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Ein Kessel Buntes: Craft Beer aus Südafrika und Namibia

Wohin man auch schaut, Craft Beer steht überall ganz oben auf der Interessenliste. So auch am südlichen Ende der Welt. Jüngst erblüht im südlichen Afrika eine qualitätsbewusste Brauszene, die nur auf die Entdeckung durch die nördlichen Gefilde wartet. Eine flüssige Einfühgung von Marianne Strauss.

Langsam sickert Craft Beer auch im südlichen Afrika durch kleine Gourmet- und Kennerkreise in die breite Öffentlichkeit. Joe’s Beerhouse in Windhoek hat die Zeichen der Zeit erkannt und zum großen Tasting von namibischen und südafrikanischen Bieren geladen. Die schweren Holztische der reetgedeckten Boma sind mit Windlichtern geschmückt, für jeden Teilnehmer liegt eine Ausgabe des Brauerblatts „Craft Beer Times“ bereit.

Die größte Aufmerksamkeit genießen jedoch die beiden eisgefüllten Bierbottiche eines jeden Tisches, in denen knapp 20 noch unbekannte Biersorten mit wohlklingenden Namen darauf warten, verkostet zu werden. Neugierig studieren wir die fremden Flaschenetiketten.

Food and Beer in tha’ house!

Carol-Jean Rechter, die mit ihrem Mann Thomas Joe’s Beerhouse führt, ergreift das Mikrofon und das Wort: „Lassen Sie sich während unseres Tastings in die Geschmackswelten des südlichen Afrika entführen – und wer weiß, vielleicht finden Sie hier heute ein neues Lieblingsbier!“ Laut Programm könnte das bereits das erste Bier sein. Ein Witbier mit dem vielversprechenden Namen „Bone Crusher“ aus der südafrikanischen Brauerei Darling Brew, dessen Label ein bleicher Hyänenschädel ziert.

Flinke Hände servieren eine Hors d’oeuvre-Platte mit kleinen Köstlichkeiten, die passend zu den jeweiligen Bieren genascht werden dürfen. Stichwort: Food Pairing! Zum „Bone Crusher“ gehört eine deftige Pastete. Ein Bissen, dann der erste Schluck: Würzig, angenehm fruchtig und leicht bitter schmeckt das im belgischen Stil gebraute Weizenbier. Es ist „bottle conditioned“, was bedeutet, dass sich die Kohlensäure auf natürlichem Wege in der Flasche entwickeln durfte.

Himbeeren und glückliche Mönche

Durch den Abend führt nun der Brauprofi Jörg Finkeldey, Gründer der Camelthorn Breweries und Brauer des ersten namibischen Weißbiers „Camelthorn Weizen“. Er und Thomas Rechter sind in der gleichen Straße groß geworden und teilen die Leidenschaft für gutes Bier – Jörg am Braukessel, Thomas hinter dem Tresen. Der Brauer hat das Ehepaar Rechter bei der Auswahl der Biere für das Tasting beraten und den Kontakt zu den südafrikanischen Brauereien hergestellt.

Schon 2008 hatte der Visionär mit innovativen Zutaten wie Hirse experimentiert. Jetzt freut sich Finkeldey, dass die Craft Beer-Welle auch die namibische Barlandschaft erreicht hat: „Es scheint der perfekte Zeitpunkt für Craft Beer zu sein. Ich habe zehn südafrikanische Brauer gefragt, ob sie ihr Bier bei unserem Tasting vorstellen möchten. Alle haben spontan zugesagt! Als legendäre Einrichtung ist Joe’s Beerhouse natürlich eine wunderbare Plattform für die teilweise noch unbekannten Brauereien.“

Fünf der südafrikanischen Brauer sind selbst angereist, um die Reaktionen der namibischen Gaumen live zu erleben. So auch Patrick van den Bon aus Vanderbijlpark in Gauteng. Der gebürtige Belgier betreibt die Brauerei De Garve und stellt seine Bierspezialitäten „Happy Monk“ und „Rasberry“ vor. Das komplexe „Happy Monk“ ist – der Name lässt es vermuten – ein echtes Klosterbräu mit starkem Malzaroma und leichter Bittere. Süß und fruchtig dagegen schmeckt das rosafarbene Fruchtbier mit dem Himbeertouch, das nicht viele, aber immerhin eine Handvoll Freunde findet.

