Das Comeback von Dirk Hany: Die „Bar am Wasser” in Zürich
Der Verlust für Zürichs Angelsport war groß, der Gewinn für die Barszene umso größer: Dirk Hany ist mit seiner „Bar am Wasser” zurück am Shaker. Er hat den 1937 gegründeten Sportladen von Ruedi Brumann in eine Bar verwandelt, die wie ein Gourmet-Restaurant ticken soll. Und darüber hinaus noch einiges vor.
Am Tag des Gay-Oktoberfests, dem Pink Monday, sorgte die lang erwartete Eröffnung der „Bar am Wasser“ für das Kontrastprogramm. Der Name ist dabei keine Übertreibung. Vor ihr erstreckt sich der Blick auf den Zürich-See, auch die Limmat befindet sich zur Linken des Stadthausquais.
Man könnte auch sagen: Sie liegt Backbord. Denn wie zufällig ein paar Meter zu weit hinter der See-Anlegestelle Bürkliplatz geparkt, hat das Gebäude der Bar auch die Form eines Schiffs: lang und eher schmal, mit einer Kommandobrücke, die zweistöckig ausfällt und von der Kapitän Hany alles im Blick hat.
Statt der Möwe fungieren aber Flamingos als Galionsfiguren, sie stehen für das weibliche Prinzip, während den Herren mit einem Augenzwinkern Affen zugeordnet sind. Je nach Geschlecht zieren die Tiere Schürzen der Crew, aber auch die Toiletten-Türen.
Nostalgie, vom Luster bis zum Bar-Menü
Derlei subtiler Humor bricht die Edel-Architektur, die vom Luster abwärts Gediegenheit ausstrahlt. Lediglich der Boden stammt noch vom Vorgänger, der dritten Generation des Angelsport-Ausrüsters. Das Parkett war zu schön, um es heraus zu reißen. Und es passt als Gegensatz zu den Polstermöbeln und Wandtäfelungen, die „modernes Art déco“ vermitteln wollen, so Hany.
Vor allem Silber und Messing waren Lieblingsmetalle dieses Stils und so mancher Wandschmuck zitiert das Erbteil glaubwürdig. Gleich links von der mit knapp vierhundert Spirituosen bestückten, zweistöckigen Bar hängt etwa die Shaker-Sammlung. Aus aller Herren Länder und quer durch die Epochen spendeten Kollegen ihre Werkzeuge. „Employees only“ steht auf einem der Zettel, die Auskunft über die Provenienz geben. Daneben findet sich eine Sonderanfertigung mit Hirschgeweih für einen Jägermeister-Fan aus der „Widder Bar“.
Üppige Spirituosenauswahl in der Bar am Wasser
Dirk Hanys alte Wirkungsstätte, ehe er als Premium-Spirituosen-Vertreter zu Pernod-Ricard wechselte, ist also präsent. Sie begegnet einem auch in der Barkarte wieder. Diese steht unter dem Motto „Vergangenheit und Zukunft“ und zeigt Porträts aller Mitarbeiter an ihren alten Bars – einschließlich eines Jugendbildnisses des Chefs mit Shaker am Zürcher Rennweg. Eines fällt gleich auf in der magazinartig gehaltenen Karte: Vom Start weg üppig ist die Auswahl der Spirituosen. Die knapp 400 Positionen, mit einem deutlichen Schwergewicht auf Whisky, ermöglichen u. a. die Wahl zwischen 48 Gins.
In der Cocktail-Liste mit den englischen Beschreibungen der Signature Drinks wird man sie aber nicht finden: „Der Gast soll nach Geschmack aussuchen“, so Hany, der stattdessen auf das Ausgangsmaterial der Basisspirituosen setzte. „Grain, grain and some more grain“ steht da schon mal in der Zutatenliste. Oder – beim „Monkey Flip“ mit Monkey Shoulder Whisky – „malt, malt, malt“.
Statt dem Bestellungsabwürger Tequila findet sich die sympathischer klingende Agave im Drinks-Menü, das immer einem Thema gewidmet wird, stilistisch aber stets neu sein soll. „Das kann auch mal als Comic, einfaches Holzbrett oder als Zugangscodes für eine App mit den Drinks daherkommen“, sinniert der Bar-Chef.
