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Toller Tip: FÜNF! Mal Trinkgeld

Trinkgeld ist nicht nur ein Heiligtum unter Bartendern, es hat auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Aber darf sich der Chef eigentlich etwas davon nehmen? Widmen wir dem zumeist arbeitsfreien Sonntag einen kleinen Exkurs durch die Zeiten und gesetzlichen Regularien des Trinkgeldgebens.

Ohne Trinkgeld bzw. Tip stellt sich kein Bartender hinter seinen noch so geliebten Tresen. Denn – seien wir ehrlich – selbst in guten Positionen ist das Einkommen eines Bartenders oder Kellners noch lange kein Managergehalt (mit diesem immer noch verbreiteten Mythos haben wir uns schon vor einiger Zeit befasst). Das Trinkgeld ist bis heute selbst in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wo Gastronomen verhältnismäßig gut bezahlt werden, für viele ein intagraler Bestandteil des monatlichen Budgets: Das Gehalt zahlt die Miete und laufende Kosten, das Trinkgeld zahlt den Rest, so eine alte Faustregel. So mancher Bartender in der richtigen Bar bessert sich sein Gehalt pro Monat um einen vierstelligen Betrag auf. Doch woher kommt das „Trink“-Geld eigentlich? Geht es wirklich nur ums Saufen? Und darf der Chef sich einmischen, wenn er selbst nicht mit am Tresen steht?

1) Schon die Ritter tippten

Die Sitte, einem Arbeiter neben dem vereinbarten Lohn noch einen zusätzlichen Obolus auszuzahlen, ist sehr alt und lässt sich im europäischen Kontext schon in der Umbruchsphase vom Spätmittelalter zur Neuzeit anhand von Quellen belegen. Dabei muss sogar der Personenkreis jener, die Trinkgeld erhielten, ausgeweitet werden: Nicht nur Handwerker (also einfache Arbeiter im heutigen Sinne) erhielten das „Tranckgelt“, „Trinckgeld“, „Biergeld“ oder auch das verwandte „Badegeld“, sondern ebenfalls Künstler (die nicht frei, sondern üblicherweise nur gegen Auftrag arbeiteten) oder gar Beamte erhielten regelmäßig Zuwendungen, die über das eigentliche Salär hinausgingen.

Gerade im Falle von Beamten darf man also davon ausgehen, dass die Grenze zwischen Trinkgeld und Korruption nicht selten ein wenig verwischt wurde. Ansonsten jedoch hatte das Trinkgeld denselben Zweck wie heute noch: Der Auftraggeber zollte dem Dienstleister seinen Respekt und würdigte die erbrachte Arbeit in Form einer Sonderzahlung, die der Empfänger – entgegen dem eigentlichen Lohn, der für die Notwendigkeiten der Lebensführung vorgesehen war – für sein Vergnügen ausgeben sollte.

2) Nix mit Wohltätigkeit – trinken auf den Spender!

Wie so vielen netten Gesten, wohnte auch der Ausgabe von Trinkgeld zumindest in früheren Zeiten nicht ausschließlich ein wohltätiger Gedanke inne: Denn der tiefe christliche Glaube der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft bringt den Umstand mit sich, dass eigentlich alles Tun und Handeln eine religiöse und heilsgeschichtliche Komponente aufweist. So spendeten wohlhabende Menschen etwa der Kirche nicht einfach nur aus gutem Willen Geld, sondern gleichwohl, weil sie wussten, dass die Priester oder Mönche dafür spezielle Seelenmessen zum Wohle des Spenders lesen würden.

Einen ähnlichen Zweck erfüllte auch das wohltätige Geben von Trinkgeld: Der Spender tat damit einerseits ohnehin Gutes, andererseits ging mit der Auszahlung auch oft die Bitte einher, beim Verjubeln des Geldes, also beim Trinken, auf das Wohl und Heil des Spenders zu trinken und damit seine Gottgefälligkeit noch ein Quäntchen zu erhöhen. Dies geht aus mehreren früheren Wörterbucheinträgen hervor, die den Begriff behandeln. Ob man dann beim Kater am folgenden Morgen den Spender ebenso zum Teufel wünschen sollte, ist hingegen nicht überliefert.

