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Keimzelle Barfly’s: Jubiläum im Rückspiegel

„25 Jahre Wiener Barwunder“ – die Einladung ins Barfly’s zitierte eine Aufbruch-Stimmung, die der aktuellen Bar-Erweckung Wiens nicht unähnlich war. Dahinter stand praktisch ein Alleingang, an den zum Jubiläum erinnert wurde.

Gurrend-tief heizt die Stimme der kubanischen Son-Sängerin die Menge an, dazu gibt es Mojitos im Akkord. Mitunter geht auch der Jubiläumsdrink „25“ mit ebenso altem Glenfarclas, Martini Gran Lusso und Peychaud Bitters über den Tresen. Kommerzialräte, Werber, Latino-Schönheiten und Gastronomie-Funktionäre gratulieren Melanie Castillo abwechselnd – und der Gäste-Strom reißt nicht ab. Wien feiert heute ein Lokal, eigentlich aber einen großen Abwesenden. Denn Bar-Insider wissen, dass der 61. Geburtstag Mario Castillos praktisch mit den Festivitäten zum 25. Bestehen des „Barfly’s“ zusammenfiel. Der Vater des „Wiener Barwunders“ allerdings verstarb im Juli 2010. Seine Spuren sind aber heute noch unübersehbar.

Ausbildungsstätte American Bar

Nicht nur in der von ihm aufgebauten, mittlerweile auf 2.000 Flaschen mit Schwerpunkt Single Malts und Vintage Rums angewachsenen Spirituosen-Sammlung lebt seine Leidenschaft weiter. Vor allem ist die Liste der aktiven Bartender, die einst im Barfly’s tätig waren, lang: Andreas Obermeier (heute Consultant, u .a. Melrose, Wien), René van de Graaf (Eigentümer des Dino’s, Wien), Salar Gerami (Sunshine Enterprise, die u. a. die Wiener Albertina Passage betreiben) oder Igor Mihalus (Tony’s American Bar, Prag) sind hier zu nennen.

Dazu kommen noch weitere Schwergewichte, die in den „Außenstellen“ von Castillos Imperium arbeiteten. So stand Erich Wassicek (Halbestadt, Wien) in Linz am Tresen, während Heinz Kaiser (ebenfalls Dino’s) in der damaligen Black Bar auf der Donauinsel arbeitete. Auch die Liste der – teils noch existierenden – Lokale, die zur Hoch-Zeit des Barwunders von Mario Castillo betrieben wurde, sorgt für Schauer der Erinnerung: Nightfly’s, Comida y Ron, Castillo, La Salsa, La Rumba. Die Namen signalisieren auch die Musik-Leidenschaft des gebürtigen Dominikaners – Salsa-Legenden, die kaum jemand kannte, lotste er für unvergessliche, schweißtreibende und Rum-gesättigte Nächte nach Wien.

Mojitos für die Ministerialräte

Das Herzstück stellte jedoch immer das unweit der Mariahilfer Straße gelegene „Barfly’s“ dar. 1990 eröffnete das ehemalige Offizierscasino des Hotel Fürst Metternich, nachdem Castillo zunächst im New York-New York an den Shakern stand. Was nach Wiener Verstaubtheit klang, wurde mit lateinamerikanischem Feuer desinfiziert. Mojito, Caipirinha und Daiquiri in der Donaumetropole, so lautete das Motto. Betritt man die Bar in der Esterházygasse heute zum ersten Mal, könnte man auch meinen, dass Castillo selbst das heutige Speak easy-Revival vorweggenommen hat. Denn gut versteckt nahe der Marmortreppe des Hotels Metternich findet sich der Zugang zu der klassischen American Bar. Von Dean Martin bis Che Guevara lachen die schwarz-weiß verewigten Ikonen heute noch auf den Besucher herab, so wie es dem österreichische „Barman of the Year 1997“ gefiel.

Passioniert, bei aller Patina des Barfly’s

Denn der Blick der Barfly’s-Crew ist bei allem alten Ruhm nach vorne gerichtet. Marios Witwe Melanie entschied sich nach dem plötzlichen Ableben ihres Mannes bewusst für einen Karrierewechsel – und führte die Keimzelle des Barwunders weiter. Ihr zur Seite steht neben Langzeitmitarbeitern wie Henry oder Julian als Barchef Thomas „Tom“ Sipos. Er sorgt als Ausbilder von Bartendern und Drink-Entwickler für Marken wie Bols für die modernen Akzente im klassischen Ambiente. Aktuell serviert Sipos etwa einen Cocktail-Hybrid aus Americano und Manhattan. Der „New York Island“ mit Rye, roten Wermut, Martini Bitters, Angostura und Soda als Drink des Monats ergänzt die umfängliche Karte, auf der nach wie vor Rum und Whisk(e)y den Ton angeben.

Für Cocktails bevorzugt er aktuell Malts ohne Altersangabe („sie bringen oft mehr Geschmacksnuancen in den Drink“). Mit Glenmorangies „Companta“ mixt Sipos einen schottischen Martini, der Ardbeg „Uigeadail“ wiederum befeuert einen „Smoky Sazerac“. Beide Drinks stehen für die 2015er Version des „Barfly’s“, klassische Drinks mit modernen Zutaten. Aber nicht zu modern, bitte. Denn was ist falsch an einem Daiquiri? In der Esterházygasse gar nichts.

 

Credits

Foto: Foto via Barflys

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