Nc’Nean-Gründerin Annabel Thomas: „Für unseren Whisky ist Deutschland wichtiger als UK.”
Wer öfter Whisky-Leute trifft, wundert sich schon beim Set-up des Gesprächs mit Annabel Thomas. Ein kleiner Raum mit Kaffeemaschine reicht ihr. Werbeposter und Dummy-Flaschen braucht es nicht, weit und breit ist weder ein Personal Assistent, noch eine Pressesprecherin zu sehen. Ganz entspannt erzählt sie von Nc’Nean, nennt Zahlen und Entwicklungen, die anderswo Staatsgeheimnisse wären. Dabei ist die Schottin keine Markenbotschafterin, sondern seit fünf Jahren Eigentümerin und Gründerin der Brennerei auf der Halbinsel Morvern an der kaledonischen Westküste.
So jung das Unternehmen ist, so klar ist die Botschaft: Man macht nicht nur bei der Produktion einiges anders unter der weiblichen Ägide der ersten Bio-Brennerei. CO 2-neutral dank Hackschnitzel-Feuerung der Brennblase, bio-zertifiziert und einem Zero Waste-Konzept verpflichtet, richtet man den Scheinwerfer auf ein Thema, das bisher eher wenig interessierte im Single Malt-Reich. Selbst der Verzicht auf Torf wird mit dem Schutz der Moore argumentiert. Kleines Detail vorweg: Die schmucke Flasche – zu 100% aus recyceltem Glas erzeugt – entdeckte Annabel Thomas einst auf dem BCB in Berlin. Und es ist nicht der einzige Erfolg, den Nc’Nean Deutschland verdankt.
MIXOLOGY: Auffällig ist ja schon der Name „Nc’Nean“, zumindest für uns Deutschsprachige …
Annabel Thomas: Oh, das ist er auch im Englischen! (lacht herzlich)
MIXOLOGY: Okay, aber woher stammt der jetzt?
Annabel Thomas: Traditionell werden schottische Brennereien ja immer nach dem Ort benannt. Aber das fand ich langweilig, auch weil mit Drimnin keine besondere Bedeutung verbunden war. Stattdessen haben wir in der Geschichte zurückgeschaut, ob es was gibt, das besser zu uns passt. Und da stießen wir auf diese heidnische Göttin Neachneohain. Sie war eine Schutzherrin der Natur und ging ihren eigenen Weg. Nur hat das Wort 12 Buchstaben; das wollte ich nicht jeden Tag 100-mal sagen oder schreiben müssen. „Nc“ ist im Gälischen aber die weibliche Entsprechung zu „Mc“, was „Sohn von …“ bedeutet. Und dann war sie auch bekannt als „Queen of Spirits“, womit die Feen-Welt gemeint war – aber man kann das auch so lesen, dass es perfekt zu Whisky passt! Und Neachneohain war auch Jägerin, woher der Name für unsere jährliche Limited Edition „Huntress“ (auf 5.000 Flaschen limitiert) kommt.
»Unser Verkaufsziel für 2023 sind 90.000 Flaschen, vielleicht schaffen wir ein bisschen mehr. Wir beginnen erstmals in die USA zu exportieren, einem durchaus umkämpften Markt.«
— Annabel Thomas
MIXOLOGY: Diese kleine Edition ist ja ein wenig das Spielfeld für eure Experimente, doch wie geht man mit den älter werdenden Beständen bei der wichtigsten Abfüllung „Organic“ um?
Annabel Thomas: Die Standard-Abfüllung wird graduell auch älter. War es am Anfang ein drei Jahre altes Destillat, wurde es später aus drei und vier Jahren und aktuell aus drei, vier und fünf Jahre alten Chargen hergestellt. Auch die Zusammenstellung der Fässer (Mix aus Ex-Bourbon-Fässern (43%), abgeschliffenen und neu getoasteten Wein-Fässern (55 %) und Oloroso-Sherry Casks (2%)) bleibt mehr oder weniger gleich. Wogegen die Quiet Rebels-Abfüllungen immer versuchen, den Charakter der Person zu spiegeln, der wir sie widmen. Diese Limited Edition ist immer einem unserer Mitarbeiter gewidmet und es gibt nur 7.500 Flaschen.
