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Alkohol und seine Wirkungsarten auf den Körper – Heinz Kaiser im Interview

MIXOLOGY ONLINE hat Heinz Kaiser, seines Zeichens Apotheker und Barchef im Wiener Dino´s, ein paar Fragen zum Thema Alkoholwirkung gestellt. Vorab sei gesagt, dass dieses Thema unglaublich komplex ist und mit ein paar Antworten nicht vollständig geklärt werden kann.
Die chemischen Reaktionen, während der Fermentation und der Destillation, die bei verschiedenen Spirituosen sehr unterschiedlich ablaufen, sind viel zu komplex, um sie in kurze Erklärungen zu fassen – und teilweise sind diese auch nicht analytisch erforscht. Dieses Interview soll einen kleinen Überblick geben.

MIXOLOGY ONLINE: Lieber Heinz, Rausch ist nicht gleich Rausch. Warum wirken manche alkoholische Getränke anders, obwohl sie gleich viel Volumenprozent haben?

Heinz Kaiser: Weil neben dem reinen Ethanol noch andere Substanzen mitdestilliert werden, die je nach Ausgangsmaterial, Fermentations- und Destillationsmethode variieren. Das sind Stoffe wie Methanol, höherwertige Alkohole, Ester, Ketone, Ether, Schweb- und Inhaltsstoffe aus dem Holz bei Fasslagerung. Diese Stoffe werden im Körper unterschiedlich gut (oder eben schlecht) oxidiert, metabolisiert und enzymatisch abgebaut. Je länger sie dabei im Körper verweilen, desto mehr Schwierigkeiten bereiten sie uns in Form von Katersymptomen.

Nur ein Beispiel: Alkohol ist sehr reaktiv und bildet mit anderen Reaktionspartnern, z.B. Wasser, sogenannte azeotrope Gemische, die sich physikalisch von den beiden Einzelbestandteilen unterscheiden, er verhält sich also wie eine Einzelsubstanz, obwohl er ein Gemisch ist. Das ist der Grund, warum man Alkohol auf dem Wege der Destillation nur maximal zu 96% Vol. destillieren kann, die restlichen 4% sind das azeotrope Gemisch Ethanol-Wasser, das so nicht mehr trennbar ist. Soviel zur Theorie.

MIXOLOGY ONLINE: Warum hört man immer wieder, dass der Tequilarausch ein ganz schlimmes Luder ist?

Heinz Kaiser: Bei allen Arten der Destillation weiß man, dass giftiges Methanol zuerst destilliert, da es ein kleineres Molekül als Ethanol, also Trinkalkohol, ist, und daher einen niedrigeren Siedepunkt hat. Nur bei Tequila ist das leider nicht so. Bei der Tequilaproduktion destilliert Methanol am Ende! Es zieht sich daher durch die gesamte Destillation, was zur Folge hat, dass Tequila zwangsläufig immer einen höheren Methanolgehalt hat als andere Spirituosen. Diese Anomalie wird mit der Bildung eines Azeotrops zwischen dem Methanol und einem anderen Bestandteil im Mosto erklärt. Bei Tequila werden toxische Konzentrationen natürlich nicht einmal annähernd erreicht, aber es reicht aus, um einen Tequilarausch als wesentlich unangenehmer und gravierender zu empfinden, als einen “normalen” Rausch.

MIXOLOGY ONLINE: Methanol kommt im Vorlauf vor, und macht anscheinend blind. Ethanol ist Trinkalkohol, der im Mittellauf oder Herzstück überwiegt. Wie werden beide Substanzen im Körper abgebaut?

Heinz Kaiser: Methanol wird im Körper so wie Ethanol enzymatisch-oxidativ abgebaut. Ethanol wird rasch zu Acetaldehyd abgebaut, und dieses dann nur langsam zu Essigsäure, was dazu führt, dass sich das “giftige” Acetaldehyd im Körper ansammelt und die typischen Symptome des Rausches verursacht: Schwindel und Übelkeit. Die Essigsäure, die den Körper zwar übersäuert, ansonsten aber “ungiftig” ist, bedingt einen Großteil der Katersymptome am nächsten Tag, also Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Sodbrennen, allgemeines Unwohlsein, Übelkeit.

Methanol wird relativ rasch über Formaldehyd zu Ameisensäure abgebaut. Diese wird aber wesentlich langsamer ausgeschieden, als sie aus Formaldehyd gebildet wird, und sammelt sich daher im Körper an. Noch dazu wird sie wesentlich langsamer ausgeschieden als Essigsäure, und sie ist wirklich giftig. Das heißt, in höheren Konzentrationen bewirkt sie im Körper eine metabolische Azidose, die sowohl reversible als auch irreversible Nervenschädigungen verursacht und im Extremfall zu einer tödlichen Atemlähmung führen kann. Du siehst also, wie komplex das Thema ist – und das war nur die Erklärung für eine von unzähligen chemischen Reaktionen, die während der Fermentation den Charakter des Destillats beeinflussen.