Bar am Wasser
Amuse-Bouche im Anglerladen
Den Fokus auf die Rohstoffe zieht er auch bei einer anderen Spezialität weiter. „Wir wollen wie ein Gourmet-Restaurant für Cocktails agieren“, lautet die Devise. Statt der Petit fours zur Rechnung gibt es daher einen Winz-Schluck Sherry für die Gäste, eingestimmt werden sie auf ihre Bestellung mit kleinen Grüßen aus der Küche: Wer Wein bestellt, kriegt Trauben, wer auf das Bier wartet, dem serviert man einen Trester-Chip. Und selbst einen Pre-Cocktail gibt es an der Limmat. Die Anleihen an der Topküche gehen bis hin zum Serviertablett, mit dem die Drinks zum Gast kommen.
Gestartet wurde mit 25 Cocktails vom Chef des fünfköpfigen Bar-Teams, darunter finden sich Hany-Klassiker wie der „Burro de los muertos“, aber auch ein mit Branca Menta und Hendrick’s Orbium befeuerter „Panki Hanki“. Die nächste Karte, auch sie wieder auf 300 Stück limitiert, werde sicher von den Mitarbeitern mit Rezepturen befüllt, so Dirk Hany. Denn auch am Stadthausquai legt er Wert auf die Ausbildung des Teams. Kräuterwanderungen in Andermatt und „Bildungsreisen“ nach Genf hat die aus ehemaligen Kollegen aus dem „Clouds“ oder der „Baltho-Bar“ bestehende Crew schon mit ihrem Sensei absolviert.
Traum-Tonic und Eis-Schlagen
Der lange Vorlauf diente neben dem Team-Building auch der detailreichen Konzeption, in der sich auch ein eigener Filler für die neue Bar ausging. „Tonic Limmatien“ heißt der mit Grapefruit, Kaffee, Edelweiß und Koriander abgeschmeckte Mix von „Aqua Monaco“, intern schlicht als „mein Traum-Tonic“ bezeichnet.
Und auch Plastik hat man gänzlich verbannt am Zürisee: Die Stirrer sind aus Glas, die Trinkhalme aus Metall. Einmal die Woche fährt der Eismann vor und liefert einen ganzen Eisblock, aus dem dann die Brocken für den Old Fashioned geschlagen werden. Als eine der fünf Drinks-Kategorien – daneben gibt es auch Bitter, Highballs oder Short Drinks, jeweils mit einer alkoholfreien Option – legt man besonderen Wert auf den Whiskey-Evergreen. Fünf Varianten, vom rauchigen „Hellboy“ bis zum Kaffee-Ersatz „Dr. No“, werden an den zwei Mixstationen aufgeboten.
My own private Bartender
Nicht nur der anonym bleibende Investor (O-Ton Dirk Hany: „Ein Lotto-Sechser!“), auch der Vermieter erweist sich als Motor der Bar. Der Innenhof steht demnächst zum Bespielen an, damit erweitern sich die 66 Plätze der Bar und die 48 Garten-Sitze um einen intimen Bereich, ein samt privatem Bartender zu mietendes Separee mit Seeblick am Ende des „Kirchenschiffs“.
Denn es wird bereits weiter geplant. Einerseits soll eine weitere, in diesem Fall den Highballs gewidmete Bar in Zürich folgen. Zum anderen übersiedelt eine private Weinsammlung in den Bar-Keller, die Raritäten flaschenweise verfügbar macht. Damit steht auch der bekannt spendierfreudigen, internationalen Zürcher Community eine Auswahl zur Verfügung, denn bei den Drinks hält man sich mit Preisen zwischen 17 und 18 Franken für die Lage auf bescheidenem Niveau. Wer nur ein Glas Wein will, kommt mit 8 bis 10 Franken über die Runden, die auch beim Libanesen am Bellevue aufgerufen werden.
Bar am Wasser: Anlegestelle von Zürichs Cocktail-Luxusliner
Apropos Küche: Käse vom Freitagsmarkt „Bürklimärt“ vor der Haustüre, Culatello und Beef Tatar sind die nahrhaften Optionen. Mit ihnen als Unterlage lässt sich von fernen Ländern träumen. An der Anlegestelle von Zürichs Cocktail-Luxusliner.
Credits
Foto: Gianmarco Castelberg