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Armando Archundia

Armando Archundia – Agavenherzen in Zürich

Vor 20 Jahren verschlägt es Armando Archundia Barreiro als Bartender von Mexiko in die Schweiz. Dort ist der ehemalige World Class-Finalist längst angekommen, importiert Tequila und Mezcal und hält Workshops. Mit MIXOLOGY ONLINE unterhielt sich der gesellige Mexikaner über Chili, kulturelle Unterschiede, das Gastgeberdasein und Agavenbrände.

Mit einer konstanten Geschwindigkeit, Charme und Leichtigkeit schwirrt der Mexikaner Armando Archundia als Barchef eines dreiköpfigen Teams durch die junge Züricher Einrichtung Gustav Restaurant & Bar, das Treiben und die Gäste in seinem Schaffensbereich behält er stets im Blick. „Wir wachsen in Mexiko mit Tourismus auf. Daher ist uns als Gastgeberland die Gastgeberrolle angeboren und kommt aus unserem Inneren“, betont der in Mexiko-City geborene Bartender in leicht spanischem Akzent, gepaart mit ein wenig Schweizerisch. Dennoch sei es für ihn Kunst, ein guter Gastgeber zu sein. „Das kann oder will nicht jeder, und es ist auch nicht immer einfach“, schildert der kontaktfreudige Mexikaner mit Pferdeschwanz. Disziplin, Geduld, Leidenschaft und viel Empathie – „gute Augen für den Gast“ – seien für ihn die wichtigsten Komponenten in der Ausübung seines Berufsstandes, dem er „mit Herz und Passion“ verfallen ist. Stets sollte der Gast an erster Stelle stehen, erst dann als Krönung folge der erwünschte Drink.

Armando Archundia: Der Culture Clash blieb aus

Besonders der Kontakt zu den Menschen habe ihm nach einem Management-Studium als Büro- und Außendienstmitarbeiter im elterlichen Entsorgungsunternehmen sehr gefehlt. Daher verschlug es Armando Archundia in seinen frühen Zwanzigerjahren als Bartender in Clubs und Bars der mexikanischen Touristenhochburgen Acapulco oder Cancun, bis ihn ein Jobangebot nach Zürich brachte. Zwar hätten ihm zu Beginn Sprache, Kultur und vor allem die im Vergleich zu Mexiko unterschiedlichen, stark wahrnehmbaren Schweizer Wetterverhältnisse keinen Kulturschock verpasst, aber doch zu schaffen gemacht. „Jetzt geht es mir aber sehr gut“, sagt der leidenschaftliche Koch, der gerne selbst zum Kochlöffel greift, wenn er Appetit auf Chili-Spezialitäten seines Heimatlandes verspürt.

In der eidgenössischen Nachtszene begann der Mezcal- und Tequila-Kenner als Bartender und Berater des mexikanischen Tres Amigos Bar & Restaurant-Unternehmens, arbeitete in dessen sowie anderen Bars wie der Mojo Bar in Aargau oder dem Hirschli in Baden und erkundete die Zürcher Barwelt. „Neben Restaurants waren es vor allem die Klassiker wie die Kronenhalle oder Widder Bar, die es bereits gab“, erinnert er sich. Aber erst in den letzten fünf, sechs Jahren habe es eine stete Weiterentwicklung in der Szene gegeben, und Kleinods wie die Tales Bar oder das Dante seien hinzugekommen.

Kein Stillstand

Armando Archundia vertieft sein Wissen mit Fachlektüre und perfektioniert sein Bartending in Workshops rund um den Globus, in New York, New Orleans, Vancouver, Tokio und natürlich in der Schweiz. Auch das Wettkampffieber packt ihn immer wieder und hält bis heute an: Als Landessieger der World Class 2012 vertrat er die Schweiz beim Finale in Rio de Janeiro, als Gewinner des Schweizer Havana Club Cocktail Grand Prix 2014 reist er zum globalen Wettkampf nach Kuba. „Eine wichtige Erfahrung für Bartender“, urteilt der heute 44-Jährige, der erst im Januar beim Länderfinale des internationalen Diplomático World Tournament des venezolanischen Rum Diplomático anzutreffen gewesen ist, seinen Heimvorteil als Barchef des Austragungsortes im „Gustav“ aber nicht für sich nutzen konnte.

