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Flanieren, Protestieren und Gustieren: Willkommen in Ljubljana

Welches Land hat ein Trinklied als Nationalhymne, den besten Birnenschnaps der Welt und serviert Vanilleeis zu Ćevapčići? Slowenien. Juliane Reichert mit einer Liebeserklärung an das kleine, südosteuropäische Land und seiner Hauptstadt, Ljubljana. Eine Stadt, in der die Melodramatik regiert und beim gemeinsamen Bier eigene grammatikalische Regeln herrschen.

Ljubljana, das ist die Hauptstadt des Landes, das nicht die Slowakei ist – sondern Slowenien. Viele kennen das Land vor allem deshalb, weil sie es auf ihrer Reise nach Kroatien passieren müssen. Die deutsche Botschaft in Ljubljana ist in den Sommermonaten proppenvoll, denn Kroatien ist kein Mitglied der Schengen-Staaten, und so werden an den Grenzen strikte Kontrollen durchgeführt. Wer keine gültigen Dokumente bei sich hat oder diese nachsenden lassen muss, landet in der deutschen Botschaft in Ljubljana. Slowenisch sprechen hier nur die Ortskräfte und begrüßen sich mit einem morgendlichen „Dobro jutro“. Zu Mittag hingegen, zumindest an den deutschen Feiertagen, heißt es viel eher „Na zdravje.“ Slowenien hat nämlich drei völlig unterschätzte Weinbaugebiete – Podraje, Primorska und Posavje. Und warum sollte das auch nicht so sein – schließlich ist Slowenien umgeben von Österreich, Italien, Ungarn und Kroatien, also lauter Weinbauregionen.

Ćevapčići mit Kaymak

Diese Lage macht Slowenien besonders. Von Ljubljana aus braucht man ziemlich genau eine Stunde an die Adria, wo eine Pizzeria die nächste säumt, nach Venedig setzt ein Boot über. Teilen sich Slowenien und Österreich doch die Steiermark – die Štajerska –  dauert es auch nach Österreich gerade eine Stunde, daher sitzt man an rot-weiß karierten Tischdecken und isst „Štruklji“ und „Njoki“ – Strudel und Kartoffelklöße, also Gnocchi, danach „Palačinke“. Eine Stunde dauert es auch bis zur kroatische Grenze, und so kommt es, dass man innerhalb eines Tages wandern, surfen und eine kroatische Schlachtplatte verspeisen kann.

Bei aller Vielfalt grenzt Slowenien aber nun einmal nicht an Kalifornien, und so kommt es, dass seine Küche ziemlich deftig ist. Zwischen Zwiebelrostbraten und Fohlensteak ist alles dabei, auch die traditionelle Balkanküche kommt keineswegs zu kurz: Ćevapčići, zum Beispiel. Original aus Serbien stammend, ist auch die slowenische Variante nicht zu verachten, in seiner besten Version bei Harambaša in der Trnovski pristan 4a. Denn hier, wie auch traditionell, serviert man Ćevapčići mit rohen Zwiebeln und Kaymak. Kugelrund und mit schwarzem Pfeffer gewürzt, ist man zunächst sicher, es handle sich um eine Kugel Vanilleeis. Tatsächlich aber ist Kaymak eine Creme, irgendwo auf dem existenziellen Zwischenschritt zwischen Sahne und Butter gestrandet. Was man ja braucht, weil Ćevapčići bekanntlich nicht genug Fett enthält.

Beeren in Bowle

Wie man sich nun denken kann, nimmt der Tag nach Gerichten wie diesen entweder ein Ende, oder man geht seinen Fortlauf aktiv an. Dabei sollte man sich für eine der folgenden beiden Möglichkeiten entscheiden: Viljamovka oder Borovničevec – ersteres ist eine Williams Christbirne, letzteres ein Heidelbeerlikör. Auf den Streuobstwiesen der Vorstädte von Ljubljana wachsen die Birnen brav in die Bauchflasche, die Heidelbeeren indes werden in Naturobstweine eingeweicht und der Branntwein damit gereift. Eine ziemlich süße Angelegenheit ist das, aber die Beeren in der Flasche machen Spaß und erinnern an den Moment bei Bowle-Feiern, in denen einem gewahr wird, dass das Obst immer das Schlimmste ist. Oder das Beste, je nachdem.

Ljubljana ist eine Studenten-Metropole, die aus viel Altstadt besteht und dabei nicht auf Hotelbars verzichten muss. Ein Ort, an dem Flanieren, Protestieren und Gustieren ganz nah beieinander liegen. Flanieren beispielsweise sollte man bestenfalls mit einem Laško entlang der Ljubljanica, sich hie und da hinsetzen und eine Tüte gebrannter Maronen von einem der Gebrannte-Maronen-Stände kaufen. Das ist Glück. Protestieren lässt es sich hingegen ausgezeichnet im Metelkova, einem ehemaligen Kasernenkomplex und heute alternativen und autonomen Zentrum, in dem gewohnt, ausgestellt und getrunken wird. In der Bar Jalla Jalla zum Beispiel: Es gibt Bier, ein paar Cocktail-Klassiker, in denen es keineswegs um die Qualität geht; sondern um Gespräche über Präsident Borut Pahor, um die Flüchtlingskrise und um Melanija – Donald Trumps Frau, die aus Sevnica kommt, aus dem Westen Sloweniens.

