Born on the Baijiu – Zum flüssigen Kulturgut Chinas, Teil I
Baijiu war die Wunderwaffe des Mao auf dem Wege zur Revolution und symbolisiert auch heute noch wie keine andere Spirituose chinesische Trinkgewohnheiten. Dem Destillat haftete dabei lange Zeit ein schlechter Ruf an. Das soll sich nun ändern. MIXOLOGY ONLINE mit einer Bestandsaufnahme zwischen weißem Feuer und rotem Drachen.
China, das ist ein Land voller Gegensätze. Ist seine Küstenregion geprägt von stark agglomerierten Metropolen, Epizentren der nimmermüden Entwicklung hin zur High-Tech-Industrialisierung zahlreicher Wirtschaftsstandorte, denen das Land eine Spitzenposition unter den Global Playern verdankt, so bietet sich dem aufmerksamen Beobachter landeinwärts ein gänzlich anderes Bild. Rudimentäre Infrastruktur trifft auf archaisch-schönen Charme, Sinnbild der Tradition, Landwirtschaft versprühend. Genau hier ist es, wo die Geburtsstunde eines chinesischen Mythos entstand: der des Baijiu.
Die Legende besagt, dass einst Yi Di, Ehefrau des Gründers der Xi-Dynastie, mit ihren göttlichen Händen jenes mystisch und sagenumwogende Getränk braute, das heutzutage über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Gewiss ist der Alkohol tief verwurzelt in der Geschichte des Landes des Lächelns. So manifestierte einst Tang-Poet Du Fu mit Versen wie „Nur der Wein erleuchtet das Herz“ seine Liebe hin zum Beeren-Trank, während Literaturnobelpreisträger Mo Yan unmissverständlich zu verstehen gibt, dass „wer dem Schnaps fernbliebe, unmöglich über Literatur reden könne.“
Über Pagoden und Präsidenten
Es ist gerade in der wirtschaftlich gering entwickelten Region der Provinz Guizhou, wo die Erfolgsgeschichte des Baijius maßgeblich beginnt. Heute erinnert an die Wichtigkeit des mittlerweile zum Nonplusultra gewordenen Destillats gar eine große Statue am Rande der sich durch die Unwägbarkeiten des Hinterlandes und an Pagoden vorbeischlängelnden, neu errichteten Autobahn. In ihrer Hand ein Schnapsglas. Sein Inhalt, Baijiu. Natürlich!
Versucht man mit einer einfachen Formel, das Geheimnis zu lüften, so ist Baijiu vereinfacht gesagt nichts anderes als ein Brand auf Getreidebasis. Er ist daher zwar durchaus verwandt mit Vodka und Korn, unterscheidet sich von ihnen jedoch fundamental aufgrund seines speziellen Destillationsprozesses. Gerade was die Zusammensetzung des fertigen Destillates angeht, so zeigt er sich ungewöhnlich liberal und verschreibt sich nicht allein auf Halmgetreide. Hauptsächlich wird er aus Hirse gewonnen. Fermentation, Gärung, Destillation könnten die einzelnen Arbeitsschritte nicht besser bezeichnet werden. Während der Fermentierung wird zunächst eine Starterkultur geschaffen. Getreide wird demnach mit Schimmelpilz vermengt. Dieser wird zu Alkohol vergoren. Für die Gärungsaktivität wird der Starterkultur ein weiteres Getreide (Sorghum) hinzugefügt. Das Resultat wird mehrfach destilliert.
Entscheidend bei der unterschiedlichen Ausprägung des Destillates ist vor allem die Verwendung nach Art der Starterkultur. Für Daqu (gröbere Kulturen) werden Aspergillus-Schimmelpilze verwendet. Xiaoqu (feinere Kulturen) verwenden Mucor- und Rhizopus-Kulturen. Der Alkoholgehalt des fertigen Destillates liegt zwischen 50-65% Vol. und ist geschmacklich in zwei Sorten einzuordnen: klar und dick. Klar zeichnet sich durch einen leichten und frischen, dick hingegen eher durch einen schweren, gar kräftigen Geschmack aus.
Mao Mao? Mai Tai? Maotai!