3) Promptness?! Der Begriff „Tip“

Der international gebräuchliche, englischsprachige Begriff „Tip“ für Trinkgeld lässt sich bis heute – ganz im Gegensatz zum deutschen „Trinkgeld“ oder dem französischen „pourboire“ (=„zum Trinken“/„für das Trinken“) – nicht eindeutig in seiner Herkunft bestimmen. Die Herleitung, „Tip“ sei ein sogenanntes Akronym aus der Redewendung „To Insure Promptness/To Improve Promptness“, wird von der anglistischen Forschung vor allem deshalb zurückgewiesen, weil Akronyme in der englischen Alltagssprache erst im Laufe des 20. Jahrhunderts gebräuchlich wurden, während der Begriff Tip wesentlich älter ist und sich bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert nachweisen lässt. Hinzu kommen noch die Einwände, dass „to insure“ eigentlich „versichern“ bedeutet, das geforderte „sicherstellen“ hingegen mit „to ensure“ formuliert werden müsste, sowie dass die Formel „to ensure promptness“ davon ausgeht, das Tip werde zu Beginn des Service gegeben, was allerdings nicht der Fall ist.

Eine wichtige Unterscheidung vom deutschen Begriff zeigt (neben der Formel mit der „Promptness“) die mögliche Herleitung des „Tip“ vom Slang-Wort „to tipple“, also vom „Zechen“. Damit zeigt sich, dass der Terminus „Tip“ seinen Ursprung eindeutig im gastronomischen Kontext hat, anders als sein deutsches Pendant.

4) Tip in den USA: früher out, heute in

Alle Bartender und Kellner lieben Gäste vom nordamerikanischen Kontinent. Das liegt nicht unbedingt daran, dass diese sich besonders toll benehmen oder ausnehmend hübsch sind, sondern zu einem großen Teil ganz einfach an den Tip-Gewohnheiten, die US-Amerikaner und Kanadier überall mit hinnehmen. Und die sind für europäische Maßstäbe gewaltig: Trinkgelder in Höhe von 15-20 Prozent des Rechnungsbetrages sind völlig normal, und ist ein Ami wirklich zufrieden und spendabel (und vermögend), kann es durchaus sein, dass sein Tip noch deutlich höher ausfällt. Der Autor dieses Textes kann sich gar noch an einen amerikanischen Stammgast erinnern, der nach Gaben von 30 oder 40 Prozent Tip auf dem Guestcheque stets noch höflich nachfragte: „Is that alright?“

Trinkgeld zu geben hat in den USA einen anderen Stellenwert und eine andere Funktion als in Europa: Viele Angestellte im amerikanischen Gastgewerbe verdienen nur einen Mindestlohn, der je nach Staat nur etwas mehr als 2 Dollar pro Stunde (!) beträgt. Sie sind, wenn man so will, kaum wirkliche Angestellte, sondern eher Verkäufer mit Provision, die sich den Löwenanteil ihrer Einkünfte über Trinkgeld holen. Natürlich existieren je nach Bundesstaat eigene Regelungen, aber im groben hat diese Feststellung nichts von ihrer Aktualität verloren. Tip ist aber auch ein amerikanisches Distinktionsmerkmal, über das sich der Geber nicht nur profilieren, sondern mit dem er auch den American Way Of Life feiern kann: Der miese Kellner kriegt nur gerade so wenig Trinkgeld, wie es die Konvention erlaubt oder erfordert (quasi eine Beleidigung), der gute, der sich angestrengt hat, wird belohnt. Doch das war nicht immer so!

Denn wenn man ehrlich ist, läuft diese Idee der Abhängigkeit des Kellners oder Bartenders vom Kunden der uramerikanischen Idee von der Gleichheit aller extrem zuwider. Zumal sich die Gründerväter einig waren, gerade das Modell der britischen Aristokratie in den USA gegen eine Arbeitswelt auszutauschen, in der jeder Arbeitnehmer ein sicheres Gehalt bezieht und nicht vom tagtäglichen Gutdünken seines Herrn abhängig war. Dementsprechend war das Geben von Trinkgeld in den Vereinigten Staaten lange Zeit als Relikt der ehemaligen britischen Kolonialherrscher verpönt, es galt als rückständiges Instrument der vermögenden Klasse, die einfachen Schichten durch „Zuckerbrot“ zu besänftigen. Doch damit nicht genug: Im Jahre 1904 gründete sich gar eine Anti-Tipping-Society, die gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen die Trinkgeldpraxis vorging, eben um die bestehenden Löhne nicht zu gefährden. Und in einigen Bundesstaaten wurden Trinkgelder gar per Gesetz untersagt und somit unter Strafe gestellt. Davon ist heute nichts mehr übrig, sodass viele US-Kellner und -Bartender allabendlich ihres eigenen Glückes Schmied sind.

