Das Aurora ist ein skandinavisches Refugium im Süden Wiens
Aurora, die Bar des Andaz Vienna Am Belvedere, hat sich der nordischen Trinkkultur verschrieben. Das interpretiert man in der spektakulären Rooftop-Bar ohne jegliche Klischees – und gibt mit seinen Drinks sogar ein wenig Nachhilfe im Prozentrechnen.
Poesie im Aufzug? Mit einer gravierten Zeile aus Suzanne Kindlers Gedicht „Up North“ startet die Reise in den 16. Stock des Hotel Andaz: „A place made of cabins, pine trees and lakes”. In der Tat thront die Anfang Mai eröffnete Bar wie eine gläserne Lodge am Neubau nebst dem Wiener Hauptbahnhof, Kaminfeuer inklusive.
Auch wenn Kräne und Bauzäune rundum den Blick stören: Ab der Höhe des Schloss Belvedere sieht man den Aufbau von der Prinz Eugen-Straße aus. Der Feld- und Bauherr aus Savoyen geistert auch als eine Art postmodernes Maskottchen durch das neue 303-Betten-Haus. Soviel Wiener Nostalgie muss sein; die „Seen“, die es einen Lift-Stopp weiter oben gibt, bestehen allerdings aus Aquavit und der Dickmilch Filmjölk.
Aurora Bar Wien: Direkt-Lift zum Wacholder-Bier
Doch bleiben wir vorerst im Aufzug. Denn der führt direttissima zur Aurora – man will bewusst nicht nur Hotelgäste ansprechen. Wiens Barflys sollen nicht in der Lobby nach dem Weg fragen müssen. Im Sommer ließ man dafür extra Austern auf Eis, Smoothies und ein leichtes Dessert-Buffet beim „Al fresco in the sky” auffahren.
Man merkt an solchen Kleinigkeiten, was der Hyatt-Gruppe hier vorschwebt: Auch wenn Wien bereits bisher schon (einige wenige) Rooftop-Bars aufwies – im 16. Stock will man buchstäblich einen draufsetzen. Zumal man beim ersten Neubau der Hyatt-Gruppe (sie hält 50 % an der Hotelimmobilie, die anderen 50 % gehören der Signa-Gruppe von René Benko) einen guten Planungsvorlauf hatte.
Die Aurora Bar wurde von zwei Profis konzipiert
Das nordische Thema ist am Dach optisch durch die Holzlandschaft des Open-Air-Bereichs unverkennbar, wenn man seinen Blick vom Belvedere-Park gelöst hat. Bis zu den Gasometern in Simmering sieht man und es stand von Beginn an fest: Die Aurora sollte Wiens Barszene ein glänzendes (Nord-)Licht aufsetzen.
Konzipiert wurde dieses skandinavische Refugium im Süden Wiens von zwei stadtbekannten Bar-Profis: Michael Fortner, direkt aus der Bar des „SO“-Hotels gekommen, und Marcus Philipp, österreichischer World-Class-Gewinner 2017. Während Philipp nach Stationen in der Albertina Passage, der Spelunke und der Sky Bar im August die Aurora wieder verließ, rührt F&B-Chef Fortner schon im ebenerdigen Hotel-Restaurant Eugen21 die Werbetrommel für die Dachterrasse.
„Unser Hausbier wurde für die Aurora konzeptioniert“, so Fortner. Das BrauWerk Ottakring verwendet dafür sechs Kilo Wacholder für 1.000 Liter Sud, „denn das Gewürz verbindet die heimische und die nordische Küche“. Und so beginnt schon beim Aperitif die Nordmeer-Fahrt – mit einem „Andaz Lager“ oder einem „A&T“, dem Aquavit-Tonic des Hauses (13 Euro).
