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Ein Kleinod ist dem alten Ehepaar nicht genug

Mit dem „Sonnendeck“ hat sich das Kleinod Wien an beiden Enden der Wiener Prachtmeile Graben eingerichtet. Der Eröffnung ging bei Oliver Horvath und David Schober ein klassischer Weg in die Gastronomie voraus.

 Unorthodox ist aber ihr Zusammenspiel in der Bar.

„Wir sind wie ein altes Ehepaar“, schildern Oliver Horvath und David Schober ihre Arbeitsbeziehung. Dass es nicht immer ohne Zoff abgeht, verhehlen die beiden hoch über den Dächern von Wien nicht. Horvath, mit grau-meliertem Bart, und Schober, mit wehenden dunklen Haaren, stellen schon optisch zwei Kategorien von Barbesitzern dar. In einem ist sich das Duo aber einig: „Wir diktieren den Gästen nichts“. Das zeigt auch die aktuelle Pop-up-Location, das „Sonnendeck“ ihrer Bar Kleinod Wien auf dem Dach eines ehemaligen Bank-Gebäudes im Herzen der Stadt. „Im Sommer wollen die Leute Spritzer oder Bier trinken und keinen Vodka-Longdrink. Das hat eine Rooftop-Bar auch zu führen“, gibt sich das „Ehepaar“ pragmatisch. Denn die Gastronomie in all ihren Erscheinungsformen kennen die beiden zur Genüge – jeder für sich, aber auch aus den gemeinsamen Tagen.

Kleinod Wien: Der Werber und die Longdrink-Saftschubse

Schober etwa war mit 15 Jahren daheim ausgezogen und lebte bei einem Freund im Hotel. Das Geld dafür verdiente er an einer der ersten Wiener Bar-Adressen. „Ich hatte meinen ersten Job im Barfly‘s“, erinnert er sich an diese Anfänge. Aber so lustig das Leben in Zimmer 107 auch war, irgendwann kam der Blues: „Mit 21 hatten die ersten Freunde ihr Studium fast abgeschlossen, nur ich hatte nichts vorzuweisen“. Die Werbeakademie lag nahe, immerhin zählt Schober senior zu den bekanntesten Werbern Österreichs. Und so schlug der frisch gebackene Absolvent dann zwei Jahre in Barcelona auf, wobei auch die Event-Betreuung zur Agenda gehörte. Das sprach sich herum. Als in der Sky Kitchen plötzlich Not am Manne war, sprang der dafür angefragte Schober 2009 ein. Dort allerdings brachte ihn das Schicksal auch mit Oliver Horvath zusammen. Man verstand sich – und eröffnete drei Jahre später den Club Chaya Fuera.

Horvath, der nach Lehrjahren im tatsächlich real existierenden Gasthaus zur Wildsau laut Eigenangabe jahrelang als „Longdrink-Saftschubse“ auf den angesagten Wiener Clubbings agierte, wollte es da eigentlich ruhiger angehen. Mit 31 Jahren reagierte er daher auf ein Inserat zur Betriebsnachfolge als Bar-Caterer. Doch dann rief Michael Holzer, der mit der Sky Kitchen gerade ein Clubkonzept andachte. „Und so stand ich, statt erwachsen zu werden, erst recht wieder im Club“, lacht er rückblickend. Denn immerhin begann so der gemeinsame Aufbau des Chaya Fuera.

Kleinster gemeinsamer Nenner aus Drink-Nerd und Party-King

Was im Nachhinein logischer klingt als es war. Denn die Konzepte der beiden, wie Bars sein sollten, „könnten nicht unterschiedlicher sein“. Oder, mit Blick auf Schober etwas wienerischer von Oliver Horvath definiert: „Du willst weggehen. Ich will in Ruhe Cocktails trinken“. Die Schnittmenge aus Drink-Nerd und Party-King ergab letztlich während eines Lanzarote-Urlaubs die ersten Pläne für das Kleinod Wien. Eigentlich wollte man 2014 auf der Insel nur surfen lernen („ein Foto mit den Brettern im Auto gibt es irgendwo noch“), doch der Bar-Traum siegte. Auch wenn er bedeutete, ein gutes Jahr Verhandlungen über jedes Detail der ehemaligen Galerie-Bar in der Singerstraße zu führen.

