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Gut „behütet“ oder nicht? Mützen an der Bar

Mützen und Hüte auf dem Kopf des Bartenders: No-Go oder Ausdruck zeitgemäßen Modebewusstseins? Wir haben nachgefragt und sind überrascht von den Ergebnissen. Ein Plädoyer für den Hut. Oder doch nicht.

Über einen sehr langen Zeitraum war die Kopfbedeckung – besonders bei Herren – ein obligatorischer Begleiter. Ging man aus dem Haus, dann trug man einen Hut. Lebte man in einfacheren Verhältnissen, wurde auch gerne auf die sogenannte Schiebermütze zurückgegriffen, ebenso, wenn sich die bessere Gesellschaft zum Sport traf.

Im Prinzip hat erst die 68er-Bewegung mit der flächendeckenden Verwendung von Kopfbedeckungen Schluss gemacht.

Sir, yes, Sir!

Wie viele Gepflogenheiten im Bereich der Kleidung, so stammt auch die Verwendung der Kopfbedeckung ursprünglich aus dem militärischen Umfeld. Bis heute wird in vielen Streitkräften die Regel praktiziert: Im Freien wird die Kopfbedeckung aufgezogen, beim Betreten von Räumen jedoch wird sie umgehend abgenommen.

Überdies hatten und haben Mütze und Hut dort eine weitere Funktion, nämlich die der Distinktion. In Deutschland nicht ganz so stark verbreitet, trägt beispielsweise ein US-amerikanischer Admiral eine andere Mütze als ein Leutnant, von dessen Mütze sich wiederum diejenigen eines Bootsmannes oder Matrosen unterscheiden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass gerade im westlichen Raum der Hut einem Niedergang ausgesetzt war – das Militär ist heutzutage im alltäglichen Leben weitaus weniger präsent als je zuvor in unserer Geschichte. Was sich in großen Teilen der Gesellschaft gehalten hat, ist die alte Regel „draußen auf, drinnen ab”, der von vielen Menschen nach wie vor Gültigkeit zugesprochen wird.

Die Renaissance des Hutes

In den letzten Jahren wiederum hat sich der Trend bei Kopfbedeckungen umgekehrt. Mützen, Hüte und Beanies sind aus unterschiedlichsten Subkulturen in den modischen Mainstream geschwappt und heute im Straßenbild vielleicht stärker vertreten als seit Jahrzehnten. Die Kopfbedeckung, ob Basecap, Pork-Pie-Hat, Schiebermütze oder Pudelmütze, ist zu einem gefragten Accessoire avanciert, dessen Abwesenheit sich kein Hipster mehr erlauben kann.

Damit einher geht, wie so oft, auch eine Infragestellung alter Konventionen: wenn die Kopfbedeckung Ausdruck einer bestimmten Zugehörigkeit sein soll, wenn sie womöglich als funktionalisierter Teil der äußeren Erscheinung gedacht ist, kann dann noch die alte Regel gelten, dass man sie in „geschlossenen Räumen” abzulegen hat? Und: darf der Bartender von heute eine Mütze tragen?

Dabei muss natürlich zuallererst differenziert werden: dass in manch stark konventionalisiertem Umfeld eine Kopfbedeckung beim Personal nicht passt, sollte auf der Hand liegen. In einer klassisch-konservativen Hotelbar, wo beim Personal ein strenger Dresscode in Form einer Uniformierung gepflegt wird, ist eine Kopfbedeckung mit Sicherheit unangebracht.

Und wenn in einem solchen Umfeld doch eine Kopfbedeckung getragen wird, „dann sollte sie einheitlich sein“, wie etwa André Pintz, letztjähriger Sieger der Made-In-GSA-Competition, findet. Ähnlich betrachtet es Timothy Alun Mühlbeyer, selbst bekennender Mützen-Fan und derzeit in der Osloer Bettola Bar zu finden: „Wenn es zum Konzept passt und einheitlich ist, finde ich es durchaus passend. Aber persönlich ziehe ich ‚ohne‘ vor.“

Eher ohne Mütze

Eine Umfrage hat gezeigt, dass ein großer Teil jener Bartender, die geantwortet haben, eher die konservative Auffassung vertritt, also dass sie eine Kopfbedeckung hinter der Bar tendenziell als unpassend empfinden. Für René Larsen aus der Strøm Bar in Kopenhagen ist klar: „Wenn man einen Raum betritt, kommt der Hut ab. Das gilt für das Personal und die Gäste. Aber besonders fürs Personal!“

Und auch Roger Breitenegger, derzeit mit einem eigenen Berliner Pop-Up-Projekt sowie als Markenbotschafter für Pijökel aktiv, meint: „Als Kappen-Sammler freue ich mich über jede Möglichkeit, eine zu tragen, aber nur, wenn es nicht störend oder unpassend wirkt.“

…oder doch mit?

