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André Kohler Interview

André Kohler: Von Einfachheit und Neugier

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it einem nicht alltäglichen Lebenslauf hat André Kohler sich aus Vorarlberg bis in die Münchener Ory Bar gemixt. Nun darf er Deutschland beim Finale der Bacardi Legacy Competition vertreten. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Bei einer Köchin aufgewachsen, Chemielabor, Kampfanzug, Cocktails in Dublin – der Lebensweg von André Kohler verspricht einiges. Dabei geht es dem Vorarlberger, der in München wirkt, eigentlich vor allem um zwei Dinge: Einfachheit und die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst, wie er im Interview erklärt.

André Kohler Interview
Die letzten Sonnenstrahlen scheinen in die Ory Bar München.

 » Ich bin keiner, der darauf wartet, dass Chancen auf einen zukommen, sondern ich geh’ halt soweit, bis ich eine Chance finde. «

Mixology: André, wieso Bar?

André Kohler: (lacht) Direkt auf den Punkt, die Frage. Tatsächlich haben das mehrere Faktoren für mich entschieden, ich habe Chemie gelernt in der HTL (Höhere technische Lehranstalt) in Österreich und habe dort mit 18 Jahren meinen Abschluss gemacht. Das Wissen hilft mir jetzt weiter.

Mixology: Hast du da mal was in die Luft gejagt?

André Kohler: Nein, habe ich nicht. Nur einer von uns hat da mal eine kleine Überreaktion veranstaltet. Er hatte eine Pipette zum Neutralisieren und hat das Ding voll reingeschossen, und ja: extreme Wärme – Pflatsch! – dann war ein Loch in der Wand. (lacht) Das war grandios!
Dazu ist meine Mama eine gelernte Köchin, sie hat zwar nie wirklich praktiziert, aber zu Hause war Essen dadurch natürlich ein großes Thema. Nach der HTL habe ich mich erstmal für drei Jahre für das Bundesheer verpflichten lassen, mich hat das interessiert und ich wollte mir das mal anschauen. Ich war dann ein halbes Jahr im Kosovo stationiert. Dort hatten wir Grenzeinsätze, haben Gebäude bewacht und solche Geschichten. Es war schon interessant, das zu sehen, aber naja, irgendwann hast es halt dann g’sehn. Ich wollte mich einfach komplett umordnen, viel mehr mit Menschen in Kontakt sein. Da ist mir die Gastronomie eingefallen, also bin ich über die European Bartender School nach Dublin – ja, und dann war ich „gehooked“.

Mixology: Was sagst du zur Barszene in Dublin?

André Kohler: In Dublin kommst du einfach mit einer ganz anderen Barsituation in Kontakt als in Vorarlberg, wo ich aufgewachsen bin. Ich würde jetzt mal behaupten, die Vorarlberger Barkultur ist noch ein „wenig” hinterher – und auf einmal stehst du halt in Dublin in einer Barszene, die so unglaublich familiär und unglaublich gut miteinander arbeitet und so freundlich, aufmerksam und cool untereinander ist. Da bin ich mir eigentlich sicher gewesen, dass ich Bartender werden möchte.

Mixology: Welche Stationen waren deine nächsten?

André Kohler: Danach bin ich ein halbes Jahr nach London und habe dort als Barback im Bluebird gearbeitet. Mit den Jungs dort habe ich mein Wissen noch mehr gefestigt und konnte auch schon Kreativität entwicklen – ab und zu durfte ich dann auch an die Bar. Dann habe ich angefangen, mir was zu suchen, was näher am Zuhause ist und mich in München und Zürich beworben. Über Umwege hatte ich dann mein erstes Probearbeiten bei Oliver van Carnap in der Madam Bar. Dann kam eine superschöne Zeit für mich, ich bin auch ein wenig ins kalte Wasser geworfen worden. Ich durfte plötzlich die Organisation einer Bar lernen, Bestellungen machen, habe gelernt, wie man eine Karte kreiert und Dienstpläne schreibt – das ganze Drumherum eben.

Mixology: Hört sich alles an, als wärst du schon früh dein eigener Herr gewesen …

André Kohler: Ja, ich hatte auf meinem Weg auch immer ein bisschen Glück, aber insgesamt bin ich keiner, der darauf wartet, dass Chancen auf einen zukommen, sondern ich geh’ halt soweit, bis ich eine Chance finde. Meine Familie ist schon mein Anker, ich komme sie oft besuchen, aber eigentlich war ich immer eher ein Einzelgänger; wenn man nur – blöd gesprochen – über meinen Schulweg redet, der war fast zwei Stunden. Ich bin schon gerne daheim, aber ich musste nie zwingend daheim sein, trotzdem habe ich immer Unterstützung von der Familie gekriegt.

Mixology: Würdest du mal wieder dauerhaft nach Österreich zurück?

