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MEIN DRINK & ICH: ISABELLA LOMBARDOS RAPSCALLION

Den Lieblingsdrink schlechthin gibt es nicht, findet Isabella Lombardo. Doch es gibt perfekte Drinks für bestimmte Situationen. So wie den Rapscallion. Die Wiener Bartenderin über die besondere Begegnung mit diesem kraftvollen Scotch-Cocktail und darüber, wie er zu ihrem ganz persönlichen Darling wurde.

„Was ist dein Lieblingscocktail?“ ist vermutlich nach „Bekomme ich Gratis-Shots ?“ oder „Gibst du mir deine Telefonnummer?“ eine der meist gestellten Fragen an Bartender und Bartenderinnen. Nachdem ich Datingplattformen wie Tinder wirklich lustig und interessant finde und nichts mehr liebe als meine Gäste an der Bar – vor allem, wenn sie vier Gin & Tonics intus haben und mir die Welt erklären möchten – komme ich um diese Frage nicht wirklich herum. Wie also erkläre ich jemandem, der nicht aus dem Fach ist, die Komplexität eines Cocktails, ohne nerdig, rechthaberisch oder spießig zu wirken? Na gut – let’s try:

Es kommt auf den Moment an

Es gibt so etwas wie einen Lieblingsdrink nicht! Denn: Es kommt auf den Tag an, auf unser Wohlbefinden. Ob wir glücklich sind, trauern, eine wichtige Entscheidung fällen müssen, glücklich verliebt sind oder auch Liebeskummer haben. Ob wir vor Traurigkeit nicht einschlafen können, mit der Arbeit nicht nachkommen oder gar die ganze Welt umarmen möchten. Es kommt drauf an, ob die Sonne uns am Morgen küsst oder wir im Regen tanzen wollen. Darauf, ob wir uns schön fühlen oder im Fitnessstudio die restlichen Kilos weg schwitzen; oder ob wir mit unseren Freunden den Abend ausklingen lassen oder gemütlich an der Bar alleine eine Zigarre rauchen.

Cocktails sind auch immer Emotionen – aus diesem Grund gibt es keinen Lieblingscocktail schlechthin. Aber es gibt natürlich einige, die sehr nahe drankommen. Und in meinem Fall ist es der Rapscallion.

Die zufällige Begegnung mit dem Rapscallion

Vermutlich hätte ich den Drink nie entdeckt, wäre da nicht die „Hospitality Challenge“ bei der diesjährigen World Class-Competition in Wien gewesen, bei der jeder von uns Teilnehmern dachte, wir dürften ausschließlich Cocktails mit Single Malt mixen. Und wenn wir ehrlich sind, wer von uns kann schon aus dem Stegreif wenigstens fünf verschiedene Single Malt-Cocktails aufzählen? Manche meinten, es gäbe nicht einmal welche – aber diese Erörterung würde jetzt in die falsche Richtung gehen, eine Themenverfehlung sein und von meinem ursprünglichen Drink ablenken. Dabei neige ich schon von Grund auf dazu, vom Thema abzuschweifen. Also zurück zur Competition und meiner Begegnung mit dem Rapscallion.

Mit der festen Überzeugung, den einen oder anderen Single Malt-Cocktail zu finden, bin ich schließlich auf diesen Drink gestoßen. Nachdem ich dann verstanden habe, dass es keinen Sinn macht, mich auf die Art der Drinks zu versteifen, sondern einfach zu improvisieren und Klassiker um zu ändern, war ich davon fest überzeugt, meinen Drink den Juroren präsentieren zu können. Blöd war nur, dass es in der „Black Box“ mit den Zutaten keinen PX Sherry gab – und da stand ich dann, kurz perplex mit dem Gedanken: „Gut gemacht Isa, wann lernst du endlich, das Regelwerk genau zu lesen?“

Im Endeffekt wäre es sowieso egal gewesen, da mein geschätzter Fachkollege Gabriel Daun mich indirekt auf einen Old Fashioned leiten wollte, was ich in meiner Panik gar nicht verstanden habe. Deswegen hat er einen Vieux Carré bekommen, der meiner Meinung nach ohnehin die bessere Wahl war (Cheers Gabriel!).

Promilletwist im Probierstübchen …

Zurück in der Bar habe ich mich dann gemeinsam mit meiner zweiten Bartenderin Daniela Dornbusch auf unseren neu entdeckten Drink, eben den Rapscallion, gestürzt. Wie alle Bartender wollten wir das Rad neu erfinden – einen eigenen Signature Drink haben und nicht nur den Gästen erklären, wir hätten ihn in irgendeinem Buch entdeckt. Also fingen wir an zu stirren, shaken, werfen und weiß Gott sonst noch was, bis wir drauf gekommen sind, dass schon eine ganz minimale Veränderung den Drink speziell macht. Geschätzte zehn Drinks später (und mit gefühlten zwei Promille) waren wir dann endlich zufrieden. Eigentlich sogar mehr als zufrieden! Wir haben gleich Proben abgefüllt und sie unseren Freunden in die Bars gebracht – und siehe da, es lag nicht an unserem Alkoholpegel, denn auch die Kollegen fanden den Drink gut. Manchmal sollte man dann doch das Motto „keep it simple“ beibehalten .

Ein Drink für Davy Jones

Nachdem in unserer alten Bar alles geworfen wurde, was nur zum Werfen geeignet war – Limetten, Shaker, Drinks und ab und zu Cocktailschalen (was erklären würde, warum wir so einen großen Schwund in den ersten Wochen hatten) – und sogar unser Chef es nach zweimal Üben draufhatte, beschlossen wir, unseren Cocktail auch zu werfen. Die Sinnhaftigkeit darf sich dann jeder von uns selbst ausmalen. Schließlich hat da jeder Bartender seine eigene Theorie, was Luftzufuhr, Schmelzwasser und ähnliches betrifft.

Das Originalrezept verlangt nach Scotch, Dani und ich entschieden uns dabei für unseren stürmischen Freund Talisker, der perfekt mit dem durch Reinhard Pohorec zuvor empfohlenen PX Sherry harmoniert. Für den nötigen Kick haben wir noch Black Walnut Bitters und Chocolate Bitters hinzugefügt, und voilà: der Davy Jones’ Locker, unsere Abwandlung des Rapscallion, war geboren. Eine kleine Hommage an den Talisker mit seiner tiefen, dunklen Seele und seinem stürmischen Charakter. Das wäre doch auch eine gute Beschreibung für eine Datingplattform. Ich für meinen Teil würde sofort auf „gefällt mir“ klicken.

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