Verwässerung, Kalkulation, Haltbarkeit: Alkoholfreie Destillate in Cocktails und ihre Praxistauglichkeit
Die Wiener Bar-Community hat den „Dry January“ genutzt und der Trend-Kategorie „Alkoholfreie Destillate“ auf den Zahn gefühlt. Wo es beim Mixen „ohne“ hakt, welche Cocktails funktionieren und welche Probleme unüberwindlich scheinen – wir haben die Tipps und Bedenken aus der Praxis in fünf Punkte verpackt.
Man könnte verbal das große Fass aufmachen: Wenn weite Teile der Barszene am Aufsperren gehindert werden, bekommt schließlich der Verzicht im „Dry January“ (für Internationalisten) oder der Fastenzeit (für Katholiken und Detoxer) ein existenzbedrohendes Gepräge. Geist und Körper fit halten für den Einsatz an keinem Tresen?
Aber lassen wir das. Denn die „Vienna Bar-Community“ wollte mit ihrer Veranstaltung den Lockdown nicht mit weiterem Jammern ausfüllen. Stattdessen lud man gemeinsam mit Getränkehändler Del Fabro-Kolarik zum Online-Symposium. Kurios war der Beginn der praxislastigen Session. Denn mit dem Titel „Alkoholfreie Destillate“ haderte selbst der Moderator. Womit wir beim ersten Problem wären.
1) Alternatives Faktum: Getränke ohne Namen
MIXOLOGY-Autor und Bartender Reinhard Pohorec („Tür 7“) verwies nämlich auf die auch hierorts bereits thematisierte Rechtslage: Eine „Spirituose“ ist in den meisten Ländern gesetzlich über den Alkohol definiert. In der EU sind das mindestens 15% Vol., in Australien („a potable alcoholic distillate“) sogar 37%. Damit agiert nicht nur mancher Hersteller im rechtlichen Graubereich, wenn er „alkoholfreie Spirituose“ auf das Etikett schreibt.
Andererseits muss man für einen korrekt gelabelten „distilled non- alcoholic alt-gin“ (so die Eigendefinition des schwedischen „Ceder’s“) schon ein ziemlicher Auskenner sein. Für die Barkarte stellt sich nämlich pragmatisch nur eine Frage: Wo liste ich die neue Wunderwässer? Der ohne Promille gemixte „Gin & Tonic“ dürfte zwar nicht so heißen – auch Gin ist per Mindestalkohol definiert – hat aber wenigstens einen logischen Platz. Doch was ist mit Eigenkreationen? Zwischen Mineralwasser und Cola platzieren? Oder in eine eigene Liga? Nur: Wie heißt die dann? Zumal die meisten Produkte dem Pur-Konsum geradezu abhold sind.
2) Die (wässrige) Lösung ist Teil des Problems
Die semantische Abgrenzung kriegt man sicher irgendwie hin. „Bleifrei“, „Für Autofahrer“ oder ähnliche Formulierungen erinnern zwar an die frühere „Shirley Temple“-Ecke, aber erklären die Sache zumindest, ohne es zu kompliziert werden zu lassen.
Gegen die Physik zu arbeiten, ist schon deutlich weniger leicht. „Das Mundgefühl ist schwierig“, formulierte Sigrid Schot aus der Hammond Bar ein generelles Problem der meist auf Wasserbasis („Hydrolat“) gefertigten Alkoholfreien. „In der Nase ist das Aroma da, der Geschmack aber ist schnell weg“, zog Zoran Djurovic (First American Bar) das kritischste Fazit in der digitalen Wiener Runde. Und Reinhard Pohorec ergänzte das offene Geheimnis, das dem Mundgefühl auch nachgeholfen wird: Nachdem mehrheitlich Wasser in den Flaschen ist, seien eben auch Verdickungsmittel Usus. Allerdings wies er auch auf die Bereicherung des Getränkeangebots hin: „Wo früher der Fruchtsaft regierte, können wir heute spannende herbe, würzige, kräuter-lastige Drinks reichen.“
Bridge & Tunnel
Zutaten
5 cl Ceder ‘s Wild
3 cl Martini Floreale
2 cl Verjus
1 cl Rosen-Milch-Sirup*
3) Was ohne Alkohol fehlt
Ob sich die neuen Alternativen dafür auch eignen, testeten die Bartender allesamt selbst. Getränkehändler Del Fabro-Kolarik hatte 12 Flaschen gängiger Spirituosen-Alternativen aus dem Sortiment – von Martinis „Zero“-Varianten über Seedlip, Ceder’s, Undone, Rick Free (Gin-Ersatz aus Österreich) bis Lyre’s – zur Verfügung gestellt.
Das erste Fazit war zur Kategorie passend. Ernüchternd! „Ich hatte mir das einfacher vorgestellt“, gab Bar-Consultant Daniel Schober zu, der sich intensiv mit dem promillefreien Paket auseinandergesetzt hatte. Auch für ihn ist die leichte Konsistenz das Hauptproblem im Cocktail-Einsat. Dem er aber nach einigen Experimenten gemeinsam mit Bert Jachmann (Liquid Market) zumindest bei alkoholfreien Sours begegnete: „Die ätherischen Öle der Zitruszesten machen das Kraut fett“, rät er dazu, Zitrusfrüchte mit zu shaken oder zu muddlen, anstatt nur den Saft zu verwenden.