MIXOLOGY: Wenn man diese Zahlen hört, dann ist das doch ein sehr schmales Portfolio – will Nc’Nean bei diesen drei „Bottlings“ bleiben?
Annabel Thomas: Naja, das ist natürlich eine Diskussion, die immer andauert. Braucht man drei oder sechs oder mehr? Persönlich finde ich, dass eine Standard-Variante ausreicht. Wobei es bei unserem nachhaltigen Konzept auch einen praktischen Grund gibt: Wir haben ja diese aufwändig bedruckte Flasche aus recycliertem Klarglas. Da kann ich nicht einfach wild wechseln. In einer idealen Welt bleiben wir also dabei – und zeigen Special Releases rund um den „Organic“ her. Es gibt ja auch noch die Single Casks, die im Wesentlichen für die Sammler sind. Die machen wir meistens für einen Markt, zuletzt etwa für die Niederlande. Und auch bei unserem Cocktail-Bewerb in Großbritannien war der erste Preis, dass sich der Bartender ein eigenes Fass aussuchen darf. Das war ein Rivesaltes-Finish (gespriteter Wein aus Frankreich, Anm. d. Red.) und die Farbe des Single Malts darin war nahezu pink!
MIXOLOGY: Wie groß seid ihr denn insgesamt in den fünf Jahren seit der Eröffnung der Brennerei geworden?
Annabel Thomas: In einem normalen Jahr brennen wir ungefähr Whisky für 225.000 Flaschen und haben das zuletzt um ca. 20% erhöht. Allerdings wird da nichts im Sommer destilliert, weil wir da die Wasserkapazität nicht haben. Sagen wir also, es sind maximal 300.000 Flaschen Jahresproduktion. Unser Verkaufsziel für 2023 sind 90.000 Flaschen, vielleicht schaffen wir ein bisschen mehr. Wir beginnen erstmals in die USA zu exportieren, einem durchaus umkämpften Markt.
»Ein Teil unserer Mission ist es, neue Leute zum Whisky zu bringen. Natürlich nicht die ganz Jungen, denn mit 20 Jahren leistet man sich selten eine 60 Pfund teure Flasche. Wir wollten also 30 bis 40-Jährige an Whisky heranführen.«
— Annabel Thomas
MIXOLOGY: Wenn wir auf die Flasche zurückkommen: Viele Hersteller haben gerade enorme Probleme, überhaupt Flaschen zu bekommen – neben der Tatsache, dass auch der Preis für Etikettendruck und Glas enorm gestiegen ist. Wie geht es einem kleinen Brenner wie Nc’Nean damit?
Annabel Thomas: Mit der Flasche haben wir echt Glück. Wir haben keine Schwierigkeiten, Nachschub zu bekommen. Vor und während COVID war es nicht so leicht, einen Produktionstermin zu bekommen. Aber wir sind auch diejenigen, die eine 100% recyclierte Flasche von ihnen wollten. Mittlerweile schätzen sie, was wir tun und sie haben eine ziemlich coole Flasche herzuzeigen, deren buntes Design in einer anderen Fabrik erfolgt. Wobei die Kostenseite natürlich ein anderes Thema ist.
Auch was die Bio-Gerste betrifft, sind wir da ohne Probleme unterwegs, da alles direkt aus Schottland kommt. Wir haben aktuell sogar die Mälzerei gewechselt. Zum einen war sie am anderen Ende Schottlands, zum anderen sammelte sie immer die Gerste von sechs Biobauern, um dann ein Batch zu mälzen. Jetzt haben wir eine Mälzerei bei Inverness, die uns alle Chargen einzeln vermälzt. Damit brennen wir sozusagen „Single Farm“-Whisky. Das könnte dann in zwei Jahren auch eine eigene Huntress-Abfüllung werden. Wichtiger ist aber, dass wir mit weniger Partnern aber auch den ‘carbon footprint’ in unserer Lieferkette reduzieren können.