Lager zu Currywurst

Und schon geht es zum nächsten Gebräu. Aus dem Bierbottich wird das erste namibische Bier des Abends gefischt: Das Urbock der Namibia Breweries – ursprünglich als traditioneller Maibock in den aufgekauften Camelthorn Breweries entwickelt – überzeugt mit seiner kräftigen Malznote und starken 7%/Vol. Hervorragend dazu schmeckt die namibische Auster mit Paprika- und Zwiebeln.

Mit dem King’s Blockhouse IPA wird anschließend ein Bier der Brauerei Devil’s Peak vorgestellt, das von charaktervollem amerikanischen Hopfen lebt und im Nachgeschmack ein mildes Zitrus-, Harz- und Passionsfruchtaroma hinterlässt. Dazu hat Devil’s Peak sein First Light Golden Ale im Gepäck, das im Vergleich mit moderaten 4,5%/Vol. und leicht floralen und tropischen Noten etwas schwächer schmeckt.

Inzwischen hat sich das Tasting verselbständigt. Niemand wartet mehr auf die Tastinganweisungen, sondern greift einfach in die immer noch gut gefüllten Eiseimer. An den Tischen wird heiß diskutiert: Welches Bier schmeckt, welches Bier schmeckt besser? Großen Anklang findet – nicht nur des lässigen Labels wegen – das Skeleton Coast IPA aus der Jack Black Brewing Company. Das IPA mit erdiger Note und starken Zitrusaromen wurde von Brauereieigner Ross McCullogh nach der unwegsamen „Skelettküste“ an der namibischen Atlantikküste benannt, die vor dem Bau des Suez-Kanals auf der Route europäischer Schiffe nach Indien lag – oft beladen mit India Pale Ale.

Noch heute zeugen hier unzählige Wracks von der offenbar gern genossenen Fracht. Das verwandte Jack Black Lager wird originalgetreu gebraut wie Biere um 1900 und stellt damit einen Vertreter der Prä-Prohibitionsära. Ungewöhnlich, aber gut schmeckt die dazu servierte Currywurst.

And the Schaumkrone goes to …

Aus Knysna an der Garden Route des südafrikanischen Westkap hat die Brauerei Mitchell’s ebenfalls zwei Biere mitgebracht. Das Bosun’s Bitter gehört mit seinen 3,6% zu den leichtesten Bieren des Tastings, punktet aber mit seiner würzigen Honignote. Das schwach hopfige Forester’s Lager ist etwas zu leicht und verliert im Vergleich.

Auf Platz 1 der Favoritenliste kommt dagegen definitiv das Green Room IPA der Long Beach Brewery, das mit 6% weniger hopfig, dafür süßer schmeckt – „Baie lekker“, dafür reichen die Afrikaanskenntnisse! Das Bombshell Blond aus demselben Haus kann mit seinem besonders fruchtigen Hopfen ebenfalls überzeugen.

Im Joe’s weiß man: Bier macht hungrig! Wir freuen uns über das abschließende Dinner, für das in der Küche leckere Spieße mit Kudu, Oryx, Zebra und Krokodil zubereitet worden sind. Im Vergleich zu den vorherigen Bieren schmeckt das dazu gereichte SAB 1895 ein wenig schwächer, spült die deftigen Bissen aber solide herunter. Am Ende des Abends zeigen sich Carol-Jean Rechter und Jörg Finkeldey zu Recht zufrieden mit ihrem Craft Beer-Tasting. „Wir möchten eine jährliche Veranstaltung etablieren, bei der wir jedes Mal zehn neue Biere des südlichen Afrika vorstellen. Das Ding muss wachsen!“ verrät Jörg und hebt sein Glas. „Cheers!“
 

Credits

Foto: Flasche und Sonnenuntergang via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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