Mit von der Partie sind hier auch Alexander „Xandi“ Batik und Philipp „Drops“ Scheiber: „Wir halten alle die gleichen Anteile“, betonen die beiden, wenn auch die Geschäftsführung bei Horvath und Schober liegt. Der eine liebt monatelange Verhandlungen mit Designern, der andere kümmert sich lieber um die Cocktailkarte, kann man die Aufteilung intern grob umreißen. Bartender Marcel Katzer, über dessen Einstellung im „Chaya Fuera“ eine typische Schober/Horvath-Diskussion entbrannt war, zählt heute ebenfalls zu den Aktivposten der kleinen Bar mit dem zeitlosen, schwarz-goldenen Interieur von einem Yacht-Designer. Details wie diese sind den vier Betreibern wichtig.

Das Smoking-Hemd, das von Anbeginn die Dienstkleidung darstellte, gehört hier ebenso dazu wie der Retro-Zigarettenautomat. Wobei das Hemd auch auf ein Erfolgsgeheimnis der Kleinod-Macher verweist. Denn die Oberbekleidung der Crew wird gerade erneuert. Dass dafür Wiens vielbeleumundeter Maß-Schneider Gino Venturini gewonnen werden konnte, liegt an den speziellen Konditionen, die er den Freunden des Hauses einräumte. Dass sich jeder Mitarbeiter den Rücken des Hemds individuell aussuchen kann, liegt wiederum an den vier Chefs. Denn die finden das sogar witzig, wenn nicht jeder mit dem gleichen Hemd rumläuft. Einmal mehr: Der Stil bleibt gewahrt, die Uniformität aber nicht.

Die goldenen Erfahrungen aus dem Club-Leben

Denn es sind die Menschen, die am Ende des Tages den Ausschlag für eine Location wie das Kleinod Wien geben. Auch das ist eine der güldenen Erkenntnisse aus dem Erfahrungsschatz der Ex-Club-Betreiber: „Nur so konnten wir an einer Off-Location etwas hochziehen“. Selbst die kurz nach der Eröffnung 2015 (wohlgemerkt im bevölkerten Ersten Bezirk und unweit vom frequentierten Taxi-Hotspot!) aufpoppende Diskussion um Lärm vor dem Kleinod Wien nahm man entsprechend pragmatisch. „Das kannten wir schon vom Chaya“, so Schober. Dort ersuchten zu Spitzenzeiten Pantomimen die Gäste um möglichst ruhige An- und Abreise vom Club. Die Zeit im von Bartendern oft geschmähten Club-Geschäft hat Horvath/Schober aber auch andere Lehren beschert, die nun Früchte tragen. „Wir haben gelernt, wie man Spitzen abdeckt – das geht nur gemeinsam“.

So kam es auch zum „All-Star-Team“ auf dem Sonnendeck. Marcus Philipp aus der „Albertina“, die ebenso Sommerpause hält wie die neue krypt (von hier kam Schober-Bruder Daniel auf die Dachterrasse), bekommt von Thomas Lang Gesellschaft, sobald der X-Club Siesta hält. So ist die Wiener Bar-Community eben. Um die ist es dem Duo zufolge trotz vieler Neueröffnungen weiterhin gut bestellt. „Das killt momentan vor allem die Clubs“, so Oliver Horvath. Womit sich natürlich die Frage nach einem dauerhaften „Kleinod 2“ stellt. Tatsächlich suchen die beiden nach einem entsprechenden Lokal. Vorstellbar sei etwa auch eine Hotelbar unter „Kleinod-Prämissen“ – und das muss nicht in Wien passieren, wie David Schober ergänzt. Anders gesagt: Das „alte Ehepaar“ hat immer noch Sex. Nicht miteinander. Sondern für alle Gäste da draußen, für die ein Barbesuch Vergnügen bedeutet. Und keine Fachbereichsarbeit in Sachen Aromatic Bitters.

Credits

Foto: Foto via Roland Graf.

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