TOP

Das Wohnzimmer der Smoking Gun-Gang

Habemus Tür 7! Der weiße Rauch steigt auf in der Buchfeldgasse in Wien. Das liegt zum einen am geräucherten Cantor, zum anderen daran, dass Wiens fast ein Jahr mit Spannung erwartete Neueröffnung sich doch noch 2014 ausging. MIXOLOGY mischte sich unter die ersten Besucher.

Dunkelgrau, unbeschriftet, nur mit einer Türklingel versehen. Ein Nachtclub in Wiens beschaulichem Achtem Bezirk? „Die Frage kam tatsächlich“, meint Gerhard Kozbach-Tsai, der mit dem strengen Portal seiner neuen Bar in der Josefstadt vor allem klarstellt, dass sich hier keine Abfüllstation für Shot-Trinker etablieren will, sondern eine Institution, die Cocktail-Genuss ernst nimmt.

Zum Konzept gab es zwar schon früh klare Ansagen, doch vor allem die Besetzung machte Barflys neugierig. Neben „Geri“ Kozbach agieren schließlich sowohl Vienna Bar Community-Kollege Glenn Estrada als auch Jungstar Reinhard Pohorec am Shaker.

Der Newcomer des Jahres bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2014 und frisch gebackene Sherry-Educator gilt nicht erst seit seinem Wertungssieg bei der jüngsten „Diageo World Class“ als Österreichs bester Bartender unter 30. Doch statt dem geplanten Opening im April wurde es dank überängstlicher Anwohner jetzt – gerade noch – Dezember.

Wörter wie Trittschalldämmmung kann Kozbach-Tsai seither zwar perfekt aussprechen, aber nicht mehr hören. Auch die Lüftung erhielt dank jener Interventionen eine Dimension, als würde in der Wohnstraße eine 200-Sitzplatz-Hühnerbraterei betrieben und nicht eine beschauliche Bar.

Erst kommissioniert, dann fortifiziert

Doch das ist Vergangenheit. Zur Begrüßung reicht „Reini“ Pohorec einen „Manhattan“ mit dem Wermut „Pontica“, den er mit Kollege und Freund Peter Weintögl kreiert hat. Bei den Cocktails spielen Port und Sherry eine große Rolle. Will man ein Alleinstellungsmerkmal der „Tür 7“ nennen, wären es die „fortified wines“.

Zu denen sich im Falle des „Ovid“ auch eine österreichische Beerenauslese gesellt. Mit dem hausgemachten Orange Syrup und ebenfalls selbst eingekochten Orange Bitters wird daraus eine balancierte Kreation, in der jene Salzigkeit vom Sherry, die Süße des Weins aus dem Hause Josef Umathum und die herbe Orangenzeste ihren Einsatz im Aromen-Orchester erhalten.

Als einer von sieben Signature Drinks spiegelt der „Ovid“ die Hausnummer wieder, die sich konzeptionell durch die Karte zieht: Old Tom Gins gibt es ebenso sieben Stück zur Auswahl wie Genever, Bourbons und Rye Whiskeys. „Oder wir nehmen fünf und zwei und spielen so wieder mit der Sieben“.

Ergo gibt es fünf Tequilas, darunter den raren Don Julio 70, und zwei Mezcals. Dank guter Beziehungen und des langen Vorlaufs konnte man sich Spirituosen sichern, die man in Österreich kaum kennt. Der weiche David Beckham-Whisky „Haig Club“ etwa thront unübersehbar in seiner blauen Kantigkeit am Rückbuffet.

Auf ein Speedrack hat man bewusst verzichtet, der Gast soll die Flaschen in Augenschein nehmen können. Und so ist das Prunkstück der in drei kleine Räume zerfallenden 35-Plätze-Bar der Tresen.

Es ist keine Verabreichungsfläche, kein Getränkesims geworden, sondern ein anthrazitfarbener Laufsteg für die Kreativität des Trios. Hier werden dem Gast die Flaschen gezeigt, hier werden Zesten gerissen, hier wird gerührt und geflämmt.

„Extrabreit“ wären der ideale Soundtrack zum Granit-Monster, denn die Bar ist die großzügig dimensionierte Arbeitsfläche für den Gästedialog zum perfekten Drink. „Unsere sieben Drinks sind so auch eher als Baum mit sieben Ästen zu sehen, aus denen sich der persönliche Cocktail ergibt“.

