Arbeiten im Ausland: Traveling Bartender in Asien
Das Ziel unserer Reihe Traveling Bartender ist diesmal das faszinierende Asien mit seiner reichen Kultur und komplexen Bar-Szene. Für Einblicke aus erster Hand haben wir Sven Maywald, Marc Hermann, Kai-Ho Ng und Miguel Fernandez Fernandez in Thailand, Hongkong und Singapur befragt.
Dass Bartender den Schritt ins Ausland wagen, sich dort niederlassen und sich einer neuen, oftmals fremden Barkultur annehmen, die mit Überraschungen und Besonderheiten aufwartet, das sollte dem aufmerksamen Leser dieser Reihe nunmehr bekannt sein. Wie sehr viele unter ihnen jedoch die wahre Bedeutung von Fernweh in ihr Handeln ummünzen, das zeigt sich in der Tatsache, dass immer mehr Bartender nicht nur den Schritt raus aus Europa, sondern gar auf einen anderen Kontinent wagen.
Arbeiten im Ausland: Bartender zieht es nach Osten
Asien. Ein pulsierender Kontinent. Ein Kontinent der Gegensätze. Finanziell enorm gut gestellte Länder teilen sich Grenzen mit von Bürgerkrieg, Hungerkatastrophen, religiösen Auseinandersetzungen und bitteren Armutskämpfen geplagten Regionen. Schimmernd-reiche Metropolen sind gespalten in High-Society und sozial abgehängte Slums.
Asien – das berichteten wir bereits – ist in der westlichen Welt vor allem auch für seine extrapoliert-außergewöhnliche Gastfreundschaft hin zu Devotion bekannt, die sicherlich aus den Lehren Buddhas rührt. Und da Gastfreundschaft, Gastgebertum und ein Auge fürs Detail bekanntlich in der Bar immer wichtiger zu werden scheinen (schlimm genug der Subtext, der mit dieser Aussage mit schwimmt), ist Asien für viele Bartender Urlaub und Fortbildung gleichermaßen. Vier dieser Asien-Reisenden stellen wir heute vor.
Arbeiten im Ausland oder One Night in Bangkok?
Als Sehnsuchtsziel vieler alleinstehender Männer im gehobenen Alter berühmt-berüchtigt sowie Paradies und Ausgangspunkt eines jeden Backpackers, steht Bangkok sinnbildlich für das Tor zu Asien. Die Flüge sind günstig, das Essen erschwinglich, die Weiterreise meist recht einfach. Doch nicht alleine die günstige Verbindung hin in das Königreich macht es unter Bartendern so beliebt. Die Barkultur in Bangkok bewegt sich mittlerweile auf einem hohen Level, monatlich sprießen neue, vielversprechende Bars aus dem Boden und zeichnen sich vor allem durch ihre für europäische Verhältnisse oft deutlich innovativeren Konzepte ab.
Ein Grund auch für den Deutschen Sven Maywald, nach Bangkok zu gehen. „Wir brauchen uns hier im Vergleich zu anderen asiatischen Metropolen auf keinen Fall mehr verstecken. Bangkok hat eine Vielzahl an Bartendern, die kreativ auf sehr hohem Niveau arbeiten“, so Maywald. Die Verbesserung der landestypischen Ressourcen erlaube es einem Bartender in Thailand, mittlerweile auch auf regional-lokale Produkte zugreifen zu können, was zu einem weiteren Abgrenzungs- und Alleinstellungsmerkmal führe. Der seit etwas über zwei Jahren im 1881 by Water Library arbeitende Wahl-Bangkoker hat sich mit der Szene angefreundet und kann sich ihr zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht entziehen.
Die Bar-Szene der Metropole ordnet er auch als unheimlich dynamisch ein. Im Vergleich zu Deutschland allerdings, das muss Maywald zugeben, wird die Entwicklung durch Sperrstunde, Non-Alcoholic-Days und dem mühsamen Import von Qualitäts-Spirituosen teils erheblich gedrosselt.
Den Schritt des Bartenders, sein Glück fernab seiner heimatlichen Gefilde zu suchen, schätzt er als sehr wichtig ein. „Viele vor uns haben das vorgemacht. Ich glaube jeder, der den Schritt Arbeiten im Ausland gewagt hat, kann es jedem ans Herzen legen. Sei es, eine andere Sprache zu lernen oder mit lokalen Produkten und Techniken zu experimentieren. Ich habe die perfekte Bar dafür gefunden“, so Sven Maywald.
