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FÜNF! „Drinks“ für die Dorfdisco

Barkultur ist etwas Mondänes. Sie wird zelebriert in den mehr oder minder größeren Städten unseres Landes. Doch was geschieht eigentlich in den restlichen Gefilden? Nicht überall gehen Boulevardiers, Martinis und IPA über den Tresen zu den Durstigen, die am Wochenende flüssiges Labsal suchen. Sie leben mittlerweile in Berlin, München oder Köln? Aber wo kommen sie eigentlich her? Wir begeben uns auf eine nostalgische Back-to-the-Roots-Tour? Unsere FÜNF! Getränke für einen Abend in der Dorfdisco.
Schützenfest, Kirmes, Kirchweih oder einfach der manchmal unvermeidliche Besuch bei den auf dem Lande verbliebenen Verwandten? Seien wir ehrlich: die Stätten wahlweise „ehrlicher“ oder „niederer“ Trinkkultur überwiegen in ihrer Zahl die jener wenigen hochklassigen Bars um ein Vielfaches.
Für nicht wenige unter den heutigen Spitzenbartendern liegen die liquiden Wurzeln in der Provinz, fernab von Bitters, Eiskugeln und gefrosteten Coupettes. Der Ausflug in ländliche Feiergefilde bietet Erinnerung an früher, als noch nicht jedes Glas mit kritischem Blick seziert wurde. Gönnen wir uns also einen Abend mit dem Cousin auf dem Dorf. Als Grundlage gab es irgendetwas Deftiges aus Omas Küche. Wenn die Alten dann ins Bett gehen, wird es Zeit. Zeit für die Dorfdisco! Ein Abend auf dem Land in FÜNF! Akten.
1) Warm-up auf dem Parkplatz: das Billigbier
Natürlich aus der Halbliter-Hülse. Obwohl es mittlerweile qualitätsbewusste Craft-Brauer gibt, die ihre Sude wohlweislich in zweifelsfrei vorteilhaften Dosen abfüllen, hat das Dosenbier einen konsequent schlechten Ruf. Das liegt nicht am Behältnis, sondern am Inhalt. Babylonisch ist die Zahl an billigen Bieren, die für Cent-Beträge an den Tankstellen und Kiosken über den Tisch gehen.
Auf dem Parkplatz vor der Disse stehen die ersten tiefergelegten Golf III, von drinnen hört man dumpf die Bässe. Später werden sich hier ein paar aufgebrachte Jungs kloppen, das steht fest. Die Spannung steigt. Also einmal tief durchatmen, dann drei, vier Mal kräftig auf den Öffnungs-Splind klopfen und dann entschlossen reißen. Schließlich zerstört das unnachahmliche Klickzischen die Entspannung. Ein elektrisierender Augenblick. Klebriger Schaum wuchert durch den entstandenen Spalt und der Abend kann losgehen. Hossa!
2) Was Süßes für den Anfang: Sternmarke-Fanta
Ganz klar: Dorfdiscozeit ist „Highball“-Zeit. Stilecht kommt dieser norddeutsche Klassiker mit zwei Fingerhut-Eiswürfeln im dickwandigen Mehrzweckglas an den Gast. Der auf Stil bedachte, ambitionierte Tresenmann legt eine halbe Orangenscheibe mit rein, aber das ist dann vielleicht doch schon etwas over-the-top. Am Gaumen vereinen sich die gelbe Kindheitsbrause und der stolz so etikettierte „Weinbrand-Verschnitt“ zu einer Bonbonsinfonie sondergleichen.
Keine Bitterkeit, keine Säure, einfach nur ehrlicher Zucker. Parallel beginnt der DJ den ersten von bestimmt fünf Schlager-Blöcken des heutigen Abends. Ecken? Kanten? Quatsch, hier geht’s einfach nur: rund!
3) Der Allrounder für die Nacht: Korn + X
Korn bringt nach vorn. Oder: Alarm, Alarm, der Korn wird warm. Die unangefochtene Nummer eins im Dorfladen. Was dem Bartender sein Pouring-Gin ist, das stellt für den Provinzdisco-Wirt der Korn dar. Bodenständig. Unverfälscht. Fuselig. Gerne auch edel als Doppelkorn-Variante, aber das muss nicht sein. Geht pur super, muss aber für eine lange Nacht definitiv gestreckt werden.
Die Möglichkeiten, die sich dem Korn-Connaisseur offenbaren, könnten vielfältiger nicht sein. Entweder der Klassiker mit Cola. Selbstverständlich bietet sich auch hier wieder Orangenlimonade an. Für anspruchsvolle Genießer halten wir die Variante mit Maracujanektar bereit. Unser ewiger Favorit bleibt jedoch die Mischung, die Thees Uhlmann im Jahre 2001 so episch besungen hat: „Ich bin bereit, gebt mir Korn und Sprite!“ Geht immer und in rauhen Mengen. Wenn also sich der Abend dem Höhepunkt nähert und der DJ „Atemlos“ durch die Boxen jagt, gehen wir an den Tresen und versorgen den gesamten Freundeskreis des Cousins umfangreich mit Korn und Sprite.
4) Der Royale: Vodka-Bull
Sie wollen die ortsansässige Kohl- oder Kartoffelkönigin klarmachen? Da müssen Sie sich schon ins Zeug legen. Damit der vermögende Sohn des lokalen Landmaschinenhändlers Sie nicht mehr übertrumpfen kann, sollten Sie sich definitiv etwas Besonderes einfallen lassen. Vorhang auf für die Kim Kardashian unter den Longdrinks! In keiner anderen „Mische“ umspielen derart präsente Hubba-Bubba-Aromen den geöffneten Gaumen, becirct eine solch kraftvolle Süße die Zungenspitze.
Unterstrichen von synthetischer Brachialkohlensäure und der vitalisierenden Koffeinkeule sind Sie mit diesem Gummibärchendrink garantiert gerade zwei, drei Stufen in der Beliebtheitsskala der Dorfschönheit gestiegen. Jetzt nicht locker lassen. Noch einen!
5) Der Genickschuss am Ende: Sambuca
Sambuca ist so eine Sache. In seinem Heimatland Italien gilt er als der Paradeschnaps heruntergekommener alter Trunkenbolde. Nicht so zwischen Garmisch und Flensburg. Wenn wir also um vier Uhr morgens gemeinsam mit DJ Ötzi feststellen, dass jetzt sowieso alles egal ist, gehen wir zum Tresen und lassen mit fester Stimme den Schlachtruf ertönen: „Sambuca!“. Anis kann etwas Wundervolles sein.
Der Sambuca hingegen ist der verlorene Sohn jener vornehmen Familie. Er kann leider nicht mit feinem Pinsel filigrane Preziosen untermalen, sein Arbeitsgerät ist der Quast. Mit dicken Strich übermalt und verklebt er auch die letzte noch offene Pore im von der Dorfdisco zerschundenen Körper. Die von ihm kontaminierten Gläser verströmen auch nach mehrmaligem Spülen noch den zähen Odor dieses ranzigen Bruders. Aber manchmal muss da wohl sein. Was für ein Abend. Jetzt aber auf den Parkplatz, das gibt’s angeblich gleich Stress zwischen zwei Jungs, die was von der Kohlkönigin wollen.

Credits

Foto: Autoscooter via Shutterstock

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