Seit beinahe zwei Jahren zeichnet er dort als Barchef der klassisch ausgerichteten Bar mit Schwerpunkt auf Rum und Whisk(e)y – aber auch Tequila und Mezcal – für den Barbereich, die Lounge und eine Weinbibliothek verantwortlich. Zudem für die Aperitifs der Gäste des 16 Gault-Millau-Punkte schweren Restaurants Gustav, in dem Sternekoch Antonio Colaianni das kulinarische Zepter hält und mit seinen Kreationen das Restaurant in der Europaallee beleben soll. „Einfach zubereitete Cocktails und wechselnde Aperitifs mixen wir vor den Gästetischen – was sehr gut ankommt“, erklärt Archundia. Die Bar zum Anfassen, sie wird immer wichtiger.

Klassiker der alten Welt, mexikanisch aufgejazzt

Wenn er halbjährlich die Barkarte wechselt, dürfen Tequila, Mezcal, Kräuter, frische Früchte und frisch gepresste Gemüsesäfte nicht fehlen. Unter dem Motto „Twisting the Classics“ hebt Armando Archundia gerne die geschmacklichen Besonderheiten der Agavenspirituosen in neu interpretierten Klassikern hervor. Eine Variante des Dry Martini nennt er „Bacon Martinez“ und kreiert ihn mit Mezcal Espadin, Antica Formula, Pineapple-infused Dubonnet, Maraschino und Bitters. „Tikal Sazerac“ besteht aus Zacapa Centenario Rum, Mezcal Espadin, Agavensirup, Peychaud’s Bitters, Angostura Bitters und Absinth. Im Sommer mixt er die Drinks auch in der hauseigenen Rooftop-Bar im zwölften Stockwerk. Außer sonntags. Dann nämlich vermengt Archundia Zutaten nur wenige Meter entfernt in seiner ehemaligen Wirkungsstätte Loft Five, einem der ersten Restaurant- und Barbetriebe in der Europaallee, ein in Entwicklung befindliches Stadtquartier hinter dem Hauptbahnhof – wo sich übrigens auch der Hamburger Le Lion- und Boilerman Bar-Betreiber Jörg Meyer im 25hours Hotel mit einer Trinkstätte niederlassen und das wachsende Viertel mit Magnaten wie Google oder Schweizer Banken gastronomisch ergänzen will.

Mindestens zweimal im Jahr gastiert Armando Archundia in Mexiko. Einerseits um seine ganze dort verbliebene Familie und Freunde aus der Schulzeit, andererseits um Mezcal- und Tequila-Brennereien zu besuchen, deren Produkte er importiert und gemeinsam mit einem Partner in Workshops in der Schweiz, aber auch in einigen deutschen Städten Interessenten oder Vertretern der Gastronomie vorstellt. „Wir vermitteln Wissen zu diesen beiden Spirituosengattungen, erklären die Herstellungs- und Produktionsverfahren, führen Tastings und Blind Tastings durch“, so der umtriebige Mexikaner. Wenn er mal nicht arbeitet – „was nicht allzu oft vorkommt“ –, dann verbringt er am liebsten Zeit mit seiner 19-jährigen Tochter, die in Baden Medizin studiert. Oder er besucht seine Kollegen und Freunde des Zürcher Barreigens, der vielleicht irgendwann einmal durch eine Einrichtung ergänzt wird, „die es noch nicht gibt“. Die aber bestimmt in mexikanischem Stil ausgerichtet sein wird. Sagt Armando Archundia lächelnd.

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