Die Bar-Community zeigt sich also mehrheitlich recht konservativ, wenn es um das Tragen von Mützen und Hüten geht. Doch es gibt auch andere Sichtweisen. Hauke Thüring aus der rivabar, selbst allerdings mützenloser Bartender, weist auch auf den hygienischen Aspekt hin: „Jeder verliert Haare, und auch die Schweißbildung spielt manchmal eine Rolle.“ Die Mütze als funktionaler Teil der Arbeitskleidung? Möglicherweise, schließlich tragen auch Köche traditionell eine Mütze.

Ein deutliches Zeichen setzt beispielsweise Maxim Kilian aus dem Frankfurter The Parlour. Kilian, im letzten Jahr durch seinen Teil-Sieg beim globalen Finale der Diageo World Class auch international in Erscheinung getreten, arbeitet bevorzugt mit Hut. Aber auch für ihn steht fest, dass das Barkonzept dazu passen muss.

Das Konzept! Ja, welches denn?

Wenn das „Konzept“ passen muss, wie es für viele Bartender der Fall zu sein scheint, dann stellt sich natürlich die Frage, wie ein derartiges Konzept auszusehen hat. Im Zuge der jüngeren Entwicklung der Barkultur scheint damit am ehesten die Auffächerung in verschiedene Spielarten der Barlandschaft gemeint zu sein.

Der konservative Endpunkt scheint mit ebenjener klassischen Hotelbar skizziert, die eingangs erwähnt wurde. Viele Konsumenten wissen jedoch mittlerweile, dass es für hochwertige Drinks keine Ohrensessel, dunkle Teppiche und gedämpfte Klaviermusik braucht.

Auch moderne, stärker subkulturell und urban ausgerichtete Bars bieten Getränkekultur auf höchstem Niveau. Bars wie The Parlour oder die Friedrichshainer Booze Bar, ausgezeichnet mit dem MIXOLOGY BAR AWARD für das Barteam des Jahres 2015, stehen hier an vorderster Front.

Dort zeigt sich ein neuer Trend: entgegen der Konvention arbeitet das Personal in individueller, privater Garderobe, zu der eben auch Kopfbedeckungen gehören können. Die alte Regel, dass sich an der Kleidung des Personals das Niveau von Drinks und Service ablesen lässt, ist definitiv passé.

Die lange Emanzipation der Kopfbedeckung

Also ein Freifahrtschein für einen ungezwungenen Look? Nicht unbedingt, findet Christoph Schwarz, Kieler Restaurantbetreiber und Mitinhaber eines Modelabels, das selbst Mützen herstellt: „Ich sehe das etwas differenzierter. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Caps oder Hüte an der Bar und im Service. Aber ein Problem dabei ist, dass solche Accessoires oft einen Eindruck von Jugendlichkeit oder mangelnder Professionalität hervorrufen. Dem muss man dann als Mitarbeiter natürlich entgegenwirken. Überspitzt würde ich also sagen: wer einen lockeren Look mit Mütze pflegt, der muss auch ‚abliefern‘, weil er sonst ein altes Klischee bedient.“

Ein interessanter Gedanke, der zeigt, wie tief sowohl eine bestimme Assoziationskette als auch der Bezug auf eine traditionelle Konvention noch immer – auch bei jüngeren Menschen – in der Gesellschaft verwurzelt sind.

Was bedeutet das nun für die Barkultur? Ein klein wenig scheint sich der Brauch, den Kopf in Bars und Restaurants frei machen zu müssen, zwar zu lockern. Flächendeckend steht die Barszene allerdings noch der althergebrachten Sitte nah, eher „unbehütet“ zu Werke zu schreiten.

Letztendlich liegt es ohnehin weniger beim Team, sondern beim Barbetreiber, welchen Dresscode er seinen Mitarbeitern verordnet. Eins steht jedoch fest: solange der Mehrheit an hochqualifizierten Bartendern die Gelegenheit fehlt, auf Wunsch auch mit Mütze oder Hut ihre Fähigkeiten demonstrieren zu können, wird sich auch die Wahrnehmung beim Gast nur schleichend transformieren.

Solange der Look nur mit minderwertigen Studentenkneipen verbunden wird, bleibt die Mütze in ihrer Nische.

Die Barszene hat sich in den letzten Jahren nicht nur als traditionsbewusste, sondern ebenfalls offene und tolerante Branche präsentiert. Vielleicht darf ja irgendwann die Mütze etwas öfter mit dabei sein.

Credits

Foto: Ritter via Shutterstock

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