David Penker legt los: der (Neu)Start der Bar Campari in Wien
Die Gastronomie in der österreichischen Hauptstadt darf wieder aufsperren. Und ein ehemaliger Luxushotel-Bartender steht dabei an einer Highball-lastigen Außenbar: Mit David Penker startet die „Bar Campari“ in Wien ihre Wiedereröffnung. Und zugleich Phase Eins eines neuen Cocktail-Programms mit viel Ambition.
Einem Nicht-Wiener das „Schwarze Kameel“ zu erklären, ist gar nicht so leicht. Aber notwendig für diese Geschichte. Oder besser: ihre Vorgeschichte. Denn einen abgehobenen Hauptstadt-Treff, wo Politiker zwischen Trüffel-Pasta und Hummerschwänzen Journalisten den einen oder anderen „Zund“ geben, besitzt jede Weltstadt.
Im „Kameel“ geht derlei bei der vierten Runde Spritzwein und Beinschinken auch in Zeiten wachsamer Compliance-Wächter. Dass es daneben drei Generationen einer Familie sind, die im 400 Jahre alten Lokal anstoßen, ist die andere Seite. Promis lassen sich im Ersten Wiener Bezirk nicht vermeiden. Dass sich Pensionistinnen hier ihre Brötchen holen, muss man sich hingegen erarbeiten: „Vier Mal Mandarine-Ei, bitte“!
Diesen Gästemix, der selten geworden ist in Zeiten von Hypes und Likes, genießt Patron Peter Friese nicht nur, er hat ihn zu seinem Anspruch gemacht: „Wir sind ein sehr demokratisches Lokal.“ Der Inbegriff eines Gentlemans ist als Gastronom auch ein freundlicher Perfektionist. Er selbst leidet richtig, bis etwa eine Brötchenvitrine perfekt „funktioniert“. Drei Mal hat er sie allein heuer bereits nachjustiert.
Und da sprechen wir bereits von der „Bar Campari“, die aber ohne das Verständnis des Kameels schwer zu beschreiben ist.
Langes Nachdenken, kurzes Sitzenbleiben
Denn selbst Wiener vermuteten – mit der stadteigenen Bösartigkeit – in der neuen Friese-Location eine Kannibalisierung, ein „Kameel Italico“. Die alte Stammkundschaft teilte sich aber nicht, dafür kamen völlig neue Gäste. Doch der Gastrofuchs, der mit einem erfolgreichen Sommer-Pop-up mit Campari die Partnerschaft mit den Mailändern bereits vertieft hatte, wollte der im Oktober 2019 eröffneten Bar Zeit geben.
„Die Leute sehen immer das Fertige, aber nicht die Fehler am Weg“, formuliert es Peter Friese. Dass man durch Corona noch kein volles Betriebsjahr hatte, dafür aber mehr Lehrzeit, als man sich wünschte, ist leider Fakt. Doch der Profi ist auch hier wieder einen Schritt voraus. „Die Gäste werden nicht sofort wieder und nicht so lange in den Lokalen sein“, schätzt er die frühe Sperrstunde (22 Uhr) in Österreich ein.
Cocktails würden nun eben mitgenommen werden. Das berühmte „Fluchtachterl“, bei dem man in Wien gern auch noch drei Flaschen Wein lang sitzen bleibt, wird nun eben real. Denn die Bar sei ein ganzheitliches Erlebnis, ist Friese überzeugt. Wieder hörte er genau hinein in den Maschinenraum der Gastronomie, in diesem Fall wörtlich. „Wir alle haben doch den Klang einer Bar im Ohr, wo man die Kaffeemaschine hört, das Eiswürfel-Klacken… Und auch wenn alle ihren Espresso im Becher trinken, ist das nicht dasselbe.“
Der Gast als Halbnomade der Bar Campari – noch!
So ist es nur konsequent, dass im klassischen Espresso-Becher der Bar Campari eben kein Getränk steckt wie überall sonst. Sondern Salzmandeln, die es zu jedem Drink „to go“ dazugibt. Negroni, Americano und Co. werden nämlich im Schraubglas gereicht. Die Passanten können die großzügigen 15-cl-Serves mit nach Hause nehmen, am ruhigen Platz vor dem Lokal verzehren oder in der Straßenbahn „Adesso tu“ dazu singen.
Verabreicht wird diese ambulante Dosis Italianitá seit Mai von David Penker und seinen beiden Kollegen. Womit wir – finalmente! – bei der personellen Erneuerung wären, die knapp vor Ende des Austro-Lockdowns das Konzept in der Seitzergasse veränderte. Auch wenn Penker den weißen Doppelreiher vorerst nur im Freien tragen wird. Die stylische Außenbar ist die neue Wirkungsstätte des ehemaligen Chefs der „26°East“. Denn zum zweiten Mal traf man im Palais Hansen Kempinski die Entscheidung, eine bestens eingeführte Hotelbar einfach zu schließen. Bereits die „Henri Lou“ ereilte jenes Schicksal, nun zogen eben Sushi statt Sours ein am Wiener Ring.
Aber dann! Fermentieren für den Herbst
Dafür freut sich eben die Bar Campari über einen prominenten Neuzugang, der lange über die Verweilzeiten von Äpfeln in einer Fermentierbox räsoniert. Oder die besten Fasshölzer für seine Barrel-Aged-Negronis durchtestet. Die soll es nämlich geben, sobald das Klimpern der Eiswürfel wieder „indoor“ zu hören sein wird. Für diesen Fall, das merkt man, haben Peter Friese wie auch sein Barchef die unfreiwillig gewonnene Zeit im Frühjahr bestens genutzt. „Die Karte, mit der wir – hoffentlich ab Herbst – starten, ist fertig.“ Denn noch ist die Bar wie ein Campari-roter Alfa Romeo Giulietta Sprint mit angezogener Handbremse unterwegs. Doch immerhin: Auch die offizielle Karte für die Außengastronomie zeigt bereits Neuzugänge abseits der Italo-Klassiker.
Da schleicht sich eine Taube aus Mexiko, die „Paloma Fortissima“ (14 Euro), ebenso ein wie der Rum-Kaffee-Rotwein-Mix „Fair Aid“. Auch den „Paper Plane“ (je 13 Euro) hat man eingeflogen. Damit gibt es Alternativen zu den Spritz- und Negroni-Varianten (9,90 Euro), die man hier hingebungsvoll pflegt. Für den „Lupo Old Fashioned“ (13 Euro) vereinen sogar Mezcal und Tequila die Agaven-Power – leichtes Aperitivo-Süffeln sieht anders aus. Doch Halt! Denn nicht nur bei den kräftigen Drinks gibt es Neuzugänge.
Bitter, leicht und bald (?) auch geworfen
Zum Standard-Repertoire der Bar gesellte sich diesen Sommer auch der „Dolce Aperitivo“, der Cinzano Bianco wahlweise mit Rosen-Limo oder Holunder-Tonic kombiniert. „Das Thema Low-ABV kannst Du hier sicher besser vermitteln als in einer kleinen CraftBar“, sieht David Penker da auch einen gewissen Bildungsauftrag. Dem trägt auch die Karte mit den zwölf Sommerdrinks der Bar, in „bitter“ und „dolce“ geteilt, Rechnung.
Wirklich baradäquate Sperrstunden vorausgesetzt, soll es aber noch deutlich exotischer werden. Das Thema Fruchtbrand wäre eines, das auch Touristen interessieren könnte, so Penker, wenn sie wieder in Scharen in die City kämen. Den Raum dafür gäbe es längst. Und er ist mit einer Hommage an die futuristischen Plakatkünstler Camparis wie Fortunato Depero gespickt. Aber natürlich darf man in diesem bislang vor allem für Schulungen und Wettbewerbe genutzten Obergeschoß gespannt sein, was der Sammler historischer Rezeptbücher im Art-déco-Ambiente mixen wird.
Das berühmte Vorbild der Wiener, das „Camparino“ in Mailand, hat sich ja im Vorjahr ein „experimentelles“ Stockwerk gegönnt. Und mit einem Barchef wie Penker, der mit Gärungsexperimenten im Kälbermagen schon Beziehungen riskierte, könnte man auch das. Doch vorerst wird es eher um aromenstarken Sirupe – etwa von der Schlüsselblume – und Bottled Drinks gehen. Eine Zubereitung, die man getrost als Signature von David Penker bezeichnen kann, soll es jedenfalls geben: „Ein geworfener Drink muss sein“, steht ein Ersatz für den bislang noch an jeder Wirkungsstätte geflämmten Blue Blazer des Barchefs bereit.
Er lodert dann halt in Campari-Rot.
Credits
Foto: Campari