One Way Ticket
Wir verlassen die Acht-Millionen-Einwohner-Metropole in Richtung Süden des Landes und bereisen die tropisch schön anmutende Insel Koh Yao Noi. Der allgemein für seine traumhaften Strände unter vielen Backpackern bekannte Teil des Landes wartet mit einer atemberaubenden Flora und Fauna und einer authentischen Kultur fernab des Massentourismus auf.
Hierhin verschlug es den zuvor in der Capella Bar des Breidenbacher Hofes arbeitenden Marc Hermann. „Mein Bruder hat vor gut fünf Jahren ein Hotelprojekt mit dem Namen The Island Hideout ins Leben gerufen, mit dem Ziel, ein nachhaltiges Dschungel-Resort zu schaffen, in dem man sich ohne Strom und Internet, dafür aber mit bestem Essen und Service eine Auszeit vom Alltag nehmen kann“, so Hermann über seine Beweggründe, Arbeiten im Ausland auf seine Agenda zu schreiben.
Er selbst hat es sich zur Aufgabe gemacht, an der Ausbildung des ausschließlich lokal rekrutierten Personals, der Ausrichtung des ebenfalls im Familienbesitz stehenden Bar & Restaurant-Konzepts Faye’s und der Profilierung des Menüs hin zu Cocktails zu arbeiten. Diese sind – ganz anders als in der Metropole – hier noch Mangelware. „Nach guten Cocktails sucht man im Süden Thailands vergebens. In den klassischen Touristenbars werden die Gäste noch immer mit billig zusammengerührten Fruchtsaftmischgetränken und desaströsen Mojito-Varianten abgespeist“, so der Expat-Bartender über die von Außen recht innovativ wirkenden Trinkstätten seiner neuen Heimat.
Da auch im Süden des Lands viele Thais und auch die immer größer werdende Expat-Community an der Progression der gastronomischen Gestaltung teilhaben wollen, hat es sich Hermann demnach zum Ziel gesetzt, einfache, aber nachhaltige Drinks zu kreieren, die wenn möglich – abgesehen von der Spirituose – nur aus lokal produzierten Rohstoffen bestehen und sie mit dem Farm-to-Table-Konzept des Restaurants in Einklang zu bringen.
Die Kultur, an die er sich Stück für Stück gewöhnen muss, beschreibt er mit den Worten „unbeschwert, herzlich und langsam“. Dennoch sieht er auch Risiken in dem Lebenswandel eines auf Reisen gehenden Bartenders. „Ich denke, das Maß an Umstellung ist eigentlich recht gut skalierbar. Je weiter entfernt, desto exotischer – abgesehen von den großen Metropolen – auch die Erfahrung. Je nachdem, wohin es gehen soll, sollte man sich aber im Vorfeld auch sehr genau über die bevorstehende Umstellung bewusst sein“, so Hermann durchaus kritisch im Bezug auf das Unterfangen.
Arbeiten im Ausland im Auge des Tigers
Nur einige wenige Flugstunden von Thailand entfernt, liegt das kleine und dennoch unglaublich beliebte Singapur. Der Tigerstaat und unter anderem auch der Ort, den GSA-Vorjahressieger Matthias Ingelmann besuchen durfte, ist nicht nur für seinen unglaublichen Reichtum und die ansässige High-Society, sondern auch für die hochwertige und bahnbrechende Barkultur bekannt. Hervorgebracht hat die Szene nicht nur Bartender-Talente wie Peter Chua und Barkonzepte wie das einst unter den Top 10 Bars der Welt weilende 28 Hong Kong Street, sie ist auch Lebensort vieler ins Ausland gegangener deutscher Bartender, so wie Philip Bischoff und Kai-Ho Ng.
Die Entscheidung, nach Singapur zu gehen, traf Kai-Ho Ng intuitiv. Nachdem der ‘Frankfurter Brudi’ erst im vergangenen Jahr bei einer Gastschicht im Neon Pigeon mitwirkte, verliebte er sich sofort in die Bar. „Das ganze Team rund um die Bar gaben mir direkt ein Gefühl, in einer neuen Familie angekommen zu sein. Auch für das Vertrauen, das sie in mich steckten, bin ich sehr dankbar“, so der Bartender und Wahl-Singapurer.