5) Einkommen: Ja. Gehalt: Nein.

In Deutschland gilt jedes Trinkgeld, das ein Arbeitnehmer erhält, als Einkommen. Gleichzeitig sind Trinkgelder jedoch gemäß Artikel 51 im § 3 des Einkommensteuergesetzes (der alle Formen der Steuerfreiheit erfasst) von der Einkommenssteuer befreit und müssen demzufolge vom Empfänger nicht angemeldet oder versteuert werden. Für den Arbeitnehmer bedeutet das, dass jeder Cent, den er – oder bei gemeinsamer abendlicher Kassenführung das Team – erhält, auch ihm gehört.

Gleichzeitig darf Trinkgeld auf keinen Fall auf das Gehalt angerechnet werden. Will sagen: Ein Chef, der die Kasse selbst zählt, abrechnet und die Trinkgelder dann an sein Team auszahlt, darf das vertraglich festgelegte Gehalt seiner Mitarbeiter nicht um die Höhe des Trinkgeldes verringern. Auch nicht anteilig. Denn ein Trinkgeld gilt in Deutschland als ein freiwillig erbrachter Betrag, der – ja nach juristischer Argumentationsweise – entweder eine „Schenkung“ oder aber eine „Leistung ohne Gegenleistung“ an den direkten Empfänger (nicht den Chef) darstellt. Die eigentliche „Leistung“ bezahlt der Gast nämlich durch das Begleichen seiner Rechnung (in Deutschland ist auch die Bedienung stets in der Preisliste mit einzurechnen). Alles, was in Form von Tip darüber hinausgeht, ist nicht Teil des zwischen dem Gast und dem Wirt geschlossenen Vertrages, sondern richtet sich unmittelbar und persönlich an den Mitarbeiter.

Der Arbeitgeber darf also die Trinkgelder nicht als Teil des Gehalts geltend machen, da er das Gehalt seiner Mitarbeiter aus den Erträgen der „Leistung“ finanzieren muss. Natürlich ist hier das Eis dünn bzw. die rechtliche Lage von Fall zu Fall unterschiedlich: Erklärt z.B. ein Wirt beim Vertragsabschluss mit einem neuen Mitarbeiter, das Gehalt sei zwar recht niedrig, dafür sei das Trinkgeld jedoch erfahrungsgemäß stabil auf einem hohen Niveau, verhält er sich korrekt. Es sei denn, man kann ihm im Nachhinein nachweisen, er habe wissentlich gelogen. Und das muss man erstmal schaffen.

Eigentlich gehen die Trinkgelder den Chef übrigens gar nichts an. Ist man ganz konsequent, gehen sie nichtmal die Kollegen etwas an, denn sie werden ja – im juristischen Sinne – an eine spezifische Person entrichtet. Leider gibt es aber immer wieder Gastronomen, die versuchen, sich von diesem verlockenden und bequemen Zubrot ihren Teil (oder gar alles) abzuzwacken. Doch glücklicherweise geben die Gerichte in diesem Fall meist den klagenden Arbeitnehmern Recht.

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

Comments (2)

  • Robin Weiss

    5) Nicht ganz. Die Steuerbefreiung gilt nur für Trinkgelder, die unmittelbar persönlich gegeben werden. Tronc Lösungen, sowie alle Lösungen nach denen das Trinkgeld im Nachhinein unter dem Personal aufgeteilt wird, sind nicht steuerbefreit.

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    • Redaktion

      Hallo Robin,

      vielen Dank für die Anmerkung, mit der Du sicher richtig liegst. Da ich ja allerdings am Ende des Textes auch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es an sich gar nicht erst dazu kommen sollte, dass Trinkgelder durch die Hand des Arbeitgebers gehen, haben die von Dir angesprochenen Umstände bei mir gar keine Betrachtung erfahren. Ich hoffe dafür auf Dein Verständnis.
      Liebe Grüße //
      Nils Wrage

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