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Die Ivy-League des Cocktails

Ivy Mix sorgt in der New Yorker Barszene seit Jahren für Aufsehen. Mit der Latino-Bar „Leyenda“ steht sie erstmals am eigenen Tresen. Und wurde dafür prompt „Bartender of the year“ bei den Tales Of The Cocktail. MIXOLOGY ONLINE sprach mit ihr über Barfrauen, Pferdezucht und Pisco.

Nachdem sie bei den „Spirited Awards” der Tales Of The Cocktail bereits drei Mal in Folge als „American Bartender of the Year” nominiert war, erhielt Ivy Mix 2015 den Award. Das vergangene Jahr kann damit als ihr bisher erfolgreichstes bezeichnet werden, denn mit der Eröffnung der Leyenda in der Smith Street 221 im Brooklyner Kiez Carroll Gardens startete die 30-jährige Sportskanone in die Selbständigkeit. Als „hochmotiviert, angstfrei und echtes Energiebündel“ wird sie etwa von New Yorks Cocktail-Patin Julie Reiner bezeichnet, in deren Clover Club Ivy zuvor tätig war.

Gemeinsam starteten die beiden als Geschäftspartnerinnen in Sachen Cantina, als gegenüber des Clover Club ein Lokal frei wurde. Den Schritt von der Angestellten zur Geschäftspartnerin Reiner nennt sie auch ihre zweite Graduierung. Denn ihren Bachelor machte Ivy Mix einst im heimatlichen Vermont. Die Tochter zweier Künstler schloss am Bennington College ihr Stuidum in „Philosophy and Fine Art“ ab, vor allem Fotographie und Bildhauerei bildeten die Studienschwerpunkte.

Ivy Mix, Mezcal-Bootleggerin an Bord

Die berühmteste Episode, die sich mittlerweile zu einer eigenen Ivy-Legende ausgewachsen hat, stammt aus ihrer Zeit in Guatemala. Nicht, dass sie in der Stadt Antigua erstmals Drinks servierte, um die Barschulden abzuarbeiten, sondern die Schmuggelfahrten nach Mexico wurden Teil ihrer Vita. Für John Rexer, der für sein „Café No Sé“ die unetikettierten Flaschen der Mezcaleros auch schon als Priester verkleidet durch den Zoll schmuggelte, begab sich auch Mix auf die Busfahrt. Mit diesem intensiven Wissen um die Agaven-Destillate startete Mix 2009 als Cocktail-Kellnerin im Mayahuel im East Village. Die Erfahrung mit den Drinks von Phil Ward fungierte als Augenöffner: Die Liebe zu Spirituosen und der künstlerische Background lassen sich in einem Beruf vereinen.

Schon ein knappes Jahr darauf heuerte Julie Reiner Mix für die Eröffnung ihres mittlerweile geschlossenen Lani Kai in Manhattan an. Davor arbeitete sie auch mit Cocktail-Historiker St. John Frizzell in seiner Bar Fort Defiance in Red Hook – Brooklyn scheint Ivy, die auch hier wohnt, beruflich nicht loszulassen.

Latino-Trend und Absage an die Nerds

Ihre im vergangenen Mai eröffnete eigene Bar ist für sie „wie ein erstes Kind; ich bin so stolz drauf und will, dass sie jeder sieht“. Unter den 18 Drinks der sprichwörtlich  „legendären“ Bar finden sich nicht nur Kreationen mit Mezcal, Tequila, Rum und Cachaça. Auch die hierzulande weniger bekannten mexikanischen Destillate Sotol und Raicilla kommen zum Einsatz. Schnell bekannt wurde der wortspielerische Tia Mia, ein Mezcal-geladener Mai Tai-Twist. New Yorks Rum-Liebhaber greifen lieber zum Stir Key, der Destillate aus Jamaica, Bermuda und St. Croix mit Macadamia-Orgeat und Aromatic Bitters kombiniert.

Dass die Eröffnung mit einem Trend in New York zusammenfiel, der gerade „Latin spirits“ feiert, kommt der neuen Trinkstätte in Brooklyn natürlich entgegen. Was vor Jahren mit Tequila und Mezcal begonnen hat, habe sich nun in Richtung Rum und Pisco weiterentwickelt, so Ivy Mix. Entsprechend verwendet sie sowohl chilenischen wie peruanischen Pisco in der Leyenda und meint: „Die Spirituose mit den vielen Stories rundherum fasziniert mich einfach“, weshalb auch ihre Version des „Pisco Sour“ – der mit Yerba Mate infusionierte peruanischer Weinbrand und Grapefruit Bitters sorgen für den Twist – als „Buena Onda“ auf der Signature-Drinks-Karte steht.

Klare Worte findet Ivy Mix, wenn es um übertriebene Inszenierung von Cocktails geht: „Klar ist es wichtig, einen guten Drinks zu machen. Nur, wenn die Person, die ihn Dir serviert, keinen guten Job macht, schmeckt einem der auch nicht“. Und wenn man seine Gäste schon belehren müsse, „dann bitte mit einem Lächeln im Gesicht“.

Mehr Frauenpower für Europa!

Ivy, die gerne einen Bensonhurst Cocktail (nach dem Brooklyner Berufskollegen Chad Solomon) oder eine klassische Paloma („aber original bitte, mit Grapefruit Soda und einem Spritzer Limette“!) trinkt, wurde vor allem auch für ihr Engagement für Frauen an der Bar bekannt. Auch Leute, die noch nie in ihrer Bar waren, kennen den von ihr gemeinsam mit Lynnette Marrero gestarteten Wettbewerb „Speed Rack“. Diese Festspiele der „girl power” sammeln zugleich auch Geld für die Brustkrebs-Hilfe und haben in den fünf Jahren ihres Bestehens 300.000 US-$ eingespielt.

Wie aber steht es um die Rolle der Bartenderinnen – werden sie als gleichwertig wahrgenommen? „Ich glaube, als wir begonnen haben, lautete die Antwort ‚nein‘“, meint Ivy Mix und fährt fort: „Allerdings ändert sich das jetzt und das ist auch gut so. Einige der weltbesten Bars werden heute von Frauen geführt, das kann man schon als Sieg verbuchen“. In Europa herrsche da vielleicht noch etwas Nachholbedarf, „aber ihr habt Leute wie Tess Posthumus in Amsterdam, die Großartiges leisten“. Wo wir gerade von Europa sprechen: Auch die Berliner Barszene kennt Ivy Mix seit ihrem Auftritt beim letztjährigen Bar Convent, auch wenn sich deren Namen im Nebel der Nacht verlieren: „Ich war in einigen Bars und die haben mich sehr, sehr beeindruckt“.

Auch wenn die New Yorkerin gerade ihre Zeit in der Leyenda auskostet, weiß sie schon genau, wie die persönliche Geschichte einmal enden wird: „Irgendwann werde ich wieder Pferde ausbilden, denn das war meine erste Liebe“. Bis es so weit ist, mixt sie noch den Headless Horseman, ihren Cachaça-Kürbis-Signature.

Credits

Foto: Birte Filmer

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