In Guizhou liegt die Destille des wohl bekanntesten Baijius. Jene des Maotai. Es war im Jahre 1964, da erhielt ein damals junger Gärtechniker mit dem Namen Ji den Auftrag, die heruntergekommene Destille in Maotai auf Vordermann zu bringen. Bewegt durch die Order des Führers Mao Zedong, machte er sich auf eine beschwerliche Reise durchs Hinterland.
Der Staatslenker der Volksrepublik China jedoch wandte sich bereits 1958 dem chinesischen Erzeugnis zu. Seine Wunschvorstellung, China zu einem Stahlriesen zu machen, schien mit einem Tauschhandel zwischen der UdSSR und seiner Nation als fest besiegelt. 80.000 Tonnen Rohstahl gegen 10.000 Tonnen Maotai forderte er größenwahnsinnig, wohl in Kenntnis, dass damalige Destillen nur im Stande waren, knapp 280 Tonnen pro Jahr zu produzieren. Die Hungersnot grassierte, und Bauern sahen sich gezwungen, ihre Notration an Hirse für den großen Führer noch zu kürzen. Ein grausames Kapitel liquider Geschichte. Zwar wurde der chinesische Exportschlager bereits 1915 in San Francisco auf die Panama Pacific Weltausstellung geschickt und international prämiert, auch wurde er am geschichtsreichen 1. Oktober 1949 – der Gründung der Republik – auf dem Staatsbankett gereicht, doch erfuhr der Baijiu vielleicht eben erst auch mit der Assoziation der Qualität des so eng mit Mao verbundenen Maotai mit der Revolution seinen großen Durchbruch.
Baijiu: Come on baby, light my fire!
Fortan wurde der Baijiu aufgetischt, wann immer sich dazu ein Anlass bot. Den Amerikanern wurde er einst zum Verhängnis; so verglich Henry Kissinger seinen Geschmack gar mit Kerosin, als er im Zuge einer Annäherung zwischen den USA und China während eines Banketts damit konfrontiert wurde. Er erzählte später die Anekdote, wie berühmt-berüchtigter Baijiu das Weiße Haus nahezu in Flammen setzte. Der damalige Präsident Nixon wollte seiner Tochter Tricia zeigen, wie hochprozentig sein Gastgeschenk doch sei. Er goss den Baijiu in eine Schüssel und warf ein Streichholz hinein. Die Schüssel zersprang, der brennende Alkohol floss über den Tisch.
Von den Amerikanern nahezu verteufelt und ob des strengen Geschmacks scheinbar gemieden, ist das chinesische Getränk stark verwurzelt mit der Restaurant- und Barkultur des aufstrebenden Industrieriesen. Häufig verbunden mit Trinkspielen wie „Schere, Stein und Papier“, muss der Verlierer einen Shot des „weißen Feuers“ in sich hinein kippen. Glas um Glas, Flasche um Flasche.
Made in China, globally appreciated?
Dass sich das authentisch-ehrliche, eigenwillige Destillat längst vom Nischenprodukt zum großen Player gemausert hat, beweisen zahlreiche Statistiken eindrucksvoll. Mit über 13 Milliarden Litern pro Jahr zählt sie zur am meisten getrunkenen Spirituose der Welt. Das Sammeln von 15-30 jährigen Jahrgangsschnäpsen ist in China mittlerweile zum prestigeträchtigen Trend geworden. Für noch ältere Qualitäten wurden auf Auktionen gar Spitzenpreise bis zu 110.000 Euro für die 0,7l Flasche erzielt.
Kein Wunder also, dass dieses produktionsstarke Gebräu nach Sicht chinesischer Produzenten und globaler Importeure nun der ganz große Wurf und der damit verbundene Schritt auf die große Weltbühne gelingen soll. Auch Spirituosen-Riese Pernot Ricard beispielsweise sicherte sich bereits einen Baijiu.
Doch welche Risiken sind mit einer Markteinführung verbunden? Wo liegen hierbei die Schwierigkeiten, und wie wäre das Produkt überhaupt einsetzbar? Mehr dazu erfahren Sie schon bald im zweiten Teil. Bis dahin und Ganbei!
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