Aurora Andaz Vienna: Skandinavistik zum Schlürfen
Eine Seite weiter ruft einem das Drinks-Menü ein isländisches „Huuh!“ zu. Der dazugehörige Drink verbindet Wikinger-Bier-Sirup und einen Whisky-Mix aus den Normannen-Ankerplätzen Schottland und Kanada („Copper Dog“ und „Lot 40“) um 14 Euro. Doch auch die modernen Gesänge Skandinaviens bekamen ihre Hommage: „Mamma mia“ bringt die federleichten Harmonien von Abba in eine Americano-Negroni-artige Form. Aufgegossen wird der Cocktail aus Kartoff Dry Gin, Campari und rotem Wermut nämlich mit Lemonsoda (14 Euro).
Wer sich dem in der Donaustadt abseits vom zentralen Schwedenplatz eher unterbelichteten Thema Skandinavien noch intensiver widmen will, bekommt sogar sprachliche Nachhilfe. Kaum, dass der Ur-Wiener protestieren kann, weil hier schon wieder das „L-Wort“ aus der norddeutschen TV-Synchronisation auf der Cocktail-Karte prangt, klärt man zum „Lägga Rabarber“ (13 Euro) auf. Denn „Rhabarber auf etwas legen“ bedeutet übersetzt „etwas in Beschlag nehmen“, glänzt Marius Willenbücher mit seinem Vokabular und einem lupenrein gerollten „lägga rabarber på något“.
Rauchiger Gin kennt keine Saison
Herausragend unter den fünf Cocktailthemen, die Dänemark, Finnland, Norwegen, Island und Schweden repräsentieren, ist die Seite mit den geräucherten Drinks. Der „Smoky Tea“, eine Art Earl Grey Sour, legt dabei beim Trinken kontinuierlich an Rauchgeschmack zu. „Wir haben das auch mit Lapsang Souchong“ probiert“, plaudert Marius Willenbücher aus der Schule. „Doch der geräucherte Earl Grey passte noch besser.“ So baut sich der Rauch subtil auf, aus dem anfangs wie kräftiger Eistee aus einer Glaskanne rinnenden Cocktail wird allmählich eine fast Islay-Whisky-intensive Spielart eines Gin-Drinks (15 Euro).
Wer angesichts des Wikingerlobs und rauchiger Drinks wie dem „Scandinavian Tiki Tiki“ an eine Art Herrenzimmer im 16. Stock denkt, irrt. Elchköpfe wird man ebenso wenig hier antreffen wie Brennvin-gurgelnde Runden. Denn zwischen all den kräftigen Aromen hat sich auch das „Wiener Madl“ seinen Platz erkämpft. Die Philipp-Kreation ist ein Gin-Highball, versüßt mit Fentimans Rose und etwas Holunder. An ihm lässt sich eine der Neuerungen der Andaz Bar gut nachvollziehen. Denn bei allen Signature Drinks stehen die Prozentverhältnisse der Zutaten dabei. „63% Rosenlimonade, 25% Kartoff Gin, 6% frische Zitrone und 6% Holunder“ liest sich das dann auf der Karte.
Aurora im Hotel Andaz Vienna
Die Aurora gibt Prozentrechnen für‘s Wiener Madl
„Wir wollten den Gästen die Cocktails auf der Karte etwas anders nahebringen“, erläutert der stellvertretende Barchef Willenbücher die Rechenarbeit. Mit der unkonventionellen Aufbereitung werde für den Gast aber deutlicher, „wonach der Drink wirklich schmeckt“. Dass eine Lieblingszutat auf der Karte steht, aber untergeht im Mix, kennt man schließlich. Andererseits ist man auch davor gefeit, eine „Überdosis“ ungeliebter Geschmäcker abzubekommen, wenn man das Prozentrechnen beherrscht.
Wer also keinen Kaffee mag, sollte vom „Scandinavian Coffee“ (19 Euro) – 54% Schweppes Dry Tonic Water, 22% hausgemachter Schwarzbrot-Vodka, 16% frischer Espresso, 8% Kaffeelikör – dann eher die Finger lassen. Für die anderen ist er so etwas wie das „Frühstück für Champions“, wenn die Terrasse erst um 14 Uhr öffnet.
Aber skandinavische Morgenröten sind in der Aurora ohnehin keine Frage der Tageszeit.
Credits
Foto: ©Aurora Andaz Hotel Wien