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Door 74 in Amsterdam – Speakeasy zwischen Schaufenstern

Amsterdam scheint auf den ersten Blick bekannt. Die Türen in die besten Coffeeshops öffnet jeder Reiseführer. Eine Tür kennt er aber nicht: die des Door 74. Hier regiert Timo Janse über ein unabhängiges Reich. Und widmet sich der Vernetzung der Amsterdamer Barwelt.

Das Door 74 ist alles andere als eine der berüchtigten Anlaufstellen für nebulöse Aufenthalte. Zumindest, was Marihuana angeht. Etwas schummrig, allerdings, ist die Bar doch – zumindest in ihrer Historie. Als erste „Speakeasy“-Bar der Niederlande war sie der Ort, an dem auch während der Prohibition Bier und Schnaps ausgeschenkt wurden. Auch heute deutet wenig auf die so genannte „Flüsterkneipe“ hin – die versteckte Tür ist ja schließlich ein Muss, Außendekor ein No-Go und an eine Heineken-Reklame überhaupt nicht zu denken. Die online angegebene Adresse der Bar: „On a Need to Know Basis“.

Hochprozentiger Handel

Timo Janse sollte man auch kennen: Er ist Bar-Manager des Door 74. Aber nicht nur das, er ist auch Kopf der „Perfect Serve Barshow” und sitzt in der Leitung des NBC, also dem niederländischen Zweig der International Bartenders Association. Als Gast-Bartender hat er bisher 17 Länder besucht, und er ist noch lange nicht im Begriff, damit aufzuhören.

Will man einen Platz im Door 74 bekommen, sollte man ihn reservieren. Natürlich kann man sein Glück auch so probieren, aber die Gefahr, dass auf das Klingeln keiner reagiert, ist groß – zu viele Leute suchen Ressort in den vollen Gassen der Amsterdamer Nacht.

Und das muss etwas bedeuten, macht der Amsterdamer Cocktailbar-Szene doch ein gewaltiges Angebot von Hotelbars Konkurrenz. „Durch die Handelsschifffahrt war Holland in seiner Trinkkultur immer schon sehr interessant“, erklärt Timo. Das schlägt sich dann im Phänomen Hotelbar nieder – wo viel gehandelt wird, läuft auch das Fremdenverkehrsgeschäft. Dass sich die Amsterdamer Cocktail-Landschaft bis heute so ausdifferenziert hat, ist eine Entwicklung der letzten vier Jahre, erzählt Timo: „Das war anfänglich gar nicht so einfach.“ Und erst, als die ersten hochkarätigen Bars ohne Übernachtungsmöglichkeit die Tore öffneten, haben die Hotels bemerkt, „dass sie mal ihr Repertoire überdenken könnten, dass es hier jetzt Leute gibt, die es echt ernst meinen mit Drinks.”

Mädchen mögen Montage

Dass Timo es ernst meint, muss man nicht hinterfragen. Letztes Jahr brachte er das Door 74 unter die 15 besten Bars weltweit, und auch bei der London Cocktail Week mischte er mit. „Für mich als Bartender ist es wichtig, zu sehen, was die Kollegen machen. Das inspiriert und lehrt.“ Auf Konkurrenzverhalten hat Timo keine Lust. Deshalb lässt er in regelmäßigen Abständen, immer montags, sein Event „Girls Love Bartenders“ stattfinden. In der Regel arbeitet er mit drei Bars zusammen, verschiedene Bartender mixen für jeweils eine Stunde. Am liebsten lädt er Bars ein, mit denen das Verhältnis bislang noch nicht so gut war. „Danach stimmt es meist.“

Der letzte, der nach 6:00 Uhr noch stehen und Limetten stampfen kann, bekommt einen Preis. Um den geht´s aber nicht wirklich, sondern um die Zusammenarbeit. Man teilt sich die Amsterdamer Afficionados der Barkultur und so auch das Boot, in dem man sitzt. Auf seinen Stelzen ist Amsterdam ja auch ein bisschen ein Boot. Und wie jeder weiß, kann man sich auf Booten auch keine unendliche Auswahl erlauben. Man will es auch nicht.