Cocktail-Catwalk aus Granit*

Das steinerne Sockelmaterial – „für Gläser ist es tückisch“, so die ersten Arbeitserfahrungen – stammt übrigens aus Brasilien und wird dort aufgrund seiner Form und Maserung Schildkröte (Tartaruga) genannt. Das mag von Architekt Georg Artmüller und Alexander Holzer, die Kozbach-Tsais Ideen in eine Raumgestaltung übersetzten, nicht beabsichtigt gewesen sein, doch es passt perfekt.

Denn die Techniken, die in der „Tür 7“ zu sehen sein sollen, brauchen ihre Zeit. Entsprechend programmatisch steht auch der „Cantor“ als einer der Hausdrinks auf der Eröffnungskarte: Bulleit Rye, 1988er Pocas Colheita Port und Zitronensaft werden mit Eiweiß kombiniert und in der Smoking Gun mit Holzchips aromatisiert. Ein echter Hingucker, den man eher auf Wettbewerben als im Samstagabendgeschäft sieht, für den man als Gast aber umso lieber Geduld aufbringt.

Das mit der Boutique Bar, wie das Unternehmen „Tür 7“ offiziell heißt, darf man übrigens wörtlich nehmen; tagsüber steht eine Schneiderpuppe der Maßkonfektion Straub in der Auslage. Der Josefstädter Schneider hat die Arbeitskleidung des Bartrios gestaltet, im Dreiteiler mit geschlossenem Hemd wird hier die Mixologie zum Werbeträger in puncto Herrenmode.

Modisches verstärkt auch den Charakter der Wohnzimmer-Bar: in den heimeligen Zimmern, vor allem der intimen Raucher-Lounge, wurde eine Tapete von Vivian Westwood verwendet, deren Muster sich gleichzeitig durch die Getränkekarte zieht, welche wiederum im Zeitungshalter á la Wiener Kaffeehaus gereicht wird.

Doderer-Zimmer oder Dim Sum?

Wer nicht auf ein Gulasch zum nahen Gasthaus „Zur Stadt Paris“ gehen will, dem schon der legendäre Romancier Heimito von Doderer seinen Bogen samt Pfeilen vermachte, den versorgt die kleine Küche mit Snacks. Frisch geröstetes Popcorn, das mit Kräutern aromatisiert wird, oder die mit Jägermeister karamellisierten Nüsse sind aber im wahrsten Sinn des Wortes nur ein Vor-Geschmack.

In Zukunft werden neben einem Steak-Tartare auch asiatische Einflüsse das Barfood prägen. „Da kommen Ideen von meiner Frau“, so Kozbach-Tsai, der die Dim Sum-Körbe schon geordert hat. Die Inspirationen der Gattin, einer taiwanesischen Ärztin, haben aber auch in die Signature-Karte Eingang gefunden: Der „Danshui Savoury“ etwa ist nach dem Fluss durch die Stadt Taipeh benannt.

Der Koch-Keller des Herrn K.

A propos Zukunftsmusik: Saisonale Zutaten werden im ersten vollen Betriebsjahr 2015 sicher noch wichtiger in der Josefstädter Boutique Bar. „Momentan wird da vor allem mein Keller genutzt“, hat Rennrad-Freund Kozbach-Tsai, der zwei Gassen weiter auch wohnt, selbst sein Bike ein wenig zur Seite gerückt.

Denn den aktuellen Eigenkreationen – neben den Bitters je ein Rosinen-, Gomme- und Orangensirup – sollen weitere folgen. „Barrel aged und Bottle aged-Drinks sind sicher ein Thema, aber damit haben wir gerade erst begonnen“, will der „Tür 7“-Chef sein Pulver nicht gleich verschießen. Schließlich freut er sich mindestens so wie die Gäste, dass die namensgebende Tür sich nun endlich öffnen durfte.

 

Credits

Foto: via Roland Graf

Comments (2)

  • Kesara

    Was für ein toller Artikel- Inhalt und “geschriebenes” 🙂
    Freue mich bereits auf den ersten Besuch und den 7 Sünden 🙂

    reply
  • Stefan

    Ich konnte glücklicherweise schon vor dem offiziellen Pre-Opening Mitte Dezember in der Tür 7 einkehren und kann erwartungsgemäß feststellen, dass es die Herren Pohorec, Estrada und Kozbach-Tsai aus dem Stand in die Top 3 der Wiener Cocktailbars geschafft haben. Und auch bei meinem 2. Besuch Ende Jänner lagen Atmosphäre, Gastfreundlichkeit, Zutatenauswahl und Drink-Zubereitung ohne Zweifel gleich auf mit dem Sign und der Halbestadt.

    reply

Kommentieren