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Cocktails, Curry, Communarden. Galander Charlottenburg.

Im Vergleich zur sonstigen Barlandschaft Berlins hinkt die alte West-City von Charlottenburg arg hinterher. Ausgezeichnete Essensoptionen bietet das Quartier reichlich, aber in Sachen anspruchsvollen Trinkens herrscht meist gähnende Leere. Ein Missstand, zu dessen Behebung das Galander Charlottenburg am Stuttgarter Platz definitiv beitragen wird.

Der Stuttgarter Platz ist ein seltsam merkwürdiger städtischer Raum am Bahnhof Charlottenburg. Eigentlich eine Straße mit zwei platzähnlichen Gebilden an beiden Enden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite Shisha-Duft umqualmte Import-Export-Gewerbe, dezent angestaubte Etablissements erotischer Begehrlichkeiten und jener Ort, an dem Herta Heuwer im Jahre 1949 eine der wichtigsten Erfindungen Berlins ersann, die Currywurst.

Die andere, weitaus elegantere Platzhälfte umweht der Geist der 68er Ära, wobei die revolutionäre Generation des Rudi Dutschke mittlerweile in Ehren ergraut ist und die Vorzüge verkehrsberuhigter Altbaulagen, italienischer Weine und österreichischer Delikatessen zu schätzen weiß.

In der Mitte dieses kontrastreichen Mikrokosmos leuchtet nun ein helles Licht der Barkultur und führt demnächst womöglich faszinierend unterschiedliche Gestalten bei einem frischen Drink zueinander.

Atmosphäre und Innenausstattung bezaubern auf Anhieb. Unglaublich viel Mühe, Sorgfalt und Liebe zum Detail wanderten in sämtliche Kleinigkeiten, um einen mondänen Salon der Gründerzeit wiederauferstehen zu lassen. Kaum zu glauben, dass noch vor nicht allzu langer Zeit in den gleichen Räumlichkeiten ein Bordellbetrieb mit falschen Wimpern und unzureichenden Französischkenntnissen bei der Schreibweise des Mon Cherie Clubs anzutreffen war.

Nun liegt der hübsche alte Stuck wieder frei, ein exzentrischer Ventilator kreist über dem Bartresen und edle Hölzer verleihen dem riesigen Rückbuffet eine mondäne Eleganz. Die Innengestaltung lag in den Händen einer Dame, deren Nähe zu den Filmschaffenden der Stadt in der Ausstattung spürbar wird. Holztäfelung und -fußboden, warme Braun- und Rottöne, opulente Beleuchtungselemente und vor allem die grandiose reliefartige Wandgestaltung. Die Schmuckelemente der Wände verfügen über einen leichten Silberstich, der die Beleuchtung auf magische Weise reflektiert und je nach Lichtsituation die Atmosphäre in den beiden Räumen unterschiedlich stimuliert.

Mit Tablett und Tablet

Dazu kommen einige augenzwinkernde Brüche, wie die Bilder der Titelseiten von Perry Rhodan Science Fiction Heftchen auf dem Herrenklo oder die Barkarte, die als altertümlich eingebundenes Buch erscheint, um sich dann beim Aufklappen als moderne Tablet-Technologie zu entpuppen. Der Bildschirm offenbart eine ausgewogene Mischung im Getränkeangebot, mit Cocktail-Klassikern, Eigenkreationen oder Tiki-Drinks, jeweils um die 9 Euro. Dazu perlt Cattier Champagner und frisches Burgherren Pils aus der Rhön schäumt in die Gläser.

Dominik Galander und Lars Junge verlassen nun erstmals mit einem Barprojekt ihre Kreuzberger Heimatgefilde, wo das Galander Kreuzberg und das Bruegge das Getränkeangebot bereichern. In Charlottenburg legen sie ihr mixtechnisches Vertrauen in die bewährten Hände von Caroline Schlicher, die nach Stationen in der Envy Bar und im Rocco & Sanny ihren Bartending-Weg westwärts fortsetzt und mit leidenschaftlichem Elan und strahlendem Lächeln die Gastgeberrolle für das Charlottenburger Publikum hervorragend ausfüllen wird.

Endlich wieder eine aufregende Adresse am ´Stutti´, die sich einreihen könnte in die Liste der berühmten Anrainer um Herta Heuwer oder die Mitglieder der obskuren Kommune 1 um Fritz Teufel und Rainer Langhans, in deren Wohnung am Stuttgarter Platz jenes berühmte Rückenansicht-Foto entstand, bei dem sie alle nackt mit ausgestreckten Armen und Beinen an der Zimmerwand lehnen. Bei der Eröffnung forderten bereits einige Gäste, das Galander Team möge das Foto doch alsbald nachstellen.

Aber vielleicht belassen sie es doch besser bei der bekleideten Zubereitung von leckeren Drinks, wie dem ´Little Italy´ oder dem ´Picon Punch´ und überlassen das freizügige Gebaren lieber dem Nachbarclub ‘Hanky Panky’. Obwohl, war da nicht auch ein Drink…?

 

 

Bildquelle: aboutpixel.de / Ein Schloss geht schlafen © Denny Carl

Credits

Foto: Ein Schloss geht schafen

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