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Noch herrscht Flüstermodus – die Galander Dive Bar

Mit der liebevoll gestalteten Dive Bar am Stuttgarter Platz erobert das Imperium von Dominik Galander nun auch Berlin-Charlottenburg. Hat sie das Zeug zum Local Hero? Eine Inspektion bei Bier, Obstbränden und jeder Menge rosa Flamingos.

Nachdem die Ordnungshüter der Hauptstadt den benachbarten Club erotisch-frivoler Prägung mit Handschellen und Schusswaffen aufsuchten, um danach ein verschließendes Siegel an der Tür anzubringen, nutzte der Kreuzberger Gastro-Pfiffikus Dominik Galander die Gelegenheit für ein weiteres Etablissement, das er mit seinem Nachnamen etikettieren kann. Das Siegel wurde aufgebrochen, und wie bereits im ehemaligen „Mon Cheri“ nebenan durften erneut die kuriosen Hinterlassenschaften einer Bordell-ähnlichen Bewirtschaftung durchstöbert werden, diesmal im ehemaligen „Hanky Panky“.

Obgleich dies ein durchaus Cocktail-relevanter Name gewesen wäre, beschließt die Galander-Kreativabteilung schlussendlich den minimalistischen Namen: Dive Bar – natürlich mit vorangestelltem Betreiber-Nachnamen.

Auf zum Tauchgang

Was ist eigentlich eine Dive-Bar, eine Tauch-Bar? Stammt die Inspiration von Ushers zärtlich-pornografischem Song “Dive”, in welchem er seine Bereitschaft für den Tauchgang mit “Baby” erklärt und schildert, wie dabei alle Tiefen erkundet werden und Bettbezüge und Schenkel feucht hinterlassen werden? Zeit, zu erröten, oder den Bezug zum Vormieter nochmals in Erinnerung zu rufen? Nein. Sein “Dive” leitet Domink Galander aus der klassischen englischen Lexikon-Definition ab: “A well-worn, unglamorous bar, often serving a cheap, simple selection of drinks to a regular clientele.” Frei interpretiert: Kerben im Tresen. Ein unglamouröser Ort, eingebettet in eine vertraute Nachbarschaft mit bewährten Stammgästen, die Whisky und Bier zu günstigen Preisen reichlich konsumieren. Dazu tönt womöglich Tom Waits aus den Boxen und sinniert über “Warm Beer and Cold Women”.

Wikipedia übersetzt Dive-Bar mit: Spelunke. Wer nun aber an Moe’s Tavern in der TV-Serie “Die Simpsons” denkt oder einen Ort wie das “Cheers“ von Sam Malone aus der gleichnamigen 1980er-Jahre US-Sitcom erhofft, sollte eine Ecke weiter ziehen. Der unvergleichliche 24-Stunden-Trinktempel “Zum Hecht“ mit seinen entschlossenen Tresen-Damen, einwandfreien Zapfhähnen und genialer Jukebox kommt diesem klassischen Bild einer Dive-Bar eher entgegen. Dort wabern Blut, Schweiß und Tränen durch den Raum. Gepaart mit der Ungewissheit, ob der nächste Vorfall einen innigen Kuss oder einen saftigen rechten Haken zur Folge haben mag. Hier wirbelt der wahre Strudel der Untiefen. Aber auch im Hause Galander plätschert es.

Aus Rotlicht wird rosa Licht

Verstohlen blicken die entlang flanierenden Charlottenburger in das kleine Rechteck in der Tür, das einen Blick in die Dive-Bar freigibt. Ein Namensschild oder eine Werbetafel fehlen, und so zwinkern zaghafte Äuglein neugierig hinein, als würden sie den Blick auf etwas gänzlich Verbotenes erwarten. Animierend winken die – am frühen Abend noch unterbeschäftigten – Bardamen, um die Zaghaften hinein zu sirenen. Die zweideutige Gestik scheint einige eher zur Flucht zu bewegen als zum Betätigen der Türklingel, und so tummeln sich einige Freunde des Hauses, die ansonsten nebenan einkehren würden, um den neuen Ort zu inspizieren.

Rotlicht hat ausgedient, dafür leuchtet es nun rosa. Der gleichfarbige Bewohner von Feuchtgebieten, der Flamingo, wurde zum Maskottchen des Hauses erwählt und ziert beleuchtet die Wand und als Print die Arbeitskleidung der Bardamen. Imposant und aufwendig ist die Raumdekoration. Ein blau-rosafarbenes Himmelsbild mit Sonne und Wolken ziert die hintere Wand und somit die Sichtachse durch den Raum. Auch die anderen Wände überzieht eine blau-rosa glänzende Beschichtung. Dazu kommen Leuchtelemente einer urbanen Skyline und einige Details, die an die 1980er-Jahre erinnern, wie beleuchtete Telefone oder Teelichthalter, die dem Rubiks-Würfel ähneln. Der hintere Raum bietet Sitzmöglichkeiten am Rande, um Platz für die Tanzwilligen inmitten der blau-rosa Lichtgestaltung zu haben.

