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Braukunst Live!

700 Biere an drei Tagen

Bier. Vielfalt. Entdecken. So lautet das Motto der Braukunst Live! Biermesse in München nun bereits im dritten Jahr. Zurecht, wie vom 21. bis zum 23. Februar im MVG Museum deutlich zu beobachten war. Das Bewusstsein, dass Bier nicht nur ein erfrischender Durstlöscher, sondern zudem ein aromenreiches, komplexes Genussmittel sein kann, erreicht zunehmend die Verbraucher.

„Knapp 100 Brauereien aus zehn Ländern aus der gesamten westlichen Hemisphäre repräsentieren hier in München die weltweite Biervielfalt, die wir auf der Braukunst Live! nun mit mehr als 700 Bieren verkosten dürfen“, kündigt Veranstalter Frank Böer zu Beginn der dreitägigen Brauspezialitätenveranstaltung die eindrucksvolle Auswahl an. Der Besucherandrang an allen drei Tagen, die Internationalität des Angebots und die Qualität der Fachgespräche zeigen, dass die Veranstaltung eine Entwicklung als Pionier der Craft-Beer-Bewegung in Deutschland, zu einer festen Größe im Jahreskalender eines jeden Bierliebhabers genommen hat. Wegbereiter eines neuen Umgangs mit Gerstensaft. Und das bereits im dritten Jahr.

Die Magie der internationalen Mischung

Es ist eine besondere Bierveranstaltung, nicht nur, weil dort zuweilen die Hopfenkönigin im Dirndl neben dem Craft-Beer-Punk im Irokesen plaudert. Die Messe ist eine Veranstaltung für Endverbraucher, versammelt aber gleichzeitig einige der relevantesten Protagonisten der aktuellen Bierentwicklung unter einem Dach. Braumeister und Brauereibetreiber sind persönlich vor Ort und treffen auf versierte Bierblogger, erfahrene Verkoster und kritische Fachjournalisten. Gleichzeitig kommen an den zahlreichen Ständen etliche Besucher zum allerersten Mal mit dem Facettenreichtum eines Imperial Stouts, eines Double IPAs oder eines fassgereiften Bockbieres in Berührung. Diese Mischung macht die Magie. Vielfältiges Verkosten und intensiver Austausch auf hohem fachlichen Niveau, das kann und will sich Niemand in der Bierszene entgehen lassen.

Neben dem Probieren und Fachsimpeln an den einzelnen Ständen, bereicherten weitere Programmsegmente das abwechslungsreiche Wochenende. Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussionen, sachkundig moderiert durch das Team von Bier-Index.de, kamen streitbare Themen rings um Craft, Industriebier, Fehlentwicklungen und Reinheitsgebot auf die Tagesordnung. Seminare, Masterclasses und Verkostungen boten Aufschlussreiches zu Hopfenkunde, experimenteller Fassreifung und internationalen Trends. Einige Highlights: Pilsner Urquell demonstrierte mit der Küchencrew der Kitchen Guerilla, wie vielfältig eine Abstimmung von Speise und Bier schmecken kann. Dabei verwendete Pilsner Urquell zu jedem Gang das gleiche Bier, das unfiltrierte Urquell, servierte es aber in unterschiedlichen Gläsern mit unterschiedlicher Schaumausprägung und demonstrierte so die geschmackliche Wandelbarkeit. Die Brewers Association aus den USA nahm erstmals Teil und schiffte eine Vielzahl an Produkten über den Atlantik, um dem Münchner Publikum den beeindrucken Stand der Brauqualität zwischen New York und San Francisco nahe zu bringen.

