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Diagnose: Drink! Die Apotheken Bar Kreuzberg

„Bitter im Mund, dem Magen gesund“ lautet eine bewährte Volksweisheit, deren Aussagekraft für Mediziner wie für Bartender gelten dürfte. Die Apotheken Bar in Berlin-Kreuzberg serviert wohltuende Tinkturen und Elixiere. Nicht auf, sondern nach Rezept.
Apotheke und Genuss müssen keinen Widerspruch bedeuten. Wie bemerkte der Apotheker und Schriftsteller Theodor Fontane: „Wenn man die Wahl hat zwischen Austern und Champagner, so pflegt man sich in der Regel für beides zu entscheiden.“
Tatsächlich arbeitete und wohnte der Apotheker Fontane in den Jahren 1848 bis 1849 am Mariannenplatz, wie eine Tafel an der Hausnummer 1-3 verrät. Heute würde Fontane sicherlich gerne in der Hausnummer 6 einkehren, wo genussvolle und gesundheitsfördernde Verabreichungen aufeinander treffen.
Von der Jodtinktur zum Julep
„Dienstbereit“ verspricht das alte Leuchtschild der früheren Eck-Apotheke am Mariannenplatz. Auch wenn an den Schubladen des gigantischen Rückbuffets noch „Hühneraugen“ oder  „Jodlösung“ steht – die Pillen sind ausgeräumt, die Hustensäfte verschwunden.
„Schon seit 150 Jahren gibt es hier an der Ecke eine Apotheke. Diese Tradition und Geschichte möchte ich mit der Bar aufgreifen und fortführen“, erklärt Sinan Gültekin, Betreiber der Apotheken Bar. Mit viel Liebe zum Detail nahm er sich der Räumlichkeiten an, die er behutsam in eine bezaubernde Trinkstätte umwandelte und so vor dem drohenden Schicksal bewahrte, in ein fades Automaten-Casino umgewandelt zu werden.
In mühsamer Kleinarbeit verwandelte er alte Apothekerflaschen in Lampenschirme, restaurierte die alten Hölzer der Schränke, Regale und Schubladen, aus denen früher Medikamente gereicht wurden. Vieles übernahm er vom Vorgänger und bezog es in die Dekoration ein, wie etwa pharmazeutische Behältnisse, eine Patienten-Waage oder ein altes Schild mit Steinwurfspuren aus der Zeit der Ton-Steine-Scherben Hausbesetzer-Ära.
Wie es sich für Bartender in Apotheken oder Apotheker in Bars, im Geiste von Antoine Amédée Peychaud, Johann Gottlieb Benjamin Siegert oder Albert Trummer, gehört, wird auch in der Apotheken Bar mit allerlei eigens angesetzten und selbstgemachten Zutaten geschüttelt und gerührt.
Der hervorragende Salbei Mint Julep nimmt einen infusionierten Zimt-Cognac als Basis und für den Gin & Tonic ist das hausgemachte Tonikum eine außergewöhnliche und zugleich empfehlenswerte Wahl. Individuelle Trinkgefäße und hübsche Dekorationen sorgen für erfreulichen Augengenuss und lassen die Preise von rund 10 Euro für die Cocktails als sehr angemessen erscheinen.
Wer A sagt, muss auch Bar sagen
Noch immer weist das klassische rote Apotheken-A mit der Schlange und dem Kelch den Weg zur Bar. Die Jahreszeit für den hübschen Außenbereich mit Blick auf den originellen Feuerwehrbrunnen ist wohl zunächst vorbei, aber auch das Innere verspricht angenehmes Verweilen.
Viel Holz, die opulente Schrankausstattung und eine Reihe bequemer Barhocker entlang des Tresens dominieren den vorderen Bereich. Vier Treppenstufen führen hinauf in eine geräumige Lounge mit Lederoptik im Chesterfield-Stil mit einer historischen Ansicht des Mariannenplatzes.
Spannende Drinks, individuelle Atmosphäre und feine, orientalische Zutaten sorgen für Flair und bereichern die wachsende Kreuzberger Bar-Szene. Auch ohne Rezept lohnt es, sich einen Besuch der Apotheken Bar zu verordnen. Ein paar gestalterische Details benötigen noch etwas Feinschliff, wie bei einer Neueröffnung üblich.
Aber Barchef Gültekin lässt sich dafür die nötige Zeit und Ruhe. Dafür soll es perfekt sein. Die Kleinigkeiten machen den Unterschied. Das wusste bereits Apothekerkollege Fontane, als er schrieb: Der Zauber steckt immer im Detail.
 


 

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