Kein Mojito im Menü

Timo nimmt zwischen 14 und 16 Drinks in seinem Menü auf, je nach Laune. Nach Laune kann er auch bestellen. „Zum Glück habe ich keine Verträge mit irgendwem, daher muss meinen Gin & Tonic nicht immer mit demselben Gin machen“, so Timo. So frei sind in Amsterdam nur wenige Bars: Mit einem Vertrag kann man in größeren Margen einkaufen und spart Geld – auf Kosten der Flexibilität. Diese will Timo aber nicht aufgeben, bisweilen wechselt er seinen Gin jede Woche. Wenn ein Gast ihn nach etwas fragt, was er nicht mehr bezieht, soll er eben etwas anderes probieren. Ein Mojito wird das jedoch nicht sein. „Das ist einfach eine Tradition des Hauses“, so Timo, „Mojito ist so einfallslos und man trinkt ihn einfach so runter. Es gibt tausende anderer Drinks, die wir den Leuten gerne mixen. Aber keinen Mojito.“ Auf einen Drink sollte man wohl verzichten können.

Dass das gastronomische Leben Amsterdams eben doch ein Boot und kein russisches Kampfschiff ist, sieht man daran, dass Timo bereitwillig unzählige weitere Bars nennt, in die es sich zu gehen lohnt, gleichwohl Restaurants. Diese Empfehlungen möchten wir selbstverständlich keinem vorenthalten. Für die Zeit am Tresen sind das beispielsweise die Pulitzer‘s Bar, das Vault im Waldorf Astoria oder das The Tailor im Krasnapolsky Hotel. Vor allem letzteres ist sehr zu empfehlen, besonders in Kombination mit einem vorherigen Besuch im Restaurant Anna – einem Lokal mitten im Rotlichtviertel mit lokaler Küche und origineller Ästhetik – auf dem Teller wie in der Beleuchtung. Nicht rot, sondern eher gülden, wie auch in Timo´s Bar.

Wie das dann aber genau aussieht, muss man sich selbst ansehen. Ein Mädchen im Schaufenster fragt man ja auch nicht, wie es dahinter aussieht. Hinein ins Dunkel, oder nicht.

Comments (4)

  • Karl Eichberger

    Hatten diesen Dienstag (zeitgleich mit dem Erscheinen des Artikels, der Besuch war schon länger geplant) die Möglichkeit (endlich) die Door 74-Bar in Amsterdam zu besuchen. Mit der Reservierung hat es perfekt geklappt, es kam auch eine Bestätigungs-SMS (auch wenn durch die sprachlich bedingte Barriere mein Name nicht richtig angekommen ist – so ist das halt mit der englischen Aussprache und dem bayerischen Slang)?! Perfekter Service, perfekte Cocktails, es hat einfach Spaß gemacht – auch wenn die Eigenheit für fast jeden Cocktails ein eigenes Gefäß anzubieten (Horny Montain Troll im Trinkhorn, To be or not to be im Gläseren Totenkopf) meiner Meinung nach nicht unbedingt sein muss?! Ein gelungener Abend, der auf jeden Fall wiederholt wird, sobald ich wieder in Amsterdam bin! Und der Abstecher über Dordrecht (Rutte&Zn) war auch die Reise wert.

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  • Karl Eichberger

    Ach so, kleiner Tipp noch von meiner Seite. Immer auf den Homepages der Bars im Vorfeld nochmal die Öffnungszeiten kontrollieren. Ich hätte den Besuch im Door 74 bereits auf Sonntag vorverlegen können (da sie inzwischen auch schon am Sonntag geöffnet hatten, war vor 2 Jahren, als ich meine Notizen angefertigt hatte noch nicht der Fall) Ebenso hatten sich die Öffnungszeiten bei der Vesper-Bar verändert, diese hat inzwischen nicht mehr am Sonntag auf. Daher hat der Besuch der Vesper-Bar dieses Mal leider nicht geklappt.

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  • Hans Berger

    War kürzlich im Door 74 und war sehr begeistert. Netter Barkeeper, tolle Drinks und gute Gesellschaft.

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  • Jonas

    erst wird angedeutet das der Laden ja so ein Geheimtipp wäre und keiner ihn kennt. Dann aber wird genannt, dass man eine Reservierung braucht um überhaupt in den Laden zu kommen, so geheim kann es ja nun dann auch nicht sein.

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