Man darf Ljubljana nicht verlassen, ehe einmal in Metelkova gewesen zu sein – so der Vorschlag für eine Ausreisebedingung, sollte es so etwas denn jemals geben. Wichtig ist auch das Bi Ko Fe, unweit der Ljubljanica und nahe am Marktplatz, und immer gut für Kaffee, Bier oder Glühwein – rot und weiß, wohlgemerkt. Der Klientel unterscheidet sich kaum von der Neuköllner Weserstraße und ist der Ort, an dem auf den Toiletten die mit Abstand lustigsten Sprüche der Welt stehen. Wäre die Stadt nicht so schön, würde man dort lange bleiben und lesen wollen.

Gestern wie Heute

Ljubljana kann Kaschemme und kunstvoll zugleich. Und das innerhalb weniger Quadratmeter und ein- und derselben Person. Der Dichter und Autor der slowenischen Nationalhymne France Prešeren steht als Statue in der Mitte des Marktplatzes und vereint um sich die Studentenschaft der Treppentrinker sowie Hochglanzbars diesseits der Ljubljanica, wie auch das As Aperitivo oder das Magda jenseits davon. Um ehrlich zu sein, gibt es in Ljubljana keinen Ort, an dem es sich nicht aushalten lässt. Entweder man guckt auf das zentral gelegene und erhabene Schloss oder man guckt von dem Art-Déco-Wolkenkratzer Nebotičnic. Runter. Man guckt in einer Dvorni Weinbar auf den Fluss oder isst im Tivoli Park einen Pferde-Hot Dog. Oder und.

Für Raucher indes sieht es nicht besonders gut aus in ljubljanischen Gastronomie – von wegen, da hängt noch der Ostsmog in der Luft! Zwischen den teils barocken, teils jugendstilistischen und von dem slowenischen Stararchitekten Jože Plečnik entworfenen Märchenbauten wie der Philharmonie sind nur sehr wenige sozialistische Bauten übrig geblieben. Wer sich Ljubljana als eine Stadt „irgendwo im Osten“ vorstellt, tut ihr Unrecht. Und, nur einmal zur Erinnerung: Wien liegt deutlich weiter im Osten als Ljubljana.

France Prešeren war Jurist, Doktor und Dichter – und zwar der erste, der die slowenische Sprache maßgeblich zur Identitätsbildung der Slowenen nutzte. Für das Land war das schön; für ihn selbst nicht so sehr. Seine Gedichte schrieb er zum großen Teil aufgrund seiner unerfüllten Liebe zu einer Wirtin, Ana. Unter anderem führte diese für ihn aufreibende Liaison zusehends zu einem körperlichen und geistigen Verfall. So war das offenbar schon immer. Und was tut man in Slowenien allgemein am 8. Februar jeden Jahres? Richtig, trinken. Wichtig ist nicht das Getränk, sondern dass alle dabei sind und dass die Leberzirrhose, wie sie Prešeren erlitt, noch ein paar Jahre warten wolle. Dazu wird die Nationalhymne gesungen, genauer: die „Zdravljica“ (Trinklied), deren siebte Strophe die slowenische Hymne ist. Die achte indes ist wirklich ein Trinkspruch:

Zuletzt noch lasst uns
trinken
auf unser Wohl die flüss’ge
Glut,
auf uns, die wir verbrüdert,
weil wir im Herzen treu und
gut;
viele Jahr’,
sonnenklar
jedwedem Guten uns’rer
Schar.

Das duale Prinzip

In wenigen Städten ist es schwieriger, die Landessprache zu lernen. Nicht etwa, weil diese so schwer sei. Nein, man spricht deutsch, weil man deutsches Fernsehen gesehen hat, diverse Slowenisch-Kurse verunnötigen sich im ersten Gespräch mit jedermann. Dabei ist es nicht so, als hätte die slowenische Sprache nichts zu bieten. Zum Beispiel den Dual, eine Form, die genau zwei Personen betrifft. Und nicht irgendwelche zwei Personen, sondern zwei Personen, die es wert sind, miteinander eine eigene grammatikalische Deklination zu gründen. Möchte ich also beispielsweise mit einer Begleitung ein Laško, also das objektiv beste slowenische Bier der zwei angebotenen Biersorten, trinken, so würde man für gewöhnlich die erste Person Plural verwenden: „dve Laškesa, prosim (bitte).“

Möchte ich aber mit einer besonderen Person an einem besonderen Abend ein Bier bestellen, so hieße das „dve Laškesi.“ Diese Sprache ist so bezaubernd wie ihre Landeshauptstadt und es führt kein vernünftiger Grund daran vorbei, zu Sterben ohne je einmal dort gewesen zu sein. Wem das nun zu melodramatisch ist, der sollte die Finger von Prešerens Gedichten lassen.

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

Comments (1)

  • Thomas Domenig

    Schöner Artikel. Hvala lepa. Leider gibt es in Ljubljana keine einzige vernünftige Cocktailbar. Eigentlich schade für so ein schmuckes Städtchen.

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