MIXOLOGY Online: Womit sich auch die Frage stellt, wer die Zielgruppe für diesen jungen Bio-Whisky wäre?
Annabel Thomas: Ein Teil unserer Mission ist es, neue Leute zum Whisky zu bringen. Natürlich nicht die ganz Jungen, denn mit 20 Jahren leistet man sich selten eine 60 Pfund teure Flasche. Wir wollten also 30 bis 40-Jährige an Whisky heranführen. Doch aufgrund des Erfolgs der Auktion unserer allerersten Flaschen wurden wir auch überraschend bekannt unter den Whisky-Connaisseuren. So wer kauft uns jetzt wirklich? Das ist schwer zu sagen. Aber im Vergleich sind Nc’Nean-Fans sicher jünger und weisen eine bessere Verteilung zwischen Frauen und Männern auf.
»Wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte, wäre die Barszene auch unser Schwerpunkt gewesen. Aber August 2020, als wir loslegen wollten, war keine guter Zeitpunkt. Daheim in Großbritannien sind wir da schon etwas vorangekommen.«
— Annabel Thomas
MIXOLOGY: Gibt es mit einer so jungen Zielgruppe noch Wachstumschancen? Angeblich sind die doch alle Selbstoptimierer, die wenig bis gar keinen Alkohol mögen.
Annabel Thomas: Ich sehe schon, dass die Leute ein bisschen zurückstecken. Aber das „Ich trinke gar keinen Alkohol“ hört man doch selten. Vor allem, wenn wir unsere Zielgruppe der 30-40-Jährigen anschauen. Da ist es eher der Vorteil des Einschränkens, dass es die Möglichkeit gibt, mehr Geld für eine gute Flasche auszugeben.
MIXOLOGY: Ein anderer Weg wäre ja, die Barszene anzusprechen. Ist das eine Zielgruppe für Nc’Nean?
Annabel Thomas: Definitiv! Wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte, wäre das auch unser Schwerpunkt gewesen. Aber August 2020, als wir loslegen wollten, war keine guter Zeitpunkt. Daheim in Großbritannien sind wir da schon etwas vorangekommen. In den Bars der wichtigen Städte wie London, Manchester, Glasgow oder Edinburgh sind wir gelistet. Wir schauen auch, dass wir in den Premium Hotels und einigen besseren Restaurants sind. Und dann gibt es noch den Typus des nachhaltigen Pubs, das mehrheitlich mit lokalen und biologisch erzeugten Produkten arbeitet. Das ist der perfekte Ort für Leute, um uns erstmals kennenzulernen. In Deutschland haben wir es da noch ein bisschen schwerer.
MIXOLOGY: Wie wichtig ist Deutschland unter den aktuellen Märkten?
Annabel Thomas: Im Kern sind es 12 Märkte, auf denen Nc’Nean präsent ist – in etwa Europa ohne den Osten, Spanien und Portugal. Heuer kommen dann Kanada, USA und Mexiko dazu. Und idealer Weise Anfang 2024 startet dann auch Asien. Deutschland liegt noch vor Großbritannien für unseren Absatz. Das hängt ganz stark mit dieser ARTE-Dokumentation (das ursprünglich vom WDR produzierte „First Lady of Whisky“, Anm. d. Verf.) zusammen. Gestern erst hat mir jemand in einem Whisky-Geschäft in – sagt man das so? – Itzehoe Folgendes erzählt: „Wir sagen den Leuten, dass sie den Whisky kaufen sollen und trinken, während sie die Doku ansehen – und das Gefühl bekommen, sie machen die Welt ein wenig besser“. Das ist doch eine großartige Zusammenfassung!
MIXOLOGY: Liebe Annabel, danke für das Gespräch.
Credits
Foto: Nc'Nean, Kirsch Import