Fünf Bars in Brüssel: Zwischen Avantgarde, Ananas und Art déco
Ein Cocktail-Ausflug durch Brüssel lässt sich hervorragend mit einer Riesenrad-Fahrt im „The View“ im Süden der Stadt, nahe des Palais de Justice, beginnen. Mit seinen 55 Metern ist es der höchste Aussichtspunkt der Stadt und durch seine angenehm hoch geschlossenen Gondeln äußerst empfehlenswert für Höhenängstler. Außerdem befindet sich unmittelbar nebenan die Plumette Bar, in der sich direkt nach Ausstieg ein Belohnungsdrink kredenzen lässt.
1) Plumette
Diese Bar ist der perfekte Ort, um einen Abend in Brüssel zu beginnen. Sie öffnet bereits um 17 Uhr, und mit etwas Gunst vom Wettergott lässt sich hier das Flanierpublikum des Saint-Gilles-Viertels beobachten. Zweifelsohne besticht die Bar durch eine Mischung aus Pariser Eleganz und gepolstertem Retro-Stil. Dunkelgrüne Wände, weiche Samtsessel und ein Hauch von Gold sorgen für ein atmosphärisches Ambiente, das definitiv zum Anhalten einlädt. Große Spiegel und gedämpftes Licht machen das Innere der Bar noch gemütlicher – eigentlich sollte man aber draußen sitzen. Unbedingte Trinkempfehlung ist der „Tropical Negroni“, gemixt mit Ananassaft und Maraschino: wahnsinnig erfrischend und wie gemacht für einen Aperitivo in der Sonne. Alkoholfreie Möglichkeiten sind der Berry Basil Spritz oder ein Cucumber & Mint Cooler. Dazu gibt es selbstredend die in Brüssel allgemein beliebten Klötze aus Käse und Salamischeiben – die eher Reifen ähneln; wirkt kurz brachial, hilft aber ungemein durch den Abend.
Plumette Bar, Rue de l’Epée 26, 1000 Brüssel, Belgien
2) La Pharmacie Anglaise
Die La Pharmacie Anglaise – übersetzt „die englische Apotheke“ –ist keine gewöhnliche Bar; viele eher ist sie ein Kuriositätenkabinett für Cocktail-Kenner:innen. Beim Betreten fühlt man eine alte Apotheke aus dem viktorianischen England: Dunkles Holz, staubige Glasvitrinen und Regale voller farbiger Fläschlein und Kräuter schaffen eine Atmosphäre, in der jeder Drink wie ein elixierhaftes Experiment scheint. Und das Garnish Game beherrschen sie zweifelsfrei. Trinken sollte man einen Liquid Joy einen Milk Punch aus Rye Whiskey, Kokos, Nelke und Limette. Alkoholfrei geht es auf fortgeschrittenem Level weiter mit einem Merakiwi aus Supasawa, Holunderblüten-Limettenessig, einer Art Dressing aus Essig und Öl, sowie Kiwi und Grüntee. Hat etwas von einem Shrub und besitzt den sehr angenehmen Geschmack des Gefühls, dass sich hierbei jemand etwas gedacht hat.
La Pharmacie Anglaise, Coudenberg 66, 1000 Brüssel, Belgien
3) Vertigo
Die Vertigo Bar (siehe Aufmacherbild) befindet sich an einer verspielten Kreuzung aus Backstein-Neonlicht und Retro-Charme. Das liegt vor allem daran, dass das Vertigo früher eine Relaisstation war. Der dortige Cocktail-Star des Abends? Sicherlich der „AlexClusive“ von Rookie Alex. Der hatte einem zum Gehen unwilligen Gast einen Drink aus Gin, Pfirsichlikör, Limette und Eiweiß kredenzt – und dem Gast somit seinen neu erklärten Lieblingsdrink serviert. Mit ihm nahm Alex dann auch bei der „Belgian National Cocktail Competition“ teil – und hat mit 93 Punkten die höchste Punktzahl erreicht. Manchmal lohnt es sich, auf den letzten Drink zu bestehen. Eine nennenswerte Angelegenheit, ebenfalls für 15 stabile Euro zu haben, ist der The Cure, gemixt mit Martell VS Cognac, Süßholz und Artischocken. Man kann also noch heute sehr gut an diesem Ort Station machen.
Vertigo, Rue de Rollebeek 7, 1000 Brüssel, Belgien
4) Chemistry & Botanics
Mitten in der Mitte der belgischen Kapitale liegt die Chemistry & Botanics Bar – ein Ort, an dem Wissenschaft auf Cocktailkunst trifft. Die Einrichtung erinnert an ein altes Labor: Glaskolben, Reagenzgläser und Bücherregale voller botanischer Skizzen schaffen eine wundersame Melange aus Vintage und Zeitgeist; gedämpftes Licht und Pflanzenarrangements an der Decke verleihen dem Ganzen Gewächshausvibes. Man muss feststellen, dass Ananassaft es erstaunlich oft auf Brüsseler Menüs schafft – und zwar jenseits von Piña Colada. So auch hier, im „Pineapple Incident“ mit einem Blend aus drei Rums (Colon 81 & 111 Proof, Bacardi Ocho) aromatisiert mit Ananas, dazu grüne Chartreuse, Creole Bitters und Pandansirup. Das ist somit ein Tiki-Stil: stark, aber süß, exotisch-fruchtig und grasig-kräutrig. Ein weiterer Signature ist der Drink „Selfmade Man“, bestehend aus mit Safran infusioniertem Ketel One Vodka, Belsazar White Vermouth, Peychaud’s Bitter und Honigsirup: stark, komplex mit kräutrig-blumigen Noten.
Chemistry & Botanics, Pl. de la Vieille Halle aux Blés 49, 1000 Brüssel, Belgien
5) Marcelle
Geht man in den Norden der Stadt (und steuert beispielsweise das Banksy-Museum an), trifft man auf das Marcelle. Minimalistisches Design trifft auf edle Holzmöbel und geschickt kuratiere Glas- und Fliesenelemente; Stil mag im Auge des Betrachters liegen, aber in diese Bar wurde sich ziemlich rasant und heftig verguckt. Vintage, aber in hochwertig in Richtung Art-Déco. Auch sympathisch im Marcelle und herzlich undeutsch: Hier werden keine getrennten Rechnungen erlaubt: ein Tisch, eine Rechnung. Wer es also besonders genau will und zu dritt kommt, muss eben dreimal kommen. Das schafft man aber auch allein. Zum Beispiel für einen Mermaid’s Call mit l’Escale French Tamarind Aperitiv, Ardbeg, Supasawa, Eiweiß und einem Spritzer Cranberrysaft. Da sind einfach alle Geschmacksrichtungen dabei, die der Mensch braucht. Mit Fug und Recht äußern Romain und Jean in der Karte ihre Bitte, so wenig Klassiker wie möglich zu bestellen und die Bartender ihren angebotenen Job machen zu lassen. Die Barsnacks bewegen sich hier auf Foie Gras-Level.
Marcelle, Pl. du Samedi 15, 1000 Brüssel, Belgien
Credits
Foto: Vertigo