Brände, Bier & Beats?

Der vordere Raum beherbergt den Tresen mit einigen Barhockern. Die charmanten Bardamen überreichen eine Schallplattenhülle mit dem gleichen Himmelsmotiv wie an der hinteren Wand. Darin verbirgt sich die originelle Barkarte. Es ist tatsächlich eine Schallplatte, die, durch Drehung auf einzelne Sichtschlitze, die Kapitel des Getränkesortiments freigibt: Bier und Schnaps. So lautet das Kernangebot, aber das soll schon vom Feinsten sein. Ordentliche Whiskys, ordentliche Vodkas und endlich einmal ein bedachtes Sortiment an feinen Obstbränden – eine Getränkegattung, die immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit in Bars erhält.

Ein Shaker ist zwar nicht in Sicht, aber natürlich bereitet das Tresenpersonal auch Mix-Drinks (zu 8 bis 9 Euro) liebevoll zu. „Skinny Little Bitch“ verspricht Vodka, Zitrone, Bitters und Gurke, und eine Kombination aus Rhum Agricole, Zitronengras, Chartreuse, Zitrus und Ananas mündet in „Too Drunk To Fuck“. Dazu gibt es eine kleine Auswahl an Bier, meist zu 4,50 Euro, um mit einem Boilermaker-Konzept – der Kombination aus Bier und Spirituose – variieren zu können. Einige zeitgemäße Biere wie das Galander Haus-Bier oder Craft Beer von Crew Republic oder Von Freude machen neugierig. Gänzlich unoriginell vertraut man zudem einem Massengebräu aus Bremen. Aber die Gäste sollen ja nicht einkehren, um nerdige Bier-Verkostungen abzuhalten, sondern um ordentlich zu zechen und zu den Beats zu moven und zu grooven. (Für alles, was sonst noch passieren mag, gibt es bei den Toiletten ein süßes Separee mit zwei Sesseln darin.)

Psssst!

Let’s get loud! So lautet das ursprünglich erdachte Konzept mit DJs und Musik der 1960er bis 90er. Punk, Rock’n’Roll oder Old School Hip Hop sollten die lautstarken Begleiter in die Untiefen der Nacht sein. Nur Elektro hat striktes Hausverbot. Ein kleines Detail wurde bei der inspirierten Innengestaltung jedoch nicht ausreichend beachtet. Leider stellte sich bei der Eröffnungsparty heraus, dass die Musikanlage zu beachtlichen Leistungen imstande ist, die Schalldämmung dem aber nicht ein entsprechendes Ergebnis im Sinne der Nachbarschaft entgegenzusetzen vermag. Nun dürfen zunächst die Regler nur den unteren Bereich der Skala erreichen und die satten Beats verkümmern zu hungrigen Klopfzeichen. Aber an den Kinderkrankheiten wird sicher noch gearbeitet. Das Tresenteam ist jedenfalls überaus charmant und repräsentiert liebevoll die neue Wirkungsstätte.

Amüsant und unterhaltsam für den Alltags-Voyeur ist diese augenblickliche Einstiegs-Übergangs-Phase. Die Galander Dive Bar weckt unterschiedlichste Erwartungen bei den Gästen. Studis giggeln albern und genießen die Aura eines vermeintlich verbotenen Ortes, andere blicken traurig drein, da das Musikvergnügen ihnen noch verwehrt bleibt und niemand zu leisen Tönen tanzen mag, und manch Besucher zeigt sich womöglich enttäuscht, dass die Dienstleistungen der hübschen Bardamen tatsächlich bei den Getränken enden. Vielleicht wäre ein erklärendes Schild am Eingang doch irgendwie hilfreich.

Wir dürfen gespannt sein, was noch passiert. Die vielversprechende Grundlage ist sicher gelegt: gute Getränke und engagiertes Personal. Dazu ein feines Musikkonzept mit und ohne Lautstärke. „Irgendwann werden wir wieder auf dem Tresen tanzen“, wünscht sich die optimistische Bardame. Zunächst aber nimmt der Tresengänger ordentliche Drinks in einer kühlen semi-lasziven Aura zu sich. Es fühlt sich an wie eine Art vegetarischer Puff. Ein Püffchen. Wir öffnen neugierig die Büchse der Pandora – aber zunächst bitte ganz leise.

Credits

Foto: Flamingos via Shutterstock.

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