André Kohler: Natürlich habe ich mir das schon mal überlegt, zusammen mit dem Traum von einer eigenen Bar. Ich glaube, den haben viele von uns, und ich natürlich auch. Ich verfolge aktiv die Barkultur daheim, sie entwickelt sich auch, zwar im Schneckentempo, aber sie entwickelt sich. Es ist einfach schwierig, bei den vielen kleinen Dörfern eine Barkultur zu etablieren. In Wien z.b. gibt es sie ja schon, da muss man nichts mehr machen, man könnte da schon auch mit noch einer Bar reinspringen, aber das bräuchte es nicht zwingend in Wien. Da fühle ich schon ein bisschen meine Heimatverbundenheit und würde dann auch was in der wirklichen Heimat machen. Aber das ist definitiv noch in sehr weiter Ferne.

Mixology: Was passiert im Moment in der Ory Bar?

André Kohler: Wir sind im Moment an einer neuen Karte dran, die wird so gestaltet, dass wir auf die Objekte in der Bar zurückgehen und die Drinks quasi an diese Objekte angepasst werden. Zum Beispiel konfrontieren wir uns und unsere Gäste mit Fragen wie: Wonach schmeckt Edelstahl oder Stein? Was hat man damit für Assoziationen? Ich weiß nicht, wie viel ich darüber erzählen darf, aber wir beziehen uns auf alle Handwerker, auf alle Werkstoffe, die beim Bau der Bar verarbeitet wurden, auch die Pflanzen und die Textilien. Die Thematik dreht sich sehr um Assoziationen, Mundgefühl sowie auch Anfassen. Damit haben wir im Moment sehr viel zu tun.

Mixology: Was ist deine Rolle in der Bar, man sieht dich auch oft im Service?

André Kohler: Ja, ich bringe mich sehr viel ein, so wie ich eben bin. Wir bestehen in der Ory fast nur aus Barpersonal, jeder von uns hat eine Affinität zur Bar und hat Ahnung von Bar, dementsprechend wechseln wir uns auch ab, jeder macht Serviceschichten.

Mixology: Ihr seid also alle Allrounder?

André Kohler: So ist es.

 » Die Legacy ist eine unglaubliche Competition. Ich lege jedem ans Herz, das mal auszuprobieren. Es ist ein Wettbewerb, bei dem man sich selber challengen kann, sich austesten kann. «

André Kohler Interview
Der Brunnen inmitten des Gästebereichs.

Mixology: In welchen Bars bist du gerne privat unterwegs?

André Kohler: Ich bin tatsächlich gerne privat in der Ory, aber auch im Herzog. Nie vergessen, meine absolute Stammbar: das Zephyr. Seit Kurzem jetzt auch in der Ménage Bar. Dadurch, dass ich diesen chemischen Aspekt habe, verstehe ich den ganzen Sinn hinter den Arbeitsschritten, die sie dort machen.

Mixology: Inspiriert dich das auch?

André Kohler: Definitiv inspiriert mich das. Ich stelle mich auch oft gerne an den Rotationsverdampfer. Zuletzt bin ich für eine Spaßaktion an dem Gerät gelandet: Das internationale Publikum hier bestellt oft Erdbeer-Daiquiris, da hatte ich die Idee, einen redestillierten Erdbeerrum zu machen. Also einen klaren Erdbeerdaiquiri, du hast dadurch quasi das volle Erdbeeraroma und die komplette Kitschigkeit, aber das alles in einem klaren Drink.

Mixology: Wie war das mit der Legacy bis jetzt?

André Kohler: Die Legacy ist eine unglaubliche Competition. Ich lege jedem ans Herz, das mal auszuprobieren. Es ist ein Wettbewerb, bei dem man sich selber challengen kann, sich austesten kann. Das ist auch für mich der Hauptgrund. Meine Legacy-Geschichte hat sich noch ein wenig entwickelt, der „Ascetico“ (Kohlers Wettbewerbs-Cocktail, Anm. d. Red.) stand zwar von Anfang an für Simplicity, Einfachheit und Purismus – und wie viel Komplexität aus dieser Simplicity erreicht werden kann. Aber nach der Deutschlandphase kam noch der Familienaspekt hinzu. Das werde ich im internationalen Finale (Kohler präsentiert dort heute Nachmittag seinen Cocktail, Anm. d. Red.) noch in die gesamte Geschichte mit reinnehmen und die Gefühle vermitteln, die ich über die gesamte Wettbewerbsphase miterlebt habe.

Mixology: Hast du dir schon einen Anzug gekauft?

André Kohler: Tatsächlich nicht, ich werde meinem Stil treu bleiben und eine Cocktailschürze tragen. Ich will dabei ich selbst sein. Simpel sein.

Mixology: Lieber André, danke für das Interview.

Credits

Foto: Potraitfoto: Ory Bar, Brunnenbild: Vadim Kretschmer, Interiorbild: Anne Puhlmann

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