Klassisches, Craft und Lebensfreude

Das Team von Bukanter begeisterte mit ihrem Bierstachel, mit dessen Hilfe ein kühles Bier einen heißen Schaum erhält und zu einem hoch spannenden Geschmackserlebnis wird. Einige Vorreiter der deutschen Craft-Brewing Community betrieben einen Gemeinschaftsstand und demonstrierten, dass Craft gleichzeitig Geschmack, Gesicht und Lebensfreude zeigt. Aus allen Ecken Deutschlands waren sie angereist: BrauKunstKeller, Schoppe Bräu, Kreativbrauerei Kehrwieder, Ale Mania, Pax Bräu und der Hopfenstopfer. Die Aussteller aus Österreich bewiesen, dass sie in Qualität und Erfahrung bei so manchem Sud die Nase vorn haben, gegenüber einigen vergleichbaren Produkten aus Deutschland. Und Veranstalter Frank Böer verwies zu Recht darauf, dass man neben dem Hype rings um India Pale Ale und US-Aromahopfen nicht vergessen sollte, welche Qualität und Vielfalt alleine die klassischen einheimischen Bierstile vermitteln können. Am Gaumen bewiesen dies Brauereien wie Maxlrainer, Schwarzbraeu oder die Private Landbrauerei Schönram. Großartig auch, wenn der amtierende und der ehemalige Biersommelier-Weltmeister spontan vor laufenden Kameras eine Kollaboration von Riegele und Kehrwieder beschließen und ankündigen, einen gemeinsamen Sud einzubrauen, oder wenn der Technikchef aus der Geschäftsleitung von Bitburger am Stand von CraftWerk mit Hingabe und ansteckendem Strahlen persönlich die Biere zapft.

Kleine Irritationen

Schwachpunkte offenbarte die Messe nur wenige und die waren dann wohl dem beeindruckenden Besucheransturm geschuldet, der zu einer 40 Meter langen Schlange am Einlass, überfüllten Toiletten und stockendem Glasnachschub führte. Alleine an Auftreten und Ton der Security ließe sich noch feilen. Es wäre doch zu schade, wenn die positiven Schwingungen der Veranstaltung durch derart offensive Grobian-Auftritte beeinträchtigt würden. Warum die Messe einen Verkaufsstand für Schottenröcke benötigt, bleibt womöglich der Liebhaberei des Veranstalters geschuldet, oder hatte sich in der Woche vertan und die Finest Spirits Messe knapp um sieben Tage verfehlt. Der klein karierte Stand erhielt kurzerhand jenen Bereich, der ursprünglich für Mixology – Magazin für Barkultur und Brewberlin vorgesehen war, was für Irritationen sorgte, da Brewberlin die Abstimmung zu den beliebtesten Bieren der Messe ausrichtete und die Wahlbox durch die Besucher nun andernorts aufgespürt werden musste. Die Ergebnisse der Abstimmung werden in Kürze präsentiert. Neben der Stimmabgabe kreierte das Brewberlin Team eine Auswahl an Herrengedecken, die auch den Damen munden sollten. Publikumsrenner dabei wurde eindeutig der gereifte Blue Mauritius Rum, gepaart mit einem italienischen Himbeerbier der Brauerei Toccalmatto.

Nord-Süd-Gefälle

Eine faszinierende Beobachtung schilderte Olav Vier Strawe, Betreiber der Woodfour Brewery in Kalifornien und Mitbegründer der Berlin Beer Academy, der die Wahrnehmung amerikanischer Biere in Deutschland sorgfältig studiert: „Ein erstaunliches Nord-Süd-Gefälle. Eine ähnliche Auswahl an Bieren präsentierten wir ebenfalls bei Veranstaltungen in Berlin. In München wurden gänzlich andere Biere nachgefragt. Was im Norden Ladenhüter war, ist plötzlich Top-Seller. Und umgekehrt.“ Wir werden das beobachten.

Als die Pforten der Braukunst Live! sich am Sonntag schlossen, erfüllte viele der Aussteller und Besucher bereits die Vorfreude auf die nächste Ausgabe in 2015. Wir werden sehen, wie rasant die Brauszene sich bis dahin erneut weiterentwickelt. Frank Böer resümiert zu Recht: „Wir müssen nicht über das Reinheitsgebot streiten. Wir müssen gutes Bier mit Lebensfreude verbinden. Es herrscht unglaubliches Wachstum in diesem Markt. Beim Bier. Genießen wir es!“

Credits

Foto: Thomas B. Jones

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