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Der Adonis Cocktail ist mehr als nur schön anzuschauen

Vom Broadway in die Cocktail-Geschichtsbücher: Der Adonis Cocktail ist ein Aperitifdrink, der ein wenig im Schatten des bekannteren Bamboo Cocktails steht. Vor allem aber ist der Adonis ein Drink, mit dem sich wunderbar an das Thema Sherry herantasten lässt.

Es gibt Cocktails, die bestellt man aufgrund ihres Namens; oder fasst sie deswegen zumindest näher ins Auge. Ist einfach so – so, wie man nach einer Sekunde weiß, ob man jemanden sympathisch findet oder nicht. Sorry, Mulata, du bist köstlich, aber die richtige, neurologische Klaviatur spielst du nicht gerade.

Beim Adonis ist das anders. Es ist ein gewitzter Name, der Interesse weckt, ein Drink gleichermaßen für Selbstverliebte wie für Ironiker. Vor allem aber: Ein perfekter Cocktail, um sich dem Thema Sherry zu nähern.

Adonis Cocktail

Zutaten

6 cl Sherry (Amontillado, Palo cortado oder Oloroso)
3 cl roter Wermut
2 Dashes Orange Bitters

Adonis: vom Broadway in die Cocktailgeschichte

Zuerst ein kurzer Abriss der Geschichte: Benannt ist der Adonis Cocktail vermutlich nach einem gleichnamigen Broadway-Stück, das zwischen 1884 und 1886 aufgeführt wurde. Eine erste schriftliche Erwähnung lässt sich bis ins Jahr 1887 zurückverfolgen, erstmals als Rezeptur niedergeschrieben findet sich der Adonis Cocktail jedoch deutlich später bei Jacques Straub in dessen A Complete Manual of Mixed Drinks aus dem Jahre 1913. Dort steht er mit 1/3 Sherry und 2/3 italienischem Wermut (und zwei Dashes Orange Bitters) zu Buche. Eine Seite weiter findet man den – womöglich bekannteren – Bamboo mit 2/3 Dry Sherry und 1/3 italienischem Wermut (und einem Dash Orange Bitters.)

Wermut entscheidet über Digestif und Aperitif

Interessant ist das aus zweierlei Gründen: Erstens würde es den Adonis historisch eigentlich als Wermut-Drink ausweisen. Zweitens ist der Bamboo ebenfalls mit italienischem Wermut aufgeführt. Letzterer geht jedoch mit trockenem (historisch: französischem) Wermut in die Geschichtsbücher ein und wandert auf die Digestifseite, während der Adonis mit süßen (historisch: italienischem) Wermut seinen Stamm auf der Aperitifseite pflanzt.

Aber: Beides sind heute eindeutig Sherry-Drinks. Rezepte wie jene bei Jacques Straub stehen somit vor allem symbolisch dafür, dass Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts eine Kombination aus Sherry und Wermut eine modische Selbstverständlichkeit waren und dementsprechend viele Cocktails damit erfunden wurden. So finden sich mehrere Namen für Drinks, die sich aus Sherry, Wermut und Bitters zusammen setzten, wie etwa der Marine Cocktail, der in einer Zeitung aus dem Jahre 1889 erwähnt wird, oder der Amour Cocktail.

Im „A Complete Manual of Mixed Drinks“ von Jacques Straub wurde die Rezeptur des Adonis Cocktail 1913 erstmals schriftlich festgehalten

Die Wahl des Sherrys ist ausschlaggebend

Im Cocktailkosmos hat Sherry heute jedoch keinen leichten Stand. Progressive Bars wie das Berliner Velvet setzen Sherry zwar häufig in ihren Kreationen ein, er spielt dort aber vielmehr das Zünglein an der Waage, weniger den Hauptdarsteller.

Dieser Einsatz zeigt aber auch die Vorzüge des verstärkten, spanischen Weißweines: Er ist ein vergleichsweise leichtes Produkt, das durch die Fasslagerung ein komplexes, lange anhaltendes und vor allem extrem eigenständiges Aroma bildet, das oft erst am Ende in Erscheinung tritt. Sherry überlässt im Verbund den lauteren Geschmäckern gerne die Bühne, bevor er am Ende nochmal schelmisch den Kopf durch den Vorhang steckt.

In einem Adonis Cocktail kommt seine aromatische Dichte jedoch gleich voll zur Geltung. Es gibt Rezepte, die ein Verhältnis 1:1 von Sherry und Wermut vorsehen. Aber wir finden, ein Verhältnis von 2:1 Sherry zu Wermut entspricht einer modernen Rezeptur – bezeichnet man einen Adonis doch auch gerne als einen „Sherry Manhattan“.

Und in diesem sollte Sherry auch die Hauptrolle spielen. Idealerweise ist das ein kräftiger, nicht ganz staubtrockener Sherry wie ein Amontillado, Palo cortado oder Oloroso. Jene Sorten entstehen – im Gegensatz zu den filigraneren, sehr trockenen Sorten Manzanilla oder Fino – unter oxditativem Einfluss und bilden ausgeprägtere Nussnoten, die sich besser gegen die kräuterige Wucht des Wermuts durchsetzen.

Mit einem Adonis Cocktail dem Thema Sherry nähern

Aber natürlich lädt der Adonis Cocktail – ein Zwei-Komponenten-Drink – an diesem Punkt zum Experimentieren ein. Ein Wermut mit kräftiger Bittere wie ein Punt e Mes gibt einem Adonis eine andere Dimension, kann durch einen lieblicheren Sherry aber wieder ausgeglichen werden.

Definitiv ist der Adonis ein Drink, der nach Bitters verlangt. Diese sorgen für die entscheidende, spielerische Leichtigkeit. Die original vorgesehenen Orange Bitters verleihen dem Drink einen perfekte, blumige Frische, aber auch Angostura Bitters halten den Drink stabil und lassen ihn nicht in eine zu starke Würzigkeit abgleiten.

In Summe ist der Adonis ein hervorragender Drink, um sich dem Thema Sherry anzunähern. Da es sich bei seinen beiden Hauptkomponenten um fortifizierte Weine mit nicht zu starkem Alkoholgehalt handelt, ist er auch in seiner Wirkung tatsächlich ein Aperitif; im Gegenteil etwa zu einem Negroni, einer der Aperitifdrinks schlechthin, der einem auf nüchternem Magen aber durchaus zusetzen kann.

Und last but not least: Schön anzuschauen in seiner goldbraunen Farbe ist der Adonis natürlich auch …

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

Comments (1)

  • Stephan

    Schön, dass hier das Thema Sherry einmal wieder erwähnt wird. Eine Bar, die Sherry für Cocktails verwendet, hat immer etwas sehr Elegantes. Aber eine Sache im Artikel verstehe ich nicht. Warum soll der Cocktail mit trockenem Wermut ein Digestif sein? Das wäre aus meiner Sicht eher ein Apéritif. Ein Durch den Wermut sind sowohl Bamboo als auch Adonis Apéritife. Ob trockener oder süßer Wermut – das sollte von dem sich anschließendem Gericht abhängig sein.

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