fotos via Diageo World Class

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