MIXOLOGY ONLINE: Die Verträglichkeit von Alkohol variiert von Mensch zu Mensch und wirkt sich unterschiedlich aus. Warum ist das so? Ein Bekannter behauptet, den Whiskyrausch empfände er als den „romantischsten Rausch“. Und jemand anders wird aggressiv, wenn er Weißwein trinkt. Hast Du dafür eine Erklärung, oder hast Du ähnliche Erfahrungen gemacht mit Deinen Gästen?

Heinz Kaiser: Medizinisch gesehen gehört Alkohol zu den sogenannten “dämpfenden” Drogen, macht also müde, langsam und träge. Aber wie wir wissen, reagieren viele Menschen in einem individuell unterschiedlichen “unteren” Dosisbereich paradox: sie werden munter und lustig. In Kombination mit den unterschiedlichen Begleitsubstanzen, die bei Fermentation und Destillation entstehen und den unterschiedlichen, persönlichen Erfahrungen –  Erinnerungen und Emotionen, die wir mit verschiedenen Spirituosen verbinden –, ergibt sich dieses unterschiedliche Erleben von z.B. Whisky, Rum oder Vodka.

MIXOLOGY ONLINE: Ein Arzt hat einmal behauptet, der „gesündeste Drink“ der Welt sei Vodka mit Preiselbeersaft? Was hältst Du davon?

Heinz Kaiser: Auch hier ist es sehr schwierig, Verallgemeinerungen anzustellen, aber der Arzt hat schon recht: Vodka ist der “reinste” Alkohol, hat also sehr wenige Begleitstoffe, wie sie auch bei der Fasslagerung in die Spirituose gelangen, die die Alkoholverträglichkeit mindern könnten, und Cranberrysaft hat einen extrem hohen Vitamin-C-Gehalt (wenn er frisch ist). Ob Vitamin C direkt beim Abbau des Alkohols hilft, ist strittig, aber man weiß, dass Alkoholkonsum den Vitamin-C-Spiegel im Körper senkt, und es ist Teil des Entgiftungssystems des Körpers. Es kann also keinesfalls schaden. Erfahrungsgemäß gilt allgemein: frische Säfte verbessern aufgrund ihres Vitamingehalts die Alkoholverträglichkeit.

Comments (6)

  • Sehr interessanter Artikel. Allerdings gibt es zu Beginn einen Punkt, der nicht ganz schlüssig ist.
    “Bei der Tequilaproduktion destilliert Methanol am Ende! Es zieht sich daher durch die gesamte Destillation,[…]”
    Aufgrund seiner kleineren Molekülgröße hat Methanol eine geringere Siedetemperatur als Ethanol. Wenn es, wie beschrieben, bei Tequila aufgrund eines azeotropen Gemischs erst am Ende der Destillation “übergeht”, folglich also eine relativ hohe Siedetemperatur hat, wie kann sich Methanol dann durch die gesamte Destillation ziehen?

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  • Flo

    Großartiger Artikel! Danke dafür!
    Dass sich das Methanol durch die gesamte Destillation zieht, sollte ebenfalls an der Zusammensetzung des Mostes der zur Destillation verwendet wird liegen. Trennung von Azeotropen durch Destillation kann dadurch erreicht werden, dass man sogennate Schleppmittel einsetzt (meist organische Moleküle) die nach und nach einen der Bestandteile aus dem Azeotrop entfernen. Da der Most des Tequila aus vielen verschiedenen organischen Molekülen besteht wird sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit über die gesamte Dauer der Destillation ein Stoff finder der Teile des Methanol aus dem Azeotrop entfernen kann und schon findet sich Methanol in kleinen Mengen über die gesamte Destillation verteilt.

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  • sascha

    nein – rausch ist tatsächlich nicht gleich rausch. aber so oder so killt er den eigenen körper. insoweit sollte man doch bitte grundsätzlich nach dem http://www.kenn-dein-limit.de motto leben was NICHT unsinnigerweise derzeit überall gepredigt wird!

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  • Martin

    Ein wunderbarer Mensch und fantastischer Barmann. Chapeaux Heinz.

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  • Katrin

    …wie nüchtern man einen Rausch betrachten kann!
    Wo bleiben die Aspekte der beschwingenden, euphorisierenden, aphrodisierenden, beruhigenden, denverstandschärfenden, sinnschärfenden, (…) Wirkungen. Champagner. Rum. Verschiedene Whiskeys…. ?
    Und den (subtilen, genussvollen) Rausch gibt es auch immer schon weit vor dem Limit…

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  • Peter Winter

    Guter Artikel, aber, es muss einmal gesagt werden: Bitte Rechtschreibprüfung vornehmen. Ansonsten: Weiter so!

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