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Alkoholfreien Schaumwein selber machen: Reverse Engineering des Geschmacksprofils

Im Buch „Zero“ übersetzt das The Aviary in Chicago alkoholische Vorlagen in alkoholfreie Pendants. Die Aromen werden aufgeschlüsselt und durch das naheliegendste Gewürz oder Frucht ersetzt. Damit lädt das Team um Grant Achatz ein, sich genauer mit Geschmacksprofilen auseinanderzusetzen. Das hat aber auch seine Tücken. Unser Autor hat eine Rezeptur für alkoholfreien Schaumwein adaptiert.

Wenig nimmt einer geselligen Stimmung den Wind schneller aus den Segeln als eine Flasche alkoholfreier Sekt. Damit sei nicht in Abrede gestellt, dass es hervorragende Gründe gibt, keinen Alkohol zu trinken; aber es ist doch der Champagner, der ganz spezifisch aus einem bloßen Beisammensein eine Feier macht. Nicht von ungefähr knallt niemand eine Flasche Rimuss an die Bordwand, um die jüngste Yacht einzuweihen.

Schaumwein weckt lustvolle Assoziationen

Woran mag das liegen? Was hat der Schaumwein, das dem Kindersekt fehlt? Alkohol natürlich, und jenem haftet immer schon etwas Feierliches an. Trotzdem wäre es nicht das gleiche, mit einem Whisky Soda oder einem Dry Martini anzustoßen. Das sind tolle Getränke, bringen aber ganz andere Assoziationen mit sich.

Wir sind durch unser kulturelles Umfeld und unsere Geschmacksbildung darauf eingestimmt, genau mit diesem Geschmacksbild eine Feier in Verbindung zu bringen, und mit jedem weiteren Anlass, den wir auf diese Weise begießen, zementieren wir diese lustvolle Assoziation in unserem Gedächtnis.

Doch was ist denn genau das Geschmacksbild dieses Festdiesels? Was sind seine Komponenten? Es ist diese Frage, die implizit immer wieder gestellt wird in Zero, der im letzten Jahr erschienenen Rezept-Sammlung des The Aviary, die komplett alkoholfreien Cocktails gewidmet ist.

Tasting Notes einer Sommelierssitzung

Dabei ist angebracht, diesem Buch durchaus einiges an Skepsis entgegenzubringen: Eine überbordend amerikanische „can do“-Schreibweise, die schon vor 2020 genervt hätte, beispielsweise. Ein Preisschild, das ganz und gar nicht „can do“ spricht. Fehlende Informationen, wie die endlos vielen Zutaten zu behandeln sind und woher sie kommen sollen – oder wann haben Sie das letzte Mal Glyzerin gekauft?

Das soll jedoch nicht davon ablenken, dass die grundlegende Vorgehensweise der Autoren bemerkenswert ist; sie zieht sich durch das ganze Unterfangen, alkoholfreie Getränke auf hohem Niveau darzubieten. Der Ansatz ist hierbei einfach wie genial zugleich: Es wird nämlich jedes alkoholische Vorlage-Rezept auf seine Geschmackskomponenten hin analysiert. Und anstatt sich zu überlegen, wie diese durch Fermentation oder Lagerung entstehen, werden sie direkt durch das naheliegendste Gewürz oder Frucht im alkoholfreien Sprössling abgebildet.

Das sieht dann so aus, als hätte man die Tasting Notes einer Sommelierssitzung versehentlich ins Rezeptbuch gepackt, und aus der platonischen Idee des Whiskys wird beispielsweise eine Mischung aus Zimt, geröstetem Malz und Bananenchips. Wozu ein Fass für leichte Vanillenoten, wenn die Vanille diese selber liefert?

Reverse Engineering des Geschmacksprofils

Es entsteht dabei aber ein lustvolles Spiel für den Leser, sich die Vorlage aus geschmacklichen Grundsteinen zusammengesetzt vorzustellen; und später im Umkehrschluss sich an dieser Art des Reverse Engineering eines Geschmacksprofils zu versuchen.

Diese eigene Arbeit ist auch nötig, denn die Rezepte des Buches sind nicht für europäische Gaumen austariert. Aus diesem Grund findet sich hier nachfolgend eine von mir angepasste Rezeptur aus dem Zero für ein alkoholfreies Getränk, welches die primären Aromen eines jungen Champagners Sec BdN Cuvée abbildet.

Alkoholfreien Schaumwein selber machen:

Sec BdN Cuvée alkoholfrei

750 ml Verjus
200 ml geklärter Litschi-Birnen-Saft *
40 gr Zucker

* Litschi-Birnen-Saft:

– Litschis entweder entsaften oder als gefrorenes Püree kaufen. Im Verhältnis 2:1 nach Gewicht mit Birnensaft mischen; auf 100 gr Mischung 0.2 gr Agar hinzugeben und 5 Minuten kochen.
– Abkühlen lassen, das entstandene Gel in ein Leintuch geben und dieses innerhalb eines Auffanggefäßes im Kühlschrank übernachten lassen. Die dabei aufgefangene Flüssigkeit ist klar, was die nachfolgende Karbonisierung vereinfacht.

Letzter Schritt:
– Zutaten mischen, kühlen und mittels Wassersprudler karbonisieren. Gut gekühlt servieren.

Credits

Foto: Nico Colic

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