Eine andere Lösung bevorzugt Sigrid Schot, die immer schon alkoholfreie Cocktails anbot. Sie arbeitet für das sattere Mundgefühl in der Hammond Bar gerne mit einem Milchsirup. Shaken sollte man die No-ABV-Drinks jedenfalls möglichst kurz, „um die die zarten Aromen nicht noch mehr zu verwässern“, so Schots Erfahrung. Und ein erstes Rezept, den Bridge & Tunnel (angelehnt an den „20th Century Cocktail“), lieferte sie dazu mit.
4) Die Preis-Frage lautet: Wie kalkulier’ ich das?
„Dem Gast das Gefühl zu geben, dass es um ihn geht“, sei durchaus ein Argument für alkoholfreie Destillate, so Tür 7-Eigentümer Geri Tsai. Schließlich sollen sich auch Gäste wohlfühlen, die – aus welchen Gründen auch immer – gerade auf Alkohol verzichten.
Tatsächlich würden einige Drinks gut laufen, bestätigt Katharina Schwaller (D-Bar, Ritz-Carlton). Der sommerliche No Americano (3cl Martini Vibrante, 5cl Crodino Rosso, 0,5 cl Amalfi Lemon Cordial, 6cl Soda, siehe Aufmacherbild) beispielsweise hätte sich von der Rooftop-Bar mittlerweile im ganzen Hotel verbreitet. „Und er funktioniert auch als Heißgetränk gut.“ Diese Nachfrage wirft aber eine weitere Frage auf. Denn die Abfüllungen kosten in der Regel gleich viel wie – teils jahrelang gereifte – Spirituosen. Oder, in den Worten Sigi Schots: „Kalkulationstechnisch sind die Produkte eine Katastrophe.“
Wobei sich die Bars dabei teilweise selbst im Weg stehen: Wenn die Getränke nämlich als reiner „Ersatz“, als vegane Bratwurst der Cocktails, angeboten würden. „Die neuen Produkte werden den Spirituosen nie nahekommen“, unterstrich Philipp Schwarzendorfer (Everybody’s Darling). Daher könnten auch nur schwer zehn bis zwölf Euro für Cocktails ohne Alkohol verlangt werden. Aromatisiertes Wasser gäbe es auch günstiger. Kleiner Exkurs: In der Tat wurde auch der schlichte Ersatz der teuren Flaschen durch Tees diskutiert. Auch da ist von fruchtig bis rauchig alles vorhanden. Doch zurück zur neuen Bar Everybody’s Darling. Dort findet sich bei allem Skeptizismus unter den beliebtesten zehn Drinks auch ein alkoholfreier Cocktail. Den Gin or no Gin führt die Tagesbar um zehn Euro auch ab der frühen Öffnungsstunde als Café. Aber eben als Ergänzung und unter einem eigenen Menü-Punkt, fernab des eigentlichen Cocktailangebots.
Gin or no Gin
Zutaten
5 cl Ceder ́s Wild (mit Jasmin-Tee infundiert)
4 cl Himbeermark
2 cl Zitronensaft
1 cl Zuckersirup
Fever Tree Sicilian Lemonade
No time to fly
Zutaten
3 cl Courvoisier VSOP
4 cl Martini Vibrante
4 cl Lyre’s Amaretti
Absinth (in Spray-Flasche)
5) Eh schön, aber wenn es sich nicht dreht?
Nummer 5 unter den limitierenden Faktoren sprach Moby-Dick-Bartender Stefan Lembacher an – die Haltbarkeit: „Bei diesen Sachen brauche ich eine hohe Drehung in der Bar.“ Die Aufbrauchfristen von vier bis zwölf Wochen könnten sich speziell bei einer neuen Kategorie als problematisch erweisen. Zumal der Gast auch noch nicht aktiv alkoholfreie Drinks bestelle. Vom Bestellen ganzer Runden am Tisch ganz zu schweigen. Allerdings baut Lembacher auch eine vermittelnde Brücke: „Niedrig alkoholische Cocktails, also Low ABV, funktionieren für mich damit gut.“
In diesem Punkt weiß er sich mit den Truth and Dare-Machern David Kranabitl und Dominik Möller einig. Das Duo hat dafür einen Drink, dessen Name No time to fly auch als Appell verstanden werden kann, lieber in die lokale Bar des Vertrauens zu gehen, als in die Ferne zu schweifen. Ob dort dann „mit“ oder „ohne“ getrunken wird, ist mal sekundär. Hauptsache wieder „mehr“!
Credits
Foto: Lisa Leutner
Erich Wassicek
Wir gehen zurück in das Jahr 2006 !! wo ein uns bekannter Schnapsbrenner “Hans Reisetbauer, die Idee hatte Spirituosen zu entschärfen und 2008 mit Alois Gölles “alkoholreduzierten Schnaps” – “Twenty five delight” Serie – 6 Sorten a 50 cl Apfel, Williams, Marille, Kirsche, Muskat und Zwetschke mit 25% vol. auf den Markt zu bringen, als Ergänzung und nicht als Konkurrenz um VK € 30.- für damals nicht gerade ein schnäppchen. In der Nase sehr intensiv, feine Fruchtgkeit, sehr mild am Gaumen aber im Abgang sehr kurz, schwupps weg war er.
Resümee: Nach Day drinking, das ja nicht wirklich greift, außer bei Kollegen aus der Industrie, klar die müssen soft beginnen so ein Arbeitstag/abend/ nacht/ ist ja sehr fordernd und anstrengend, vielleicht in einigen Hotels, mir fällt in Österreich partout keines ein.
Zum Abschluß: Der gepflegte Rausch ist wenn der Alkohol präsent ist, aber nicht die Kontrolle von Geist und Körper übernimmt. (Stefan Gabanyi*).