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Tiger Bar

Gettin’ Stoned: Die Terroir-Drinks der Tiger Bar

Die Tiger Bar in Berlin unterstreicht mit ihrem neuen Konzept den Terroir-Gedanken von Cocktails. Steine wie Blauschiefer, Kalkstein, Phyllit oder Rotschiefer werden mit Spirituosen kombiniert und zu Drinks verarbeitet. Das Ergebnis ist smart, ohne mit zu hoher Komplexität zu überfordern, wie Peter Eichhorn festgestellt hat.
Im Juni zelebrierte das Panama Restaurant seinen zweiten Geburtstag. Noch so jung und doch schon eine feste Größe in den Herzen und an den Gaumen der Berliner Genussgemeinde. Das Restaurant sorgt für Großartigkeiten auf dem Teller und ein Lächeln auf den Lippen.
Überraschende und vielfältige Teller kommen aus der inspirierten Küche von Sophia Rudolph, präsentiert von einem engagierten Service-Team. Das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dass sich das Barkonzept im Laufe der Zeit auch stetig weiterentwickelte, darf sich ruhig noch weiter herumsprechen.

Sommelier in neu und frisch

Pünktlich zum Geburtstag ging eine neue Barkarte der angeschlossenen Tiger Bar mit einem neuen Barkonzept an den Start. Dass anspruchsvolle Restaurants vermehrt auch ein hochwertiges Drink- und Cocktailangebot auffahren, ist hierzulande noch nicht selbstverständlich, aber durchaus ein Wachstumssegment. Wo früher Campari-O oder ein halbherziger Wermut reichen mussten, kommen heute sorgsam gerührte und geschüttelte Kreationen in die Gläser.
Dennoch rümpfen manche Sommeliers immer noch abschätzig die Nase, wenn sie mit anderen Getränken als Wein konfrontiert werden. Sie tragen eine auf Hochglanz polierte Metallspange mit einer Weinrebe und wollen damit womöglich ausdrücken: „Lasst mich bloß in Ruhe mit euren Spirituosen oder gar Kreativbieren. Wein ist das einzige Getränk, das meine Beachtung und Wertschätzung verdient!“
Wie schade, dass viele Sommeliers sich doch ausschließlich als Weinexperten verstanden wissen wollen denn als universeller Mundschenk, der mit dem jeweils passenden Getränk glücklich machen darf.

In der Tiger Bar sind Wein und Cocktails auf Augenhöhe

Im Panama ist man diesen Schritt glücklicherweise bereits gegangen. Eine souveräne Bierauswahl, frische Säfte und anspruchsvolle Cocktails dürfen auf Augenhöhe mit den herausragenden Weinen um die Gunst der Gäste werben.
Dafür sorgt Joshua Lange, der sich eher als F&B Direktor bezeichnet denn als Sommelier. Von Anfang an bot das Restaurant eine sorgfältig kuratierte Bierauswahl und Cocktails, die auch gerne einmal als Pairing zu einem der Gänge dienen durften. Als im Dezember 2016 dann die Tiger Bar im kleinen, historischen Hofgebäude neben dem eigentlichen Restaurant eröffnete, wurde bereits damals der Terroir-Gedanke, der dem Wein ja faszinierend und markant innewohnt, auch in den Cocktails interpretiert.
„Während die Küche ihre Regionalität durch lokale Produkte und spezifi­sche Weine untermalen kann, sind Cocktails hier im Nachteil, da die meisten Spirituosen kommerziell produzierte Massenware sind.  Wir versuchen nun einen Weg zu ­finden, regionale Authentizität auch durch Cocktails erlebbar zu machen,“ beschreibt Lange die Zielsetzung.

Terroir verbindet Wein und Cocktail

Der neue Barchef der Tiger Bar ist Matt Boswell. Der Australier war lange im Soho House Berlin tätig, bevor er die Geschicke der Tiger Bar in seine Hände nahm. „Ich bin sehr gerne in Restaurants tätig. Hätte ich ausschließlich in Cocktail-Bars gearbeitet, wäre mein Zugang auf Geschmack und Aromen sicher ein ganz anderer geworden und ich würde ganz andere Elemente in einem Drink in den Vordergrund rücken. Und gerade in unserem Restaurant wollen wir die vielfältige Getränkebegleitung sehr ernst nehmen“, sinniert Boswell.
Nun verbindet der Barchef sein Cocktail-Handwerk mit dem Terroir-Gedanken des Weines. „Acht Monate Planung und experimentieren waren nötig, bis das Konzept und die Resultate das gesamte Team überzeugten“, berichtet der Barmann. Befreundete Winzer, deren große Gewächse im Restaurant bewährt ausgeschenkt werden, schickten Steine aus ihren Weinbergen, beispielsweise Blauschiefer, Kalkstein, Phyllit oder Rotschiefer.
Die Steinstücke kommen nun in große Glasballons und werden mit einer Spirituose aufgefüllt, die sich mit dem jeweiligen Stein und seinen Terroir-Eigenschaften vermählt. Jede der Spirituosen erhält eine zusätzliche Komponente, die auf der übersichtlich gehaltenen Karte angedeutet wird, bevor sie dann in jeweils einen Shortdrink und einen Longdrink einfließt.

Terroir und Gettin’ stoned

Nehmen wir das Beispiel Rhum Agricole mit Kalkstein. Dazu kommt die Zutat Bananenblatt. Als Shortdrink wählte Boswell den Manhattan. Der Rhum Agricole wird aus dem Glasbehältnis gezapft, das Bananenblatt kommt als Öl auf den Drink gesprüht. Tatsächlich meint man, die besondere Charakteristik der Steinreifung zu schmecken. Der Drink ist herb und gut balanciert mit mineralischen Noten, einem langen Nachhall und einer steinigen Note, die sich von Schluck zu Schluck markanter entfaltet. Als Longdrink-Variante bereitet der Bartender einen Ti Punch, in dem die Rhum Agricole-Note überraschend weich und mild zur Geltung kommt.
Sehr aufregend eine Interpretation eines White Sazerac mit Mosto Verde Pisco, gereift auf Phyllit und mit der Spezialzutat Tonkabohne. Auch dieser Drink erhält eine trocken-mineralische Komponente. Bestimmte Aromenprofile werden auf der Karte nur angedeutet. Erst beim Nachfragen zeigt sich, wie kreativ der Barchef mit spannenden Zutaten umgeht, wie Pandanblättern, Erdbeer-Kräuter-Shrub und Thymian.

Zeit für einen Terroir-Cocktail!

Die Karte ist smart gemacht, bietet sie doch einige markante Stichpunkte, ohne mit zu hoher Komplexität zu überfordern. So wird jeder Gast dort abgeholt, wo er seine Cocktailvorlieben einordnet, ob Martini oder Long Island. Dazu reicht die Küche sehr feine Barsnacks, wie Matjes Vitello und grüner Apfel oder Empanadas und Sesam-Ponzu.
Und dann wäre da ja noch die traumhafte Hofterrasse. Es ist genau die richtige Jahreszeit für einen Terroir-Drink!

Credits

Foto: Philipp Langenheim & Corina Schadendorf

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