Als größten Unterschied der Barszene Singapurs im Vergleich zu jener in Deutschland beschreibt er die Schnelllebigkeit der Stadt. „Hier hat Social Media beispielsweise einen ganz anderen Stellenwert und fungiert als Motor von Trends. Da muss man schnell reagieren und immer präsent sein, um nicht irgendwas zu verschlafen und sein Konzept zu bewerben. Dadurch entsteht eine ganz andere, mit Deutschland nicht vergleichbare Form des Wettbewerbs“, so Ng, der den Weg in die weite Ferne unter anderem auch ging, um seine Komfortzone zu verlassen und sich einer neuen Herausforderung zu stellen.
An Deutschland vermisst Kai-Ho vor allem die Jahreszeiten. Keinen Schnee und keinen milden deutschen Frühling gäbe es dort, auch die Preise im Supermarkt seien allgemein deutlich höher als in hiesigen Breiten. „Da kann es schon mal ein bisschen teurer werden“, grinst er und fügt lakonisch relaxed hinzu: „Ab und an vermisse ich auch den guten alten Äppler.“
Durch das Reisen erfahre ein jeder Bartender viel. Er öffne sich für neue Kulturen, ist aber auch aufnahmefähig für neue Konzepte und Ideen. „Darüber hinaus darf man auch die Bedeutung des modernen Networkings mit anderen Bartendern in der heutigen Zeit nicht unterschätzen“, so Kai-Ho Ng.
Die Frankfurt-Connection
In der ehemaligen britischen Kolonie und chinesischen Exklave voller Zügellosigkeit, Spaß und gehobener Gastronomie namens Hongkong trifft man mit Miguel Fernandez Fernandez einige Stunden entfernt von Singapur einen weiteren Brudi an. Der bekannte und überaus beliebte deutsche Bartender war aus der Frankfurter Szene einfach nicht wegzudenken. „Nach 15 Jahren hatte ich einfach keine Lust mehr, in Deutschland zu arbeiten. Da ich nun mal auch nicht jünger werde, dachte ich mir: arbeiten im Ausland, jetzt oder nie. Nach meiner Zeit im Roomers war ich dann erstmal viel am Reisen. Als ich nach Hongkong kam, hat es Päng gemacht. Liebe auf den ersten Shot“, so der Bartender über seine Entscheidung für Asien.
Hongkong beschreibt er überdies als Kombination eines chaotischen, aus Slums und mobilen Garküchen bestehenden Molochs und einer klinisch-perfekten, hochglanzpolierten asiatischen Metropole, als sehr zentral und geprägt durch sowohl östliche als auch westliche Kultur. „Die Barszene ist hier durch die vielen in der Stadt lebenden Expats sehr international und viel besser vernetzt mit der globalen Szene“, so Fernandez.
Fernandez bringt zudem einen weiteren interessanten Punkt ins Spiel, was Arbeiten im Ausland als Bartender betrifft: „Ich glaube nicht, dass es dabei groß um den Beruf an sich geht. Mit der Globalisierung ist doch im Grunde genommen ohnehin jedes Produkt überall auf der Welt mehr oder weniger verfügbar. Interessant ist in meinen Augen die Beobachtung anderer Konzepte und Trinkgewohnheiten. Hier trinkt man zum Beispiel sehr gerne Scotch mit grünem Tee – als Highball, wohlgemerkt. In Hongkong trifft zudem die East-meets-West-Atmosphäre zusammen wie an keinem anderen Punkt der Welt, und die Szene hält enorm zusammen“, so der Barmanager der höchsten Bar der Stadt, der Ozone Bar des Ritz-Carlton Hotels.
Arbeiten im Ausland? Auf jeden Fall.
Die vier Bartender aus Thailand, Singapur und Hongkong stehen damit sinnbildlich für eine junge, internationale Garde, die sich auf Entdeckungsreise durch den asiatischen Cocktail-Dschungel begibt. Auf Abenteuer in Großstädten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, alle jedoch auch eines gemeinsam haben: eine pulsierende Barkultur mit Hang zur Perfektion.
Ob auch die Bartender in unserer nächsten Folge – die noch weiter von Deutschland entfernt angesiedelt ist – mit solch spannenden Geschichten aufwarten können, das lesen Sie in Kürze in unserer Serie Traveling Bartender, Teil Vier.