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Das Ende ist nah!

Stavanger ist kein Nachname einer Actionfigur, sondern eine Stadt in Norwegen. Reich, aber am Arsch der Welt. Und in der Cocktailfabrikken kann man sich super besaufen. Mit Ölbohrern und Friseusen.
Stavanger liegt in Norwegen. Norwegen ist etwa so groß wie Deutschland und hat vier Millionen Einwohner. Ungefähr 130.000 leben in Stavanger. Stavanger ist also etwa so groß wie Bielefeld – das es bekanntlich nicht gibt. Trotzdem ist Stavanger die Metropole der skandinavischen Erdölförderung, die auf Bohrinseln vor der Küste geschieht.
Stavanger liegt ganz im Westen Norwegens, vis-à-vis der Shetland Islands. Die Nachtfähre nach Aberdeen und Edinburgh fährt nach Süden. Nach Süden! Man muss sich also über das Wetter in Stavanger keine Gedanken machen. Ab und zu, vor allem im August, scheint hier auch mal die Sonne und es regnet nicht. In den letzten Jahren soll die Sonne sich auch schon im Juli gezeigt haben. Und sogar länger von Wolken unverhüllt. Man nennt dieses Phänomen „Klimawandel“.

Hell im Dunkel: Trinken in Stavanger

Was der Sommer in Stavanger aber trotz Regen und durchlüftendem Wind kann: Es bleibt in der Stadt bis ca. halb eins hell, um halb drei wird es wieder licht. Das macht irgendwie lebendig. Selbst wenn es draußen grau ist. Und was macht man lebendig? In den weißen Nächten? Man säuft! Auch in Stavanger.
Am Fjord von Stavanger liegt der Preikestolen, eine Felskanzel – sicher eine der schönsten Klippen der Welt. Hier kann man nur zu Fuß rauf und der Weg ist lang. Aber es zahlt sich aus, raufzusteigen. Wenn nicht wieder ein depressiver Resteuropäer Selbstmord begeht, denn der große Stein, der ins Nichts ragt, ist groteskerweise völlig ungesichert. In einem Land, das der Sicherheit huldigt wie kein zweites in Europa.
Stünde der Preikestolen in Italien oder der Schweiz, dann gäbe es hier hinauf eine gepflasterte Straße, ein geiles Restaurant mit Bar, ein Hotel und zwei Meter hohe Gitter oder eine Glaswand. Doch der Preikestolen steht in Norwegen. Da liebt man es mitunter schlicht. Leider.
Zurück nach Stavanger. Die Stadt ist reich. Sieht man nicht auf den ersten Blick, merkt man aber an den Weinkarten der guten Restaurants, die es hier nicht gering gibt. Nirgendwo sonst wird man in einer Kleinstadt eine ähnlich große Auswahl exzellenter Burgunder und Bordeaux sowie grandioser deutscher Rieslinge finden. Und das noch dazu zu moderaten Preisen, die für Skandinavien höchst ungewöhnlich sind. Der Grund dafür: Gemäßigte Steuern und Abgaben sollen die Menschen in Stavanger halten. Denn Stavanger ist der Arsch der Welt, die Zugreise nach Oslo dauert fast acht Stunden und der „Express“ dieser romantischen Bimmelbahn hält an jedem größeren Kuhstall. Insider nehmen Inlandsflüge, die bei starkem Wind (also oft) ordentlich auf den Magen schlagen.

Schottisch-Norwegische Trinkspiele in der Cocktailfabrikken

Die Leute hier sind nicht nur Norweger: Eine ganze Landsmannschaft ausländischer Ölarbeiter fliegt von hier auf die Bohrinseln und zurück. Dazu kommen Manager internationaler Ölkonzerne, also die Bösen schlechthin, die in Stavanger ihre hohen Monatslöhne verprassen. Das ist gut für das Nachtleben. Die Bullen nehmen die Alkoholkontrollen sehr ernst. Das ist gut für die Taxiunternehmer.
Am besten übernachtet man in Stavanger in den Klostergaarden Apartments oder im Radisson Royal Blue. Keine Sorge: Dank der Subventionen für die Region bleiben auch Luxusherbergen leistbar. Und Design ist Pflicht, nüchtern zwar, aber Design – es ist schließlich Skandinavien.
Die Barszene in Stavanger ist vom gegenüberliegenden Schottland geprägt, das staatlich-norwegische Alkoholmonopol importiert direkt per Fähre. Das bedeutet: viel Whisky, auch ordentlich Gin, wenig Cocktails. Und die meisten Bars sind nicht distinguiert sondern „auf ex“. Das, zugegeben, in durchaus gutem Lederambiente. Die beste Bar in Stavanger aber ist die Cocktailfabrikken. Warum? Weil sie so supergeil vollproll ist.

Mit ordentlich Money in the pocket

Schon alleine der Name. Cocktailfabrik. So heißen Bars in Scheißlingen/Geige, wenn sie cool sein wollen. Und so ist das auch hier. Stavanger ist ein Scheißlingen/Geige. Nur mit mehr money in the pocket. Was aber die Cocktailfabrikken von den anderen Bars in Stavanger im Wesentlichen unterscheidet, ist das Interieur und der Freiluftbereich. Da ist, wohl irrtümlicherweise, etwas Weltstädtisches entstanden. Und das verändert auch das Verhalten des Publikums. Die Cocktailfabrik ist ein anderes Zuhause – das einzig Coole in einem Radius von 300 Kilometern.
Außen eher gähn, innen dann aha. Hätte man nicht erwartet. Bisschen viel Berlin. Vielleicht auch Hamburg. Aber nicht London, nicht Wien. Auch nicht Oslo, nicht Stockholm. Schwarz, Rot, kein Gold. Außer auf den Flaschenetiketten. Neon. Ein nüchterner Tresen, kaum Barhocker. Zwei Nischen mit kleinen, schwarzen Couchtischen und Kunstlederhocker. Alles ein Niederflurbereich. Zum Hinfallenlassen. Dann der Dancefloor, müdes Parkett, groß. Herumlungern is’ nicht.

Alle, alle, alle. Mit allen. Und allein.

Das Publikum? Alle. Die Musik? Mitunter grauenhaft. Die Liveacts? Dominiert vom Missverständnis Saxophon, aber mitunter gut. Das Publikum? Sechzehnjährige, hochgewachsene Blondinen mit Vornamen aus deutschen Heldensagen. Das Publikum? Zwanzigjährige, hochgewachsene Männer mit Vornamen aus deutschen Heldensagen. Die Musik? Mitunter besser. Die Musik? Mitunter besser, wenn der Morgen graut – also um 2 Uhr früh. Das Publikum? Vierzigjährige Ölbohrer. Das Publikum? Fünfzigjährige Ölmanager. Das Publikum? Dreißigjährige sowas wie Banker oder Ähnliches. Der Flirtfaktor? Null. Die Anmache? Hundert. Die Musik? Mitunter sehr Watergate, wenn der Morgen graut. Die Musik? Mitunter sehr Urlaub auf Kreta, wenn der Morgen graut. Der Flirtfaktor? Fünfzig plus, wenn es wärmer wird – also um 4 Uhr früh. Die Cocktails? Unauffällig, wenn der Norweger mixt. Die Cocktails? Verspielt mediterran, wenn der mixt, der wie ein Spanier aussieht, von sich aber behauptet, sein Vorname sei Björn.
Das Publikum, das bleibt? Frauen, die aussehen, als wären sie Friseusen. Das Publikum, das bleibt? Männer, die aussehen, als würden sie an Autos schrauben. Der Rauschfaktor? Achtzig Prozent, wenn es wärmer wird. Der Fröhlichkeitsfaktor? Hundert Prozent, wenn der Morgen graut. Der Aggressionsfaktor? Null. Immer. Der Abkühlfaktor? Ein Meerzugang vor der Türe. Der Abkühlfaktor? Lebensgefahr, wenn man kein Norweger, Schwede, Finne, Russe, Schotte oder Shetland-Pony ist. Der Whisky? Könnte mehr von geben. Der Gin? Könnte mehr von geben. Der Whisky? Reicht schon. Der Gin? Reicht schon. Der Freiluftbereich? Hammergeil. Die Musik im Freiluftbereich? Besser. Die Musik im Freiluftbereich? Besser, vielleicht aber bildet man sich das auch nur ein. Die Musik im Freiluftbereich? Nee, nicht besser. Das Publikum im Freiluftbereich? Mehr Schwarzhaarige. Der Störfaktor im Freiluftbereich? Hubschrauber. Die Etikette des Publikums im Freiluftbereich? Ibiza vollproll, nur nicht ganz so billig. Das Angebot verbotener Drogen (ausgenommen Red-Bull)? Null. Das Vollrauschlevel der anderen? Vier Vodkashots. Das Vollrauschlevel des Autors? Zehn Vodkashots. Das Ende? Ist nah.

Credits

Foto: Shutterstock

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