Köln ist für Profis: Das war das Bar Symposium Cologne 2024
Das Bar Symposium Cologne wächst weiter. Von Wachstumsschwierigkeiten ist allerdings wenig zu bemerken. Unser Autor Martin Stein mit einem kleinen Rückblick auf zwei Tage Barmesse bei Tag und Nacht.
Köln kann mehr als Kamelle, das wurde auch auf dem diesjährigen Bar Symposium Cologne (BSC) wieder deutlich. Die Barstadt, deren Ruf sich gegen das Klischeemischmasch aus Karneval und Effzeh wacker behauptet, hat einmal mehr ein Event auf die Beine gestellt, das alles bot, keinesfalls aber olle Kamellen.
Natürlich ist auch Köln einer dieser Orte, an denen die Abende länger werden als geplant. Das Symposium hat eben den starken Charakter des Treffens einer Gemeinschaft Verschworener, eines Geheimbundes – der Elite jenes reformierten Zweiges der Shaker-Religion, die den enthaltsamen Teil der frohen Botschaft im wahrsten Sinn des Wortes auf Eis gelegt hat und jetzt lieber schöne Getränke baut anstatt schöner Möbel. Ich meine das gar nicht arrogant. Oder doch. Ein bisschen vielleicht schon. Es gibt ja auch diese Festivitäten, bei denen man Gefühl hat, von lauter präpubertären Caipischüttlern umgeben zu sein, die es ausnutzen müssen, zum ersten Mal im Leben irgendwo zu sein, wo sie keiner kennt.
Köln ist für Profis.
Draußen vor dem Tore …
Amateure verirren sich natürlich auch nicht so ohne weiteres in die Halle Tor 2, die so heißt, weil es eine Halle ist mit einem Tor davor, das vermutlich das zweite Tor des Bereichs war oder ist. Im Vergleich zu dem alten Veranstaltungsort im Harbour Club ist das Ambiente aber ganz ähnlich, hat viel Charme, bietet aber durch die Größe mehr Möglichkeiten – bei vergleichbarer Abgelegenheit des Ortes. Man scheint sich im jetzt zweiten Jahr dort schon gut eingelebt zu haben. Nächstes Jahr will ich auf jeden Fall mal in Truman’s Army Shop vorbeischauen, der da auf dem Weg lag. Sah spannend aus.
Köln für Profis einmal mehr: Die Vorträge auf dem BSC sind nicht das Feigenblatt vor die umgebenden Bacchanalien, sondern samt und sonders ausgesprochen gut besucht. Wieder einmal hat das Trio Engels, Mohr und Simon eine großartig kuratierte Mischung aus ansprechenden Themen mit ebensolchen Vortragenden geschaffen, die Inhalte sind ausnahmslos spannend und lehrreich.
Die Besucher drängen sich bei Andrea Kuhn, Betty Kupsa und Chloé Merz (siehe Aufmacherbild), sie genießen Information und Entertainment bei Markus Eckartz, und sie freuen sich über die großen Namen, hinter denen sich gerade in Köln auch die großen Persönlichkeiten zeigen. Die familiäre Atmosphäre scheint ansteckend zu wirken; abends kann man das ungewohnte Bild erleben, wie Simone Caporale in der Bar des 25Hours Hotel mit offensichtlich größtem Vergnügen Gläser abräumt und den Geschirrspüler befüllt. Back to Barback, was für eine Freude offenbar! Die Hotelbar ächzte aber auch spürbar unter dem ungewohnten Ansturm, da nahm man die Hilfe von unerwarteter Seite gerne an. Das Hotel war auch Kooperationspartner des Events und somit die Übernachtungsstätte vieler Besucher; auch hier herrschte eine Atmosphäre wie beim alljährlichen Treffen eines schottischen Familienclans. Gab ja auch genug Whisky.
Kunst, Boxen, Schach
Auch andertags abends Charles Schumann und Rémy Savage im Spirits beim angedeuteten Box-Sparring beobachten zu dürfen, zählt zur Kategorie einzigartiger Eindrücke. Überhaupt, die Abende dann: Köln kann Afterhour, während das BCB-Berlin, bei aller Abgrenzung zu den Bayern, leider oft den Eindruck machte, als würde Markus Söder persönlich um Mitternacht das Licht ausmachen.
Dennoch waren alle am nächsten Morgen wieder am Start, wenn auch mit langer Schlange am Kaffeestand. Charles Schumann berichtete von den Eindrücken aus seiner Zeit in Kyoto und erntete Standing Ovations, auch wenn er dabei Andreas Till als Moderator auf eine eher pantomimische Interpretation dieser Aufgabe reduziert hat. Rémy Savage wiederum kann Drinks, Kunst, Boxen, Schach und Kickern, hat all das in zwei Tagen gezeigt, und demjenigen, der endlich nachweisen kann, dass es sich bei ihm nicht um eine Person, sondern um mindestens drei Brüder handelt, spendiere ich einen Martini. Oder drei.
Wenn dann noch eine Kooperation mit der eigenen Firma entsteht, kann das ja nur gut werden: Ich fand die Made in GSA Competition aber tatsächlich extrem gelungen. Der Sieger, Jakob Habel aus dem Zephyr in München, war in jedem Aspekt seiner Präsentation so souverän, dass es sich zu betonen lohnt, wie stark auch die anderen Finalisten waren: samt und sonders starke Drinks von ebensolchen Bartendern und Bartenderinnen. Gerade dieser Wettbewerb zeigt meines Erachtens auch die Freiheit, die hier aus der Beschränkung entsteht: anstatt der allgegenwärtigen Versuchung zu erliegen, die immer gleichen weltweiten Vorbilder zu imitieren und dabei vergleichbar mittelmäßige Ergebnisse zu erzielen, beschränkt man sich auf das, was vor der eigenen Haustür liegt – und siehe da, plötzlich kommen Drinks heraus, die in manchen, um nicht zu sagen fast allen Aspekten besser und charakterstärker sind als das, was man aus den ganz, ganz vielen laborverliebten Fame-Bars bekommt. Made in GSA zementiert das mehr und mehr: Der Wettbewerb ist ein Qualitätsmerkmal, zum Biosiegel für nachhaltige Cocktailkunst nach höchsten Ansprüchen. GSA ist das Wagyu an der Fleischtheke der Cocktailkunst, und, um im Bild zu bleiben, war es die reine Freude, den so eloquenten, sympathischen wie fähigen Jakob Habel dabei zusehen zu dürfen, wie er zum Metzger des Jahres gekürt wurde. Was für eine Leistung, gerade angesichts des unglaublich starken Teilnehmerfeldes! Man freute sich einfach mit ihm mit.
Leise Kritik am Pulled-Stand
Nun, ein bisschen was zu kritisieren gab’s auch. Die Notwendigkeit einer Bezahlung per BSC-Chips hat mir nicht eingeleuchtet, aber das bedeutet ja im Grunde nicht viel. Eher, und auch ein bisschen durchgehend zu vernehmen war das leicht fatalistische Achselzucken bezüglich des Nahrungsangebots. Veganer Teller oder ein 14-Euro-Burger, der vermutlich deshalb „pulled“ in der Bezeichnung hatte, weil das ursprünglich mal zwei waren – unter diesen Umständen würde ich mich sogar mal über ein bisschen Popcorn freuen. Gibt es möglicherweise ein ehernes Barmessen-Gesetz, wonach sich die Verpflegung zum Getränk verhalten soll wie Trabant zum Maybach? Jedenfalls trage ich mich mit dem Gedanken, nächstes Jahr durch den Zaun hindurch Leberkäsesemmeln zu verkaufen. Drei Euro.
Gut, wer ohne ein Notfall-Bifi auf eine Barmesse geht, war noch nie auf einer, insofern: Jammern auf hohem Niveau. Köln ist eine der ersten Messen des Jahres, und an dem, was da geboten wurde, werden sich die Folgenden messen lassen müssen.
Der BSC bleibt konstant stark. Könnte sich der Effzeh eine Scheibe abschneiden.
Credits
Foto: Mixology
Peter Schütte
Wie auch schon an anderer Stelle bekundet, immer wieder ein Genuss beim lesen, lieber Martin Stein. Auf bald
Sascha
Eine sehr schöne Zusammenfassung, eine neutral berechtigte Kritik, die durchaus viele sicher teilen. Wir werden also nä Jahr in Konkurrenz am Zaun stehen. Unsere Idee war eher, das kleine feine Mett Brötchen mit roten Zwiebeln und Pfeffer aus der Mühle natürlich, so wie den Top Kölner Klassiker, den HALVE HAHN.
Was ich persönlich etwas schade finde, dass der Ritterschlag für das Trio, nicht als dieser im Artikel seinen Platz fand. Wenn ein viel reisender (junger) Mann, mit guten 80 Jahren sich die Zeit nimmt (Gage hin oder her) in Köln auf der Bühne zu (sitzen), dann ist das eine sehr beachtliche Leistung von dem Trio.
Das dieses nicht nur mein Eindruck war, konnte man gut sehen, wieviele geschätzte Kolleg:innen im Anschluss explizit darauf dem Trio gratuliert haben. Für jüngere Generationen mag das etwas befremdlich erscheinen, wenn man dann aber bedenkt, dass man nach mehreren Versuchen Charles Schumann, von dem viele unserer Bartender:innen Generation (ausgehend vom Veranstalter Trio) das erste Cocktailbuch gekauft haben, sieht das gleich ganz anders aus. Und wie sagte es Charles so schön, ich habe sicher nicht das Beste Buch, ich habe aber am meisten verkauft.
Daher Liebe Kollegen, auch hier nochmal Respekt für den sehr verdienten Ritterschlag. Und das wieder wirklich gelungene BSC. Ich freue mich auf 2025, ich würde auch echt happy sein, wenn ihr mir meine/ unsere Geschäftsidee klaut. So ein Halve Hahn und ein Kölsch. Jetzt währe ich gerne in Köln 🫶
Christoph Seifried
Die Delegation vom Schliersee unterstützt das Leberkasvorhaben auf jeden Fall, wir ergänzen dann mit